Die inneren Geschlechtsorgane

3.1.2 Die inneren Geschlechtsorgane


Die weiblichen inneren Geschlechtsorgane bestehen aus den Eierstöcken (Ovarien), den Eileitern, der Gebärmutter (Uterus) und der Scheide (Vagina).


Die Eierstöcke (Ovarien)


Die Eierstöcke (die weiblichen Keimdrüsen oder Gonaden) sind zwei walnußgroße Organe, die auf beiden Seiten des Uterus im Unterleib liegen.


Die Ovarien haben eine doppelte Funktion:


t Sie produzieren Eizellen (ova), die in die Eileiter aufgenommen werden. • Sie produzieren Hormone, die direkt in die Blutbahn abgegeben werden.


Die Produktion von Eizellen


Bereits vor der Geburt eines kleinen Mädchens sind in dessen Ovarien alle Zellen gebildet, die sich später zu Eizellen weiterentwickeln. Sie heißen in dieser frühen Phase Ureier (Oogonien), die sich zu primären Oozyten und später zu reifen Eizellen weiterentwickeln.


Der Vorgang der Produktion von Eizellen (die Oogenese) beginnt beim weiblichen Fötus, kommt aber schon vor der Geburt zum Stillstand. So sind bei jedem neugeborenen Mädchen 400 000 Eibläschen (Primärfollikel) vorhanden, die bis zur Pubertät auf diesem Entwicklungsstand bleiben. (In dieser Zeit werden keine neuen Oozyten gebildet. Im Gegenteil, die meisten sterben nach und nach ab. Bis zum Beginn der Pubertät sind noch ungefähr 30 000 primäre Oozyten vorhanden, die sich weiterentwickeln könnten. Bis zum 30. Lebensj ahr sinkt diese Zahl weiter auf ungefähr 10 000 ab; mit dem Erreichen der Menopause sind keine Primärfollikel mehr vorhanden.) Wenn der Prozeß der Oogenese während der Pubertät wieder beginnt, werden monatlich eine oder mehrere Eizellen von einem der Eierstöcke gebildet, bis sie im Verlauf der Menopause ihre Funktion verlieren. Eine Frau kann so im Verlauf der Jahre, in denen sie fruchtbar ist, etwa 400 reife Eizellen bilden, von denen allerdings nur eine sehr kleine Anzahl eine Rolle für die Empfängnis spielt.


Die Entwicklung zur reifen Eizelle erfolgt in mehreren Stufen: Jeder Pri-märfollikel ist von einer Gruppe von Hilfszellen umgeben. Diese Zellgruppen liegen in die äußere Schicht der Ovarien eingebettet. Unter dem Einfluß von Hormonen wächst jeden Monat ein Primärfollikel heran, bis es als relativ großes Bläschen an der Oberfläche des Eierstocks sichtbar wird. Ein solches Bläschen nennt man nach dem Anatomen de Graaf (1641-1673) einen Graaf-Follikel (Tertiärfollikel). In der Entwicklung, die zu diesem Tertiärfollikel führt, teilt sich zunächst der primäre Oozyt, der wie alle Zellen des menschlichen Körpers 46 Chromosomen (davon zwei X-Chromosomen) enthält, in zwei Zellen von sehr unterschiedlicher Größe: in einen relativ großen sekundären Oozyten und ein Polkörperchen, das wesentlich kleiner ist und kein Zellplasma enthält. Bei dieser Zellteilung werden die 46 Chromosomen zu gleichen Teilen auf die beiden neuen Zellen verteilt. So enthält jede der neuen Zellen, der sekundäre Oozyt und das Polkörperchen, jeweils 23 Chromosomen einschließlich eines X-Chromosoms.


