Sexualität und Psychiatrie

10.3.1 Sexualität und Psychiatrie


Das Wort Psychiatrie kommt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie „Geistes-" oder „Seelenheilkunde". Die Bezeichnung wird jedoch in der heutigen Bedeutung erst seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts verwendet, obwohl die Vorstellung vom gestörten oder verwirrten Geist sehr viel älter ist. In der Vergangenheit sprach man indes weniger von „Geisteskrankheit" als von „Besessenheit", „Entäußerung", „Wahnsinn", „Irrsinn", „Narretei" oder „Verrücktheit". Dies waren ursprünglich keine medizinischen Begriffe, sondern sie beschrieben lediglich jede Art „abnormen" menschlichen Verhaltens, das seine Beobachter verwirrte oder beängstigte. Menschen, die „besessen", „wahnsinnig" oder „verrückt" geworden waren, wurden daher ursprünglich nicht von medizinisch ausgebildeten „Seelenärzten", sondern von Exorzisten, Inquisitoren, Richtern, Kerkermeistern und manchmal von Scharfrichtern „behandelt". Erst zu Beginn der Moderne wurden die Kerker, Narrentürme, Asyle und Irrenhäuser der Vergangenheit durch „Psychiatrische Anstalten" ersetzt. Die Insassen waren nun „Geisteskranke", und die neue Berufsgruppe der „Nervenärzte", „Psychiater" oder „Psychologen" nahm sich ihrer Behandlung an.


Damit soll nicht ausgedrückt werden, dass die Ärzte im Mittelalter den Verrückten keine Beachtung schenkten. Im Gegenteil, oft suchten sie sehr gründlich nach den Ursachen und nach Heilmethoden für den Wahnsinn, weil sie vermuteten, er sei die Folge irgendeiner körperlichen Krankheit. So glaubten sie, dass in vielen Fällen die Heilung des Körpers auch die des Geistes zur Folge haben würde. Stellte sich dann heraus, dass die Behandlung nicht erfolgreich war, schlössen sie sich in der Regel der kirchlichen Auffassung an, wonach ein Teufel, ein Dämon oder ein böser Geist für das Versagen verantwortlich zu machen sei und dass darauf mit religiösen Mitteln reagiert werden müsse.


Irn heidnischen Europa war die religiöse Reaktion auf die Besessenheit durch einen Geist normalerweise das Gebet, manchmal wurden magische Beschwörungen und sogar lautes Schreien von Obszönitäten als hilfreich betrachtet. Besessene wurden gelegentlich auch gezwungen, übelriechende Arzneien zu trinken, sie wurden geschlagen, gefoltert oder mussten hungern. Derartige Mittel wurden angewandt, um die Dämonen aus dem Körper ihrer Opfer auszutreiben.


Das Christentum machte diesen grausamen und unnützen Behandlungen kein Ende. Im Gegenteil, zu Beginn des späten Mittelalters wurde der Glaube an Besessenheit von den Theologen unterstützt, und man fand mehr Opfer von Dämonen als je zuvor. Eine ständig wachsende Anzahl von alten, jungen, kranken, einfältigen oder sonst hilflosen Personen wurde zu „Hexenmeistern" oder „Hexen" erklärt, die vom Teufel besessen waren. Sie wurden von berufsmäßigen Hexenjägern verfolgt, offiziell überführt und dann getötet. Im Laufe der Jahre opponierten jedoch einzelne Ärzte gegen dieses systematische Hinschlachten und verlangten statt dessen nach neuen medizinischen Behandlungsmethoden. Nach ihrem Dafürhalten war eine Hexe nur eine Person mit krankem Geist, die man mit zunehmendem medizinischem Wissen vielleicht heilen könnte. Nach mehreren Jahrhunderten ideologischen Kampfes siegte diese neue Einstellung. Die Kirche verlor ihre Macht an den Staat, und der alte Glaube an Hexerei wurde durch die moderne Auffassung von der Geisteskrankheit ersetzt.


Heute wissen wir, dass dieser „Sieg der Wissenschaft" lange Zeit mehr Schein als Wirklichkeit war. Zwar glaubten die Psychiater nicht mehr an den Teufel, aber ihre Normen vom „korrekten" Verhalten des Menschen unterschieden sich von denen der Kirche nur unwesentlich. Das wurde im Bereich des Sexualverhaltens besonders deutlich. Im wesentlichen wurden alle früher als Sünden bezeichneten Tatbestände in neue, medizinische Begriffe gefasst und zu Geisteskrankheiten erklärt. Die verschiedenen Formen nichtkoitaler Handlungen wurden von religiösen „Greueltaten" zu medizinischen „Perversionen" umdefiniert. Die medizinischen Lehrbücher wiesen sogar eine merkwürdige Ähnlichkeit mit den mittelalterlichen Bußbüchern auf, in denen lediglich die Therapieanweisungen die Bußvorschriften zu ersetzen schienen. Der einzige wirkliche Unterschied war folgender: Wo man einst annahm, Menschen mit sexuell abweichendem Verhalten hätten ihre Seele verloren, bekundete man jetzt, sie hätten den Verstand verloren.


