Die weiblichen Geschlechtsorgane

3.1 Die weiblichen Geschlechtsorgane


Seit den frühen Tagen der Menschheit hat man Geschlechtsorganen eine besondere Bedeutung zugemessen. Dies drückte sich in verschiedenen historischen Zeitabschnitten und unterschiedlichen geographischen Räumen ganz verschieden aus. (Vgl. a. Kap. 2.1 „Die männlichen Geschlechtsorgane".) In unserem Kulturkreis scheinen die meisten Menschen dem sexuellen Aspekt ihres Körpers mit gemischten Gefühlen gegenüberzustehen. Das schlägt sich auch in unserem Sprachgebrauch nieder. Eine häufig verwendete Bezeichnung für Geschlechtsorgane ist beispielsweise das Wort „Intimbereich". Damit soll angedeutet werden, daß bestimmte Körperteile als persönlicher als andere anzusehen seien und daß man sie deshalb in der Öffentlichkeit nicht bei ihrem Namen nennen solle. Eine solche verheimlichende Einstellung, die sich hier noch mit einer besonderen Geringschätzung gegenüber Frauen verbindet, hat zu einem Sprachgebrauch geführt, der häufig im Zusammenhang mit weiblichen Geschlechtsorganen angewendet wird: die „Scham" oder „Pudenda", also die Organe, deren man sich schämen muß. Diese letztere Bezeichnung war früher seltsamerweise gerade unter Medizinern sehr beliebt.


Die Ausdrucksweise der modernen Medizin ist nicht wesentlich besser. Bezeichnungen wie „Genitalien" (von lat. genitalia: Zeugungsorgane) oder „Reproduktionsorgane" sind ebenfalls wenig treffende Beschreibungen der v menschlichen Geschlechtsorgane. Es stimmt, daß einige dieser Organe (zum Beispiel die Eileiter der Frau) nur dem Zweck der Fortpflanzung dienen, andere jedoch (wie zum Beispiel die Klitoris) sind Organe, die hauptsächlich sexueller Lust dienen. Es gibt immer noch Völker oder ethnische Gruppen, die dieser Lustfunktion so ablehnend gegenüberstehen, daß sie bei ihren Frauen eine sogenannte „weibliche Beschneidung" vornehmen. Dieser irreführende Ausdruck bezeichnet eine Klitoridektomie, also die operative Entfernung der Klitoris. Diese Operation beeinträchtigt das sexuelle Lustempfinden der Frau außerordentlich, mindert jedoch ihre Fortpflanzungsfähigkeit in keiner Weise.


Auch der in diesem Buch verwandte Ausdruck „Geschlechtsorgane" ist nicht sehr genau, da er eine Doppelbedeutung hat. In erster Linie bezeichnet dieser Begriff die Organe, die das Geschlecht eines Menschen bestimmen. Zum anderen weist das Wort „Geschlechtsorgane" aber auch darauf hin, daß sie beim Geschlechtsleben des Menschen eine Rolle spielen. Manche Menschen sind so immer noch der Auffassung, daß nur diese Organe mit dem Geschlechtsverkehr zu tun haben. Die sexuelle Reaktion des Menschen ist jedoch nicht auf einige wenige Organe beschränkt, sondern ist eine Reaktion des ganzen Körpers. Mund und Haut beispielsweise sind ebenfalls als ,,Ge-schlechts"-Organe anzusehen, weil sie sexuelle Reize übermitteln und empfangen. Nur wenn man sich dieser wichtigen Tatsache bewußt ist, ist es vertretbar, den Begriff „Geschlechtsorgane" in dem hier gewählten engeren Sinn zu gebrauchen.


Eine genaue Untersuchung der weiblichen Geschlechtsorgane war seit jeher schwierig; deshalb war man auch über deren Funktion sehr viel weniger gut unterrichtet als über die der männlichen Geschlechtsorgane. Ein Grund dafür war die soziale Betonung oder Überbetonung der weiblichen Rolle bei der Fortpflanzung. Es bestand einfach nicht genug Interesse dafür, etwas über das orgasmische Potential der weiblichen Geschlechtsorgane zu erfahren. Ein weiterer Grund ist in der anatomischen Tatsache zu sehen, daß die weiblichen Geschlechtsorgane zum Großteil von außen kaum sichtbar in der Bauchhöhle verborgen sind. Die äußeren Geschlechtsteile der Frau, die man leicht untersuchen kann, lassen nicht auf die physiologischen Abläufe schließen, die sich weiter innen abspielen. Deshalb ist es auch für viele Frauen schwierig, ihre eigenen körperlichen Funktionen zu verstehen. Die moderne Forschung hat dies wesentlich vereinfacht. Obwohl viele Fragen nach wie vor offen bleiben, ist es heute möglich, jeder Frau das für ihr tägliches Leben erforderliche Wissen zur Verfügung zu stellen. Eine solche, sachliche Information kann viele Ängste und althergebrachte Vorurteile ausräumen und beiden Geschlechtern eine vernünftige Einstellung gegenüber den weiblichen Geschlechtsorganen vermitteln.

1. Venushügel (Mons Veneris)
2. Große Schamlippe (ein Paar)
3. Kleine Schamlippe (ein Paar)
4. Klitoris
S. Öffnung der Harnröhre (Urethra)
6. Harnblase
7. Scheideneingang
8, Scheide (Vagina)
9. Gebärmutterhals (Zervix)
10. Gebärmutter (Uterus)
11. Eileiter (ein Paar)
12. Eierstock (Ovar; ein Paar)

 


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