Das Polkörperchen stirbt ab und wird aufgelöst, der sekundäre Oozyt entwickelt sich weiter. Er befindet sich zunächst innerhalb des wachsenden Fol-likels, das eine Flüssigkeit enthält. Schließlich platzt der Follikel und schleudert den Oozyten hinaus. Dieser Vorgang ist als Eisprung bekannt. Der Oozyt wird dann vom Eileiter aufgenommen und durchwandert ihn bis zur Gebärmutter. Noch im Eileiter teilt sich der Oozyt wiederum in zwei Zellen unterschiedlicher Größe: in eine relativ große reife Eizelle und in ein kleines zweites Polkörperchen. Bei dieser Teilung findet keine Verminderung des Chromosomensatzes mehr statt, so daß jede neue Zelle 23 Chromosomen einschließlich eines X-Chromosoms enthält. Diese letzte Zellteilung findet jedoch nur nach einer Befruchtung statt. Während das zweite Polkörperchen - wie das erste - abstirbt, vereinigen sich im Fall einer Befruchtung die 23 Chromosomen der Eizelle mit den 23 Chromosomen einer Samenzelle zu einer neuen Zelle (Zygote), die wie alle Zellen des menschlichen Körpers 46 Chromosomen enthält. (Vgl. a. Kap. 4.1 „Die Empfängnis").


Die Produktion von Hormonen


Wie oben beschrieben, werden in den weiblichen und männlichen Gonaden (Eierstöcken und Hoden) auch bestimmte Hormone gebildet. Diese Gona-denhormone wurden früher in weibliche Hormone (Östrogene) und männliche Hormone (Androgene) unterteilt. Diese Begriffe sind jedoch irreführend insofern, als „weibliche" und „männliche" Hormone vom weiblichen und männlichen Körper gebildet werden. Lediglich die vorhandene Menge dieser Hormone ist unterschiedlich.


Neben Östrogenen und Androgenen produzieren die Ovarien der geschlechtsreif en Frau ein weiteres Hormon, das Progesteron. Die Bildung von Progesteron findet vor allem im sogenannten Gelbkörper (lat.: corpus lu-teum) statt, der aus den Zellen des Follikels nach dem Eisprung entsteht. Gewöhnlich bleibt ein Gelbkörper zwei Wochen in Funktion und bildet sich zurück, falls keine Schwangerschaft zustande gekommen ist.


Während für die körperliche Entwicklung eines jungen Menschen die Go-nadenhormone unerläßlich sind, sind sie für die weitere sexuelle Aktivität des erwachsenen Menschen nicht unbedingt notwendig. Das bedeutet, daß beim männlichen und weiblichen Geschlecht die Gonadenhormone zum Erreichen der Geschlechtsreife erforderlich sind. Nach Abschluß des Reifeprozesses sind jedoch beide Geschlechter auch ohne Hormone sexuell funktionsfähig.


Eine Frau muß deshalb nicht fürchten, sie könne nach der Menopause ihre sexuelle Ansprechbarkeit verlieren. Auch wenn die Ovarien ihre Funktion nach und nach einstellen, ändert dies die sexuellen Möglichkeiten nicht. Entsprechendes gilt für Frauen, deren Ovarien aufgrund einer Krankheit operativ entfernt werden mußten. (Vgl. a. Kap. 1.2 „Die Bedeutung der Hormone".)


Die Eileiter (Tubae uterinae)


Die Eileiter führen von den Eierstöcken in die Gebärmutter. Sie dienen als Weg für die Eizelle zu dem Ort, wo sie sich im Falle einer Befruchtung einnistet. Gleichzeitig sind die Eileiter der Gang, durch den die Samenzellen wandern, um die Eizelle zu befruchten. An ihrem den Eierstöcken zugewandten Ende haben die Eileiter fingerähnliche Fortsätze (Fimbrien), die sich beim Eisprung an die Stelle des Eierstocks legen, an der sich der reife Follikel befindet, um die Eizelle aufzunehmen. Das andere Ende der Eileiter mündet in den Uterus.


Die Befruchtung einer Eizelle findet meistens im oberen Teil des Eileiters statt. In seinem Inneren befinden sich unzählige haarähnliche Fortsätze (Zi-lien), deren Bewegungen, zusammen mit den Kontraktionen der Muskeln in der Wand des Eileiters, das Ei in die Gebärmutter bewegen. (In vergleichbarer Weise findet der Transport der Samenzellen irn Samenleiter des Mannes statt, da Samenzellen ihre Beweglichkeit erst in einem späteren Entwicklungsstadium erreichen.)