Vor der Jahrhundertwende stellten nur wenige Psychiater diese religiösen Grundlagen ihrer Sexualtheorie in Frage. Als jedoch im Gefolge des Ersten Weltkrieges in Europa und Nordamerika die „sexuelle Revolution" begann, wurde auch die Psychiatrie gezwungen, sich kritischer mit ihren Grundannahmen auseinanderzusetzen. Die früheren sexuellen „Perversionen" und „Deviationen" wurden als normale „Varianten" des menschlichen Sexualverhaltens neu klassifiziert. Das psychiatrische Verzeichnis zulässiger sexueller Handlungen begann umfangreicher zu werden. Viele, die vorher geisteskrank genannt worden waren, wurden plötzlich als eigentlich ganz gesund bezeichnet.


Andererseits nahm die Zahl und der Einfluss der Psychiater erheblich zu. Selbst mit ihrem gekürzten Katalog sexueller „Perversionen" fanden sie noch mehr als genügend Patienten. Es gab schließlich in unserer sexualfeindlichen Gesellschaft noch Millionen Männer und Frauen mit sexuellen Schwierigkeiten, für die eine psychiatrische Behandlung die beste Hilfe zu bieten schien. Außerdem blieben die Regierungen nach wie vor um sexuelle Devianz besorgt, und sie sicherten sich die Dienste der Psychiater, um solche Devianz wo immer möglich zu entdecken und zu korrigieren. So traten Psychiater immer häufiger als „Experten" in Gerichtssälen, Gefängnissen, Schulen und beim Militär in Erscheinung. Die Gesetzgeber der meisten Staaten erließen spezielle Gesetze gegen „sexuelle Psychopathen", die - trotz fehlender wissenschaftlicher Grundlage - einen Bedarf an noch mehr psychiatrischer Fachkenntnis zur Folge hatten. Im Laufe der Jahre wurde die Nutzung der Psychiatrie durch den Staat so umfassend, dass kritische Beobachter begannen, sich um die individuelle Freiheit Sorge zu machen und einen totalitären „Therapiestaat" entstehen sahen.


Angesichts dieser Entwicklung haben heute zahlreiche Psychiater die Forderung nach einer umfassenden Überprüfung der Grundannahmen der Psychiatrie erhoben. Manche weisen sogar das Konzept der „Geisteskrankheiten" insgesamt zurück, bezeichnen es als einen Mythos und erforschen neue Wege zum besseren Verständnis abnormen Verhaltens.


Die folgenden Seiten sollen diese Kontroverse und einige weitere Streitpunkte näher erläutern, indem zunächst der historische Hintergrund erläutert und dann ein Kulturvergleich angestellt wird.


Der historische Hintergrund


Die heutige Einstellung der Psychiatrie gegenüber abweichendem Sexualverhalten ist ohne Kenntnis des historischen Hintergrundes kaum zu verstehen. Leider haben selbst viele Psychiater auf diesem Gebiet nur geringe Kenntnisse und sind daher nicht in der Lage, die sozialen Auswirkungen ihres beruflichen Handelns richtig einzuschätzen. Sie sind sich daher oft nicht bewusst, dass manche „therapeutischen" Eingriffe nicht nur für ihre Patienten schädlich sind, sondern auch für die Gesellschaft insgesamt ungünstige Folgen haben können. Das bedeutet aber auch, dass mögliche nützliche Aspekte psychiatrischer Kenntnisse wenig untersucht werden. Es wäre daher wünschenswert, dass auch Psychiater lernen würden, über den Rahmen ihrer unmittelbaren Gegenwart hinauszublicken.


Natürlich ist es nicht möglich, im Rahmen dieses Buches die Geschichte der Psychiatrie darzustellen. Daher beschränkt sich diese Darstellung auf einen einzigen Aspekt. Einige ausgewählte Beispiele sollen veranschaulichen, wie über Jahrhunderte „gewöhnliche" Ärzte und Psychiater hinsichtlich sexuell abweichenden Verhaltens gedacht und gehandelt haben.


Das Altertum


Im Altertum machten die Menschen keinen Unterschied zwischen geistiger und körperlicher Krankheit oder zwischen Ärzten, die für den Körper oder den Geist zuständig waren. Nicht einmal zwischen Medizin, Magie und Religion wurde eine strikte Unterscheidung getroffen. Jedes menschliche Leiden wurde Geistern, Göttern oder Gott zugeschrieben, und keine Behandlung konnte erfolgreich sein, wenn sie sich nicht mit diesen übermenschlichen Mächten befasste. Wurde jemand krank oder benahm er sich seltsam, dann wurde er zum Priester, Schamanen, Medizinmann oder Zauberer gebracht, der eine bestimmte heilige Handlung vollzog. Diese Rituale waren häufig mit der Verabreichung von „Medizin" verbunden, dennoch war immer deutlich, dass Handlungen von Menschen keinen Einfluss auf den Erfolg der Behandlung hatten. Krankheit und Gesundheit waren vom göttlichen Willen abhängig. Jahwe sagte daher zum Beispiel den Israeliten: „Ich, der Herr, bin dein Arzt" (2. Mose 15,26) und: „Ich bin's, der tötet und der lebendig macht; ich habe zerschlagen, ich werde auch heilen .. ." (5. Mose 32, 39).


