Strafgefangene

12.7 Strafgefangene


Insassen von Gefängnissen haben in der Regel keine Möglichkeiten für heterosexuelle Aktivität. In der Öffentlichkeit ist man zum Teil der Auffassung, dies sei Bestandteil der Strafe. Bis heute hat man sich daher in der Bundesrepublik Deutschland wie in den meisten anderen Staaten zu einschneidenden Reformen noch nicht durchringen können, obwohl viele Reformvorschläge und Reformbeispiele (in Skandinavien) eine Änderung des Strafvollzugs gerade auch hinsichtlich größerer sexueller Freiräume in den Strafanstalten nahegelegt haben. Daher ist das einzige in Anstalten übliche Sexualverhalten die Masturbation und der homosexuelle Geschlechtsverkehr. Dies gilt für Frauen wie für Männer.


Man könnte sich vorstellen, dass zumindest Homosexuelle in den Gefängnissen sexuelle Befriedigung finden, das trifft jedoch nicht zu. Auch bei den Gefangenen sind, wie in der Bevölkerung insgesamt, Heterosexuelle in der Mehrzahl, und deren sexuelle Frustration ist enorm. Dieser Frustration entledigen sich viele dadurch, dass sie jüngere und schwächere Mitgefangene vergewaltigen und sie zu anderen gewaltsamen homosexuellen Handlungen zwingen. So ist die in Gefängnissen weit verbreitete homosexuelle Aktivität keineswegs wirklich befriedigend, sondern im Grunde repressiv und destruktiv. Sie ist häufig mit Gewalt verbunden und drückt oft Hass und Verachtung für die Opfer aus. Dies bestärkt paradoxerweise die für unsere Gesellschaft typische Homophobie. So führen, kurz gesagt, ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung die meisten Gefangenen während ihrer Gefangenschaft ein entwürdigendes und unmenschliches Sexualleben, das für ihr weiteres Leben in Freiheit sicherlich nicht ohne Folgen bleibt. Überdies sind es oftmals nicht nur die Gefangenen, die man ihrer sexuellen Freiheiten beraubt, sondern auch deren Ehepartner und Freunde. Ehepartnern wird es oftmals sehr schwer fallen, ihre Ehen aufrechtzuerhalten, während sie auf die Entlassung ihres Partners warten. Darüber hinaus ist es nicht allen entlassenen Häftlingen möglich, die Beziehung zu ihren bisherigen Partnern wieder aufzunehmen. Ehe- und Partnerbeziehungen scheitern deshalb oft noch nach der Entlassung.


All dies deutet daraufhin, dass der sexuelle Entzug und die daraus entstehende Brutalität in den Gefängnissen nicht im Interesse der Gesellschaft sein kann. Einige Länder, wie Schweden, Mexico und Kanada, haben inzwischen Versuche unternommen, Gefangenen zumindest eine gewisse sexuelle Entspannung zu verschaffen. In der Bundesrepublik erhalten Strafgefangene nach der Verbüßung des größten Teils ihrer Strafe tageweise Urlaub. Sie haben dadurch die Möglichkeit, gelegentlich bei ihren Partnern zu übernachten. Später können sie als Freigänger tagsüber einer Arbeit nachgehen und haben dabei auch Gelegenheit, neue Partner kennenzulernen. Allerdings müssen sie jeden Abend in die Strafanstalt zurückkehren. Diese Reformen mögen zwar nicht immer den Bestand einer Ehe oder Partnerschaft garantieren, aber sie tragen vielleicht dazu bei, sexuelle Spannungen abzubauen und homosexuelle Gewalttaten unter Gefangenen zu verringern.


Da jedoch nur ein geringer Teil der Gefangenen davon betoffen ist, sind keine allzu umfassenden Veränderungen zu erwarten. Ausführungen und der Status des Freigängers sind immer noch daran gebunden, dass ein erheblicher Teil der Strafe verbüßt ist, „Ehebesuche", die in manchen Ländern gestattet sind, schließen die unverheirateten und homosexuellen Partner aus. Darüber hinaus gibt es diese „Ehebesuche" nicht für gefangene Frauen. Aus diesen Gründen sind die bisher unternommenen bescheidenen Versuche völlig unzureichend. Sie sind allenfalls erste Schritte auf dem Weg zu durchgreifenderen Reformen. Die allgemeine sexuelle Unterdrückung der Gefangenen kann nur dadurch beendet werden, dass das gesamte Strafvollzugsrecht reformiert wird.


 

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