Die Gebärmutter (Uterus)


Die Gebärmutter ist ein muskuläres Organ, das ungefähr in der Mitte des Unterleibes liegt. Sie ist etwa 7 cm lang und hat die Form einer auf dem Kopf stehenden Birne. Die Eileiter münden rechts und links am oberen Ende in die Gebärmutter. Der Körper der Gebärmutter berührt nach vorne das Dach der Harnblase und grenzt sich von seinem schmaleren unteren Teil durch eine leichte Verengung ab. Dieser untere Teil wird als Gebärmutterhals oder Zer-vix bezeichnet, er reicht in das Innere der Scheide hinein. Er besitzt eine kleine Öffnung, den Muttermund, durch den die Samenzellen aus der Scheide in die Gebärmutter gelangen können. Mit Ausnahme einer kurzen Phase um den Eisprung herum ist diese Öffnung jedoch für Samenzellen durch einen zähen Schleimpfropf verschlossen.


Die Wand der Gebärmutter setzt sich aus drei Gewebeschichten zusammen: einer äußeren Schicht, dem Perimetrium; der eigentlichen Muskelschicht, dem Myometrium; und der inneren Schleimhautschicht, dem Endo-metrium. Das Gewebe des Endometriums besitzt die Fähigkeit, sich jeden Monat teilweise neu aufzubauen, um so die Aufnahme eines möglicherweise befruchteten Eies zu gewährleisten (vgl. a. Kap, 4.1 „Die Empfängnis"). Wenn es nicht zu einer Befruchtung kommt, löst sich der größte Teil dieses Gewebes ab und wird während der Menstruation durch Gebärmutterhals und Scheide ausgeschieden (vgl. a. Kap. 3.1.3 „Der Menstruationszyklus").


Im Falle einer Schwangerschaft dehnt sich die Gebärmutter mit dem wachsenden Fötus aus. Eine einzigartige Muskelstruktur des Myometriums ermöglicht nicht nur eine derart große Dehnung, sie sorgt auch für die Preßwehen bei der Geburt (vgl. Kap. 4.3 „Die Geburt"). Auch beim Orgasmus ziehen sich die Muskeln der Gebärmutter zusammen (vgl. Kap. 3.2 „Die sexuelle Reaktion beim weiblichen Geschlecht").


Die Scheide (Vagina)


Die Vagina ist ein 8 bis 10 cm langes muskulöses Rohr, das sich vom Muttermund bis zur Öffnung nach außen in die Vulva erstreckt.

Die Vagina erfüllt drei hauptsächliche Funktionen: « Sie bildet den Kanal, durch den die Menstruationsflüssigkeit ausfließt. s Sie nimmt Penis und Ejakulat auf, so daß die Samenzellen zum Gebärmutterhals gelangen können. • Sie stellt von der Gebärmutter einen Weg nach außen für das Kind bei der Geburt dar.


Unter gewöhnlichen Umständen hat die Vagina die Form einer zusammengefallenen Röhre, sie bildet also keinen wirklichen Hohlraum. Auf der Innenfläche gewährleisten bestimmte physiologische Bedingungen und verschiedene Mikroorganismen ein ökologisches Gleichgewicht. Dieses Gleichgewicht kann jedoch durch chemische Einflüsse gestört werden. Aus diesem Grunde sollte man mit der Anwendung von Vaginalsprays und -duschen äußerst zurückhaltend sein. Die Vagina reinigt sich durch eigene Sekretionen selbst. Darüber hinaus besitzt sie einen besonderen Schutz gegen Infektionen (vgl. a. Kap. 5.5 „Die Geschlechtskrankheiten").


In den dicht aneinander liegenden Scheidenwänden befinden sich zahlreiche schleimproduzierende Zellen und Blutgefäße, aber keine Drüsen und wenige Nervenendigungen. Während sexueller Erregung sondern die Scheidenwände eine wäßrige Substanz ab, die beim Koitus als Gleitflüssigkeit dient. Ohne diese Gleitflüssigkeit würde das Eindringen des Penis für beide Partner schmerzhaft sein (vgl. a. Kap. 5.4 „Schmerzen beim Geschlechtsverkehr").