Zur Bestärkung dieser Ansicht beschreibt die Bibel, wie Jahwe Plagen über Ägypten kommen lässt und den Israeliten, die seine Gebote nicht befolgen, verschiedene Krankheiten schickt. König Saul schickt er einen „bösen Geist'', so dass er schwermütig wird und schließlich Selbstmord begeht (l. Samuel) . Ein ähnliches Schicksal kann jedem widerfahren, der Jahwe erzürnt, und die Bibel warnt: „Der Herr wird dich schlagen mit Wahnsinn, mit Blindheit und mit Sinnesverwirrung" (5. Mose 28, 28). Es fällt jedoch auf, dass in der Bibel abweichendes Sexualverhalten als solches kein Hinweis auf Wahnsinn ist. Es kann indes durch den Verlust bestimmter körperlicher und geistiger Fähigkeiten bestraft werden. Für einige Formen sexuell abweichenden Verhaltens scheint allerdings der Bibel die Todesstrafe angemessen.


Die Griechen der vorklassischen Zeit nahmen an, Krankheiten hätten einen übernatürlichen Ursprung, und sie gingen daher in ihre Tempel, um Heilung zu suchen. Asklepios, dem Gott der Medizin, galt der früheste wichtige „Gesundheitskult". Mit dem „goldenen Zeitalter" Griechenlands begann jedoch eine kritischere Geisteshaltung sich durchzusetzen; der alte religiöse Glaube wurde nach und nach durch systematisches Beobachten modifiziert oder ersetzt. Der berühmteste der neuen griechischen Ärzte, Hippokrates (460-377 v. Chr.), setzte sich zum Ziel, die natürlichen Ursachen von körperlichen und geistigen Krankheiten zu. erforschen. So erklärte er, dass Epilepsie, die bis dahin als „heilige" oder „göttliche Krankheit" gegolten hatte, durch ein krankes Gehirn verursacht würde. Daher seien magische Beschwörungen für die Behandlung nutzlos. Hippokrates und seine Anhänger gingen davon aus, dass die normalen Gehirnfunktionen von der vollkommenen Ausgewogenheit zwischen vier wesentlichen Körpersäften abhängig sei: Blut, schwarze Galle, gelbe Galle und Schleim. (Diese wurden mit den „vier Elementen" - Luft, Erde, Feuer und Wasser - und diese wiederum mit den „vier Temperamenten" - sanguinisch, melancholisch, cholerisch und phlegmatisch - in Verbindung gebracht.) Jede Unausgewogenheit zwischen den vier Körpersäften konnte zu verschiedenen Krankheiten und zu abnormem Verhalten führen. Zur Heilung bedurfte es einer passenden Diät, Ruhe und manchmal auch sexueller Abstinenz. Andererseits empfahl man sexuelle Aktivität als Mittel gegen die „Hysterie" bei Frauen, einen Zustand, der angeblich durch einen „wandernden Uterus" verursacht wurde. (Die Ansichten der alten Griechen über die Anatomie waren zum Teil noch eher phantastisch als faktisch.)


Ein anderer berühmter Arzt des Altertums war Claudius Galenus, besser als Galen bekannt (129-199 n. Chr.). Galen wurde in Pergamon geboren, verbrachte jedoch den größten Teil seines Lebens in Rom, wo er erfolgreich wirkte und besonders als Verfasser von medizinischen Abhandlungen berühmt wurde. Seine Lehren lehnten sich stark an die von Hippokrates an, denen er jedoch auch eigene Entdeckungen hinzufügte. Obwohl er an einen göttlichen Schöpfer glaubte, war er davon überzeugt, dass körperliche und geistige Störungen rational erklärbar seien. Aus diesem Grunde wies er wiederholt auf die Bedeutung des Gehirns und die Balance der wesentlichen Körpersäfte hin. Galen entwickelte auch erstaunliche Theorien über Fortpflanzung und sexuelle Gesundheit. Zum Beispiel glaubte er, dass beide Geschlechter Samenflüssigkeit produzieren und dass Männer und Frauen diese Flüssigkeiten im Schlaf ejakulieren könnten. Er betrachtete diese spontanen Reaktionen als natürlich und notwendig, weil er annahm, Samen werde giftig, wenn er nicht ausgeschieden würde. Längere sexuelle Abstinenz könnte daher zu ernstlichen Störungen wie Hysterie, Tollwut, Zittern, Krämpfen oder Wahnsinn führen. Aus diesem Grunde empfahl Galen mäßige, aber regelmäßige sexuelle Betätigung. War Koitus unmöglich, wurde Masturbation empfohlen. Besonders lobend hob Galen den berühmten griechischen Philosophen Diogenes hervor, von dem überliefert war, dass er um der Gesundheit willen häufig masturbiert hatte.


Selbstverständlich betrachteten weder Hippokrates noch Galen nicht-koitalen Geschlechtsverkehr als Zeichen von Geisteskrankheit. Die Griechen und Römer der Antike waren in sexuellen Dingen äußerst tolerant, und diese Toleranz drückte sich auch in ihren medizinischen Ansichten aus. Interessanterweise überdauerten viele dieser Ansichten bis ins Mittelalter und darüber hinaus. Tatsächlich blieb Galen für über 1500 Jahre die führende medizinische Kapazität der westlichen Welt. Aufgrund der Verdammung der „Sinneslust" durch die christliche Kirche wurden seine Sexualtheorien dann aber wenig berücksichtigt, später aufgegeben und schließlich vergessen.


Das Mittelalter


Mit dem Ende des römischen Reiches und dem Beginn des frühen Mittelalters ging ein großer Teil des traditionellen medizinischen Wissens verloren. Statt dessen geriet Europa wieder unter den Einfluss von magischen Vorstellungen und Dämonenglauben. Die christlichen Kirchen predigten die alten biblischen Auffassungen von Gesundheit und Krankheit. Normabweichendes Verhalten wurde zur teuflischen Besessenheit erklärt, gegen die Exorzismus, Gebet, Beichte und Buße die einzig wirksamen Mittel waren. Sexuelles Verhalten war nur dann normal, wenn es zur Fortpflanzung führen konnte. Die „abweichenden" Formen sexuellen Verhaltens wie Selbstbefriedigung, homosexueller Geschlechtsverkehr und sexueller Kontakt mit Tieren wurden nicht unter medizinischen, sondern unter religiösen Aspekten betrachtet. Es handelte sich hier um schwere Sünden.


Seit dem 7. Jahrhundert verbreitete sich der islamische Glaube über den Mittleren Osten, Nordafrika und schließlich Spanien. Die Moslems legten großen Wert auf umfassende Bildung und hüteten und studierten daher die Werke ihrer griechischen und römischen Vorläufer. Besonders im Bereich der Medizin prüften sie den gesamten Stoff der klassischen Schriften und brachten bald selbst hervorragende Ärzte hervor. Die beiden wohl bekanntesten von ihnen sind Rhazes (860-930), der „persische Galen", der die erste „Abteilung für Psychiatrie" im Krankenhaus von Bagdad einrichtete, und Abu Ali AI-Hussein Ben Abdallah Ibn Sina, heute eher unter seinem latinisierten Namen Avicenna (980-1037) bekannt. Avicenna glaubte wie Galen, dass mäßige sexuelle Aktivität zur Erhaltung der Gesundheit notwendig sei und dass Samen, der nicht ausgeschieden wurde, möglicherweise giftig würde. Er erklärte außerdem, der Penis eines Mannes schrumpfe, wenn man ihn nicht durch regelmäßigen Gebrauch stärke. Andererseits könne exzessiver Geschlechtsverkehr zur Beeinträchtigung des Seh- oder Hörvermögens führen, aber auch zu Zittern, Schlaflosigkeit, Haarausfall und Epilepsie. Die genaue Definition von „exzessiv" war individuell verschieden festzusetzen, da die Menschen unterschiedlich stark seien. Avicenna verfasste auch eine erste kurze Aufstellung von Krankheiten, die die normalen Geschlechtsfunktionen beeinträchtigen könnten. Dazu gehörten Hermaphroditismus, Priapismus (eine dauerhafte, schmerzhafte Erektion) und „passive" männliche Homosexualität. Letztere wurde nach seiner Ansicht durch eine körperliche Schwäche verursacht, die angeboren oder erworben sein konnte und normalen Koitus unmöglich machte. „Passive" Homosexuelle waren boshaft, jähzornig, weibisch und unfähig, ihre Manneskraft wiederzuerlangen. Jeder Versuch einer Heilung schien daher zum Scheitern verurteilt.


Vorurteilsbelastete Auffassungen dieser Art zeigen, dass die medizinische Forschung im Islam nicht ganz frei von religiösen Einflüssen war. Denn für die islamischen Ärzte war der Koran die oberste Instanz in allen wichtigen Fragen. Erhebliche Behinderungen resultierten auch aus dem Verbot, den Körper des Menschen zu öffnen oder zu sezieren. Islamische Ärzte durften auch keine nackten Frauen betrachten. Unter diesen Umständen mussten ihre wissenschaftlichen Fortschritte begrenzt bleiben. Dennoch waren sie - verglichen mit ihren christlichen Kollegen - erstaunlich objektiv und aufgeschlossen. In der Behandlung ihrer „Irren" waren sie mit Sicherheit humaner, da sie glaubten, der „Irrsinn" sei von Allah gegeben und nicht von irgendwelchen bösen Geistern oder Teufeln.