Bei manchen Frauen tritt während des Orgasmus eine geringe Menge Flüssigkeit aus der Urethra aus. In der Vergangenheit nahm man meist an, diese Flüssigkeit könne nur Urin sein, und viele Frauen empfanden dies als unangenehm. Manchmal wurde auch die Erklärung gegeben, die Flüssigkeit stamme aus der Scheide selbst und es handle sich dabei um ungewöhnlich große Mengen Gleitflüssigkeit oder eine Sekretion der Bartholin-Drüsen. Beide Erklärungen waren jedoch falsch. Die Flüssigkeit stammt tatsächlich aus der Urethra, aber es handelt sich dabei nicht um Urin. Neuere Forschungen haben ergeben, daß die Flüssigkeit von verschiedenen urethralen (oder paraurethralen) Drüsen produziert wird, das heißt von Drüsen, die um die Urethra gelegen sind und ihre Sekrete dahin abgeben. Dieses Drüsensystem ist bei manchen Frauen stärker ausgebildet als bei anderen. Auf alle Fälle entspricht es der Prostata beim männlichen Geschlecht, die ebenfalls um die Urethra gelegen ist. Einige Wissenschaftler sprechen deshalb in diesem Zusammenhang von „weiblicher Prostata". In Analogie wurde das Austreten von Flüssigkeit aus diesem Drüsensystem im Zusammenhang des Orgasmus als „weibliche Ejakulation" bezeichnet, was eine gewisse Berechtigung auch dadurch erhält, daß die Flüssigkeit selbst der männlichen Prostataflüssigkeit ähnelt.


Vermutlich, ,ejakulieren" nur relativ wenige Frauen auf diese Weise. Viele Frauen (vielleicht alle) haben jedoch eine bestimmte sehr sensible Zone, die um die Urethra gelegen ist und die durch die vordere Wand der Vagina getastet und gereizt werden kann. Dieses Gewebe (das vermutlich mit dem System der urethralen Drüsen in enger Beziehung steht) schwillt durch intensive Reizung an und trägt dann zu einem besonders intensiven Gefühl des Orgasmus bei. Anatomisch wird diese besonders empfindliche Zone heute als „Gräfenberg-Zone" bezeichnet, nach Ernst Gräfenberg, der sie als erster im Jahre 1950 beschrieb.


Die Scheide paßt sich in ihrer Größe jedem Penis an. Es kommt jedoch in einigen Fällen vor, daß der äußere Teil der Scheide so erschlafft ist, daß er den Penis nicht mehr fest umschließen kann. Das kann die Folge einer Geburt oder einfach des Alterungsprozesses sein. Andererseits ist es auch möglich, daß der Scheideneingang sich so verkrampft, daß das Einführen des Penis nicht möglich ist. Man nennt solche Scheidenkrämpfe „Vaginisrnus". In bei-


den Fällen sollte man sich vor Augen halten, daß eine Frau die Funktionen ihrer Vaginalmuskeln sehr gut steuern lernen und durch geeignetes Training beherrschen kann. Einige dieser Übungen, die nach dem Gynäkologen Kegel benannt sind, kann man jederzeit und an jedem Ort durchführen. (Vgl. a. Kap. 8.2.2 „Sexuelle Funktionsstörungen bei der Frau".)



Einige homologe Strukturen im System der weiblichen und männlichen Geschlechtsorgane


Beim männlichen Embryo entwickeln sich die ursprünglich undifferenzierten Strukturen unter dem Einfluß von Testosteron (dem „männlichen" Hormon) zu einem männlichen Körper mit männlichen Geschlechtsorganen.


Beim weiblichen Embryo führt das Fehlen von Testosteron dazu, daß sich „von selbst" ein weiblicher Körper mit weiblichen Geschlechtsorganen entwickelt. Da jedoch männliche und weibliche Geschlechtsorgane sich aus der gleichen embryonalen Zellmasse entwickeln, entsprechen sie sich in verschiedener Hinsicht, was wissenschaftlich mit dem Begriff „homolog" bezeichnet wird.


 
 

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