Der hohe Stand islamischer Gelehrsamkeit und medizinischer Kunst wurde selbst im christlichen Europa anerkannt, dies vor allem, als im 13. Jahrhundert der gebildete Stauferkaiser Friedrich II. Gelehrte verschiedener Länder an seinem Hof versammelte und begann, sich für die Schriften der Araber zu interessieren. Er unterstützte die Universität von Salerno tatkräftig und gab ihr allein das Recht, im Heiligen Römischen Reich medizinische Titel zu verleihen. In Salerno ausgebildete Ärzte profitierten von den durch die Araber erhaltenen Hippokratischen Erkenntnissen und sahen daher keine Veranlassung, sich erneut Zauber- oder Religionszeremonien zu bedienen. Die Wiederentdeckung der antiken wissenschaftlichen Erkenntnisse und eine zunehmende Achtung der Wissenschaft führten bald zur Gründung neuer Universitäten in Europa. Innerhalb der nächsten zwei Jahrhunderte wurden unter anderem die Universitäten in Padua, Paris, Wien, Oxford, Cambridge, Prag und Heidelberg gegründet. So schien insgesamt eine rationale Einstellung gegenüber den Problemen des Menschen Fuß zu fassen.


Tatsächlich war der Fortschritt jedoch mühselig und langsam. Hervorragende christliche Ärzte, die versuchten, den vorherrschenden Teufelsglauben aufgrund griechischer, römischer und arabischer klinischer Beobachtungen zu widerlegen, wurden der Ketzerei bezichtigt oder durch die Inquisition zum Tode verurteilt. Die meisten Mitglieder des Klerus, wie auch des Laienstandes, blieben abergläubisch und ungebildet. Zur gleichen Zeit traten auch verschiedene merkwürdige Massenbewegungen auf, wie der Tarantismus („Tanzwahnsinn") und der Flagellantismus (das „Geißlertum"): Große Menschenmassen tanzten überall in Europa wild durch die Straßen oder peitschten sich in öffentlichen Orgien der Selbsterniedrigung blutig. Ein Gefühl von Schuld und Sünde durchzog alle Lebensbereiche und führte gelegentlich zu gewalttätigen Ausschreitungen gegenüber Juden, Zigeunern, Ketzern und anderen „Sündenböcken" der Gesellschaft. Auch scheint es, dass im späten Mittelalter eine seltsame Angst und ein Hass gegen Frauen entstand, die man zunehmend als das gemeine, niederträchtige und lüsterne Geschlecht bezeichnete, als eine Versuchung des Mannes und als sein Ruin. Frauen galten oft als Instrumente des Teufels, und das führte im Laufe der Zeit zusammen mit anderen angstvollen Phantasien zur Entwicklung eines neuen, weit verbreiteten Hexenwahns.


Die Neuzeit


Heute wird der Hexenwahn oft als Erscheinung des Mittelalters betrachtet, Die ausgedehntesten Hexenverfolgungen in Europa begannen jedoch in der Renaissance und dauerten bis weit ins 18, Jahrhundert an. Zwar lässt sich der Hexenglaube bis ins Mittelalter oder sogar in die Antike zurückverfolgen, er wurde jedoch erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts zu einer zusammenhängenden Doktrin ausgestaltet. Im Jahre 1486, kurz bevor Kolumbus Amerika entdeckte, veröffentlichten zwei deutsche Dominikanermönche, Jakob Sprenger und Heinrich Krämer, das endgültige Handbuch über Hexen unter dem Titel „Malleus Maleficarum" (Der Hexenhammer). Dieses Werk fand bald die offizielle Unterstützung der Kirche, des Staates und aller Gelehrten. In allen europäischen Ländern wurde es gelesen und anerkannt und erfuhr innerhalb der folgenden 250 Jahre über 30 Neuauflagen.

 


 
Seltsame Massenbewegungen im Europa des Mittelalters

Im Europa des Mittelalters entstanden einige Massenbewegungen, die man später als symptomatisch für bestimmte Geisteskrankheiten betrachtete.


(Links) Flagellanten. Flagellanten waren Menschen, die in Gruppen von Ort zu Ort zogen und sich in öffentlichen Orgien der Selbsterniedrigung blutig schlugen. Man kann annehmen, dass dies für viele von ihnen auch eine sexuelle Bedeutung hatte. Die Flagellation erlebte eine zweite Blüte im 18. und 19. Jahrhundert, als die Kunden englischer Bordelle erhebliche Beträge bezahlten, um sich von Prostituierten auspeitschen zu lassen. Man hat deshalb die sexuelle Vorliebe für das Auspeitschen auch als „ englisches Laster" bezeichnet. (Holzschnitt aus der Nürnberger Chronik)
(Rechts) Hexenverbrennung. Der Glaube an Hexerei und die Verfolgung von Hexen erreichten gegen Ende des Mittelalters einen Höhepunkt, dauerten jedoch bis zum 18. Jahrhundert an. Frauen, die man verdächtigte Hexen zu sein, wurden gefoltert, bis sie gestanden, und anschließend verbrannt. Die Gerichtsakten zeigen bei näherer Betrachtung, dass der Hexenwahn starke sexuelle Komponenten hatte. (Holzschnitt des 16. Jahrhunderts)

 


Dieses Buch kann hier nicht im einzelnen erörtert werden. Der Hinweis möge genügen, dass es eines der traurigsten Dokumente der Bigotterie, der Grausamkeit und Ignoranz in der Geschichte ist. Zunächst „beweist" der Text, dass es Hexen gibt (wer das bezweifelt, ist selbst eine Hexe). Dann beschreibt er, wie man sie aufspüren kann, und legt schließlich die Regeln fest, nach denen sie abgeurteilt und getötet werden müssen. Abgesehen von einem verdächtigen Interesse an sexuellen Dingen zeigen die Verfasser einen geradezu besessenen Hass auf Frauen. Sie weisen ausdrücklich darauf hin, dass eine Frau viel eher eine Hexe sein kann als ein Mann. Überdies erklären sie, dass „alle Hexerei der Fleischeslust entspringt, die bei Frauen unersättlich ist" und dass unter den „ehrgeizigen Frauen diejenigen noch stärker befallen seien, die ihre schmutzige Sinneslust am ungehemmtesten befriedigen".


Hexen waren vom Teufel besessen und hatten oft Geschlechtsverkehr mit ihm. Sie konnten Missernten, Viehseuchen, den Tod kleiner Kinder, Unfruchtbarkeit bei Frauen, Impotenz beim Mann und viele andere Störungen, Katastrophen und Unheil verursachen. Die Entlarvung und Ausrottung von Hexen war daher für die Sicherheit und Gesundheit der Gesellschaft unerlässlich. Außerdem war die Bibel selbst in dieser Angelegenheit ganz eindeutig: „Eine Zauberin sollst du nicht am Leben lassen" (2. Mose 22,18). Innerhalb weniger Jahre begannen Hexenverfolger, oft mit Unterstützung von Ärzten, die in der Suche nach „Teufelsmalen" besonders geschult waren, das Land zu durchstreifen, um Dutzende, Hunderte und schließlich Tausende unschuldiger Männer, Frauen und Kinder als Hexen zu verhaften. Diese Unglücklichen wurden gefoltert, bis sie ein Geständnis ablegten, und danach öffentlich verbrannt. Das Geständnis betraf meist auch Verwandte, Nachbarn und Freude, und so nährte sich die Schreckensbewegung selbst.


Es ist wichtig anzumerken, dass diese Bewegung in katholischen und protestantischen Ländern gleich stark ausgeprägt war. Der Hexenwahn wurde wirklich ökumenisch und international, es gab kaum je eine Stimme des Zweifels oder des Protestes. Nur ein paar mutige Einzelgänger versuchten, sich gegen diese neue Welle der Barbarei zu wehren, sie führten dabei meist medizinische Argumente ins Feld. Der deutsche Arzt Johann Weyer veröffentlichte zum Beispiel im Jahre 1563 eine Abhandlung „De Praestigiis Daemonum" (Von der Täuschung der Dämonen), in der er ausführte, dass Krankheiten, die der Hexerei angelastet wurden, in Wirklichkeit natürlichen Ursprungs seien. Viele „arme, bestürzte Frauen", die man als Hexen bezeichnete, seien einfach geisteskrank. Man sollte sie daher heilen und nicht ermorden. Von den meisten seiner Zeitgenossen wurde diese Ansicht jedoch zurückgewiesen, und die Kirche setzte Weyers Buch auf den Index. Lediglich die spanische Inquisition, die genug damit zu tun hatte, Ketzer, Juden und Sodomiten zu verfolgen, beteiligte sich kaum an der Hexenverfolgung. In Spanien war die islamische Überlieferung noch lebendig, Geistesgestörte zu pflegen, daher wurden Menschen, die der Hexerei angeklagt waren, oft einfach für verrückt erklärt und in ein Kloster oder ein Asyl verbracht.


Diese Einstellung fand im 18. Jahrhundert breitere Anerkennung und wurde schließlich von der zunehmend in Erscheinung tretenden Psychiatrie übernommen. Die neuen „Seelenärzte" übernahmen Weyers Ansicht und betrachteten den Hexenwahn als medizinisches Phänomen. Nach eigenen Bekenntnissen hatten die „Hexen" ohnehin meist behauptet, die unglaublichsten Taten vollbracht zu haben, zum Beispiel in Gestalt von Tieren durch die Lüfte geflogen zu sein oder mit einem Fluch oder dem „bösen Blick" Menschen töten zu können. Dies und der deutlich sexuelle Charakter vieler Geständnisse schienen hinreichend zu beweisen, dass es sich in der Tat um unerkannte „Geisteskranke" gehandelt hatte und ihre „Hexerei" nichts weiter als ein missverstandenes und falsch behandeltes „psychiatrisches Problem" gewesen war.


Nicht-Psychiater wiesen darauf hin, dass alle Geständnisse unter Folter oder der Androhung von Folter abgelegt und die Gerichtsakten von den Inquisitoren und nicht von deren Opfern geführt worden waren. Die grotesken sexuellen Phantasien oder „Halluzinationen", die man den Hexen zuschrieb, sagten daher weniger über sie selbst als über ihre Ankläger aus. Dieses Argument wurde von einigen Medizinhistorikern dankbar aufgegriffen, die schließlich erklärten, alle Beteiligten an den Hexenprozessen - Hexenjäger, Hexen und Henkersknechte - seien „geisteskrank" gewesen.


Ohne Zweifel waren die frühen „Nervenärzte" oder „Psychiater" von echtem Mitgefühl mit den Außenseitern der Gesellschaft bewegt. Sie retteten nicht nur viele „Besessene" aus den Klauen der Inquisition und erklärten sie zu ihren Patienten, sondern sie behandelten diese Patienten auch freundlicher, als es bis dahin üblich gewesen war. Aufgeklärte Männer wie Pinel in Frankreich, Chiarugi in Italien, Langermann in Deutschland und Rush in den Vereinigten Staaten reformierten die Asyle, befreiten ihre Insassen von Ketten und Fesseln und traten für humanere Therapieformen ein. Für die Behandlung sexueller Devianz erwies sich jedoch die neue psychiatrische „Aufklärung" als weniger nützlich. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts entdeckten die Ärzte die angebliche Gesundheitsgefährdung durch Masturbation, und zur Zeit der Amerikanischen und Französischen Revolution war man bereits überzeugt, diese Gefahren seien sehr erheblich. Wo Galen regelmäßige Samenergüsse aus gesundheitlichen Gründen empfohlen hatte, erklärte man dies jetzt zur Ursache nahezu aller körperlichen und geistigen Gebrechen. Masturbation schwächte den Körper, erweichte das Gehirn und führte zu Impotenz, allgemeiner Lethargie, zum Wahnsinn und schließlich zum Tode. Innerhalb weniger Jahrzehnte wurde der „Masturbationswahnsinn" zur schwersten Bedrohung für die Menschheit und daher ein weiterer zwingender Grund für vorbeugende psychiatrische Behandlung. So wurden Psychiater noch unentbehrlicher und gewannen einen nie zuvor gehabten Einfluss. (Einzelheiten über diesen Kreuzzug gegen die Masturbation vgl. Kap. 7.1 „Formen des Sexualverhaltens - sexuelle Selbststimulierung".)

 



Vom „Irren" zum „Geisteskranken"


In Europa wurden „Irre" jahrhundertelang in Gefängnisse geworfen und in Ketten und Fesseln geschlossen. Auch die ersten „Hospitäler" für Geisteskranke waren wenig besser als Gefängnisse, denn sie boten kaum medizinische Behandlung. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts führten einzelne Ärzte Reformen ein und legten so den Grundstein der modernen Psychiatrie.


Das „Bedlam"

Das Hospital „St. Mary of Bethlehem", das im Volk als das „Bedlam" bekannt war, war das erste Asyl für Geisteskranke in England. Wie ein moderner Zoo war es für schaulustige Bürger ein beliebter Ort, wo man sich an den „Possen" der Insassen weidete. Tatsächlich wurden die Insassen des „Bedlam" und vergleichbarer „Irrenhäuser" oft schlechter behandelt als Tiere. (Gemälde von William Hogarth, frühes 18. Jahrhundert)


Pinel befreit die Geisteskranken

Der Franzose Pinel war einer der ersten „modernen" Psychiater. Während der französischen Revolution wurde ihm das Bicêtre, ein großes Asyl in Paris, unterstellt, wo er sofort daran ging, die Insassen von ihren Fesseln zu befreien. Er betonte auch die Notwendigkeit einer intensiven psychiatrischen Beobachtung der Patienten und eines strikt medizinischen Zugangs zu geistigen Krankheiten. (Gemälde des 19. Jahrhunderts)
 

 


Das prüde 19. Jahrhundert ließ verschiedene neue psychiatrische Theorien über die Gefahren der Masturbation und andere Formen sexueller Devianz entstehen. Man begann zum Beispiel zu glauben, die schwächende Angewohnheit der „Selbstbefleckung" werde ihrerseits durch eine angeborene psychische Schwäche verursacht. Mit anderen Worten: wer masturbierte, war bereits krank geboren und kaum in der Lage, dem Fortschreiten dieses bedauerlichen Zustandes Einhalt zu gebieten. 1843 veröffentlichte ein russischer Arzt namens Kaan ein Buch unter dem Titel „Psychopathia Sexualis" (Sexuelle Geisteskrankheit), in dem er diese doppelte Gefahr der Masturbation erläuterte. (Dieses Buch war zwar in Moskau geschrieben und dem Leibarzt des Zaren gewidmet, es wurde jedoch in Deutschland gedruckt und hatte hier einen erheblichen Einfluss auf die Psychiatrie. Mehr als 40 Jahre später griff der österreichische Psychiater von Krafft-Ebing auf den Titel Kaans zurück, um eine neue, noch berühmtere Studie abweichenden Sexualverhaltens zu veröffentlichen.)


Nach der Auffassung Kaans litten nahezu alle Menschen unter einer bestimmten „phantasia morbosa" (krankhafter Phantasie), die sie für sinnliche Exzesse anfällig machte. Es bedurfte nur der zufällig falschen Diät, einer zu weichen Matratze, zu enger Kleidung oder auch nur des Müßiggangs, um die unvermeidliche Kette von Ereignissen auszulösen. Zusätzlich zu dieser absonderlichen Theorie bot Kaan die erste Liste sexueller „Aberrationen"; er zählte dazu Knabenliebe, gegenseitige homosexuelle Masturbation, Leichenschändung, Koitus mit Tieren und sexuellen Kontakt mit Statuen.


Diese kurze Liste sexueller „Psychopathologien" wurde bald von anderen Psychiatern ergänzt. Darüber hinaus verwies die ständig wachsende Zahl der „Aberrationen" die einst so überaus wichtige Krankheit der Masturbation auf einen niedrigeren Rang. Dennoch behielt die Theorie der möglichen Vererbung sexuell abweichenden Verhaltens, wie sie von Kaan angenommen wurde, ihre Anziehungskraft bei, und sie wurde sogar in der Folge weiter ausgestaltet.


Bevor wir uns diesen weiteren, „wissenschaftlichen" Entwicklungen zuwenden, erscheint es sinnvoll, den Begriff der „sexuellen Psychopathologie" kurz zu erklären. Er bedeutet zunächst nichts weiter als eine weltliche Version eines alten religiösen Dogmas. Es kann kein Zufall sein, dass Kaans sexuelle „Aberrationen" mit den „Greueltaten" der Bibel im Grunde genommen identisch sind. Auch die Parallelen zwischen der erblichen „phantasia morbosa" und der „Konkupiszenz" oder „Fleischeslust" bei Augustinus ist auffallend. Kaans Bemühungen verdeutlichen also, dass die Wissenschaft als eine Art „neuer Religion" noch immer um die Verteidigung der alten sexuellen Tabus besorgt war. (Vgl. a. Kap. 10.1.1 „Sexualität und Religion - Der historische Hintergrund".)


Dieses unerkannte religiöse Vorurteil der Psychiatrie wurde 1857 noch deutlicher, als der französische Psychiater Morel den Begriff der „dégénérescence" als Erklärung für den Wahnsinn einführte. Morel, der zuvor theologische Studien betrieben hatte, kam zu dem Ergebnis, dass fortschreitende „Degeneration" oder „Entartung" die Ursache der meisten körperlichen und geistigen Gebrechen sei. Der erste Mensch (der biblische Adam) war von gesunder, „primitiver Art". Da jedoch seine Natur schon in frühen Phasen der Menschheitsgeschichte ungünstigen inneren und äußeren Einflüssen ausgesetzt war, wurde der Mensch zunehmend geschwächt. Daher gibt es heute den ursprünglich vollkommenen Menschen der „primitiven Art" nicht mehr, sondern verschiedene unvollkommene Menschenrassen und viele „Entartete". Diese „Entarteten" leiden unter angeborener sexueller „Perversion" und sind zum Aussterben bestimmt.


Es überrascht nicht, dass die Theorie Morels vielen seiner Kollegen zu enge Bezüge zur Bibel hatte; deshalb fassten sie sie in modernere, „objektivere" Begriffe. Man ging nun davon aus, dass Degeneration oder Entartung auch im Laufe eines sonst positiven Entwicklungsprozesses auftreten könne. Die Entarteten behielten dennoch ihre grundlegenden Eigenschaften bei, sie und ihre Nachkommen waren unweigerlich dem Untergang geweiht. Diese Ansichten wurden auch von berühmten Dramatikern des 19. Jahrhunderts, wie Ibsen und Hauptmann, übernommen und verbreitet, die die Auswirkungen der Entartung in höchst bedrückenden Einzelheiten beschrieben. Der Schriftsteller Emile Zola schilderte sogar die „natürliche und soziale Geschichte" einer ganzen Familie, der Rougon-Macquart, als einen Fall erblichen, fortschreitenden Verfalls. Der Begriff von einer angeborenen pathologischen Veranlagung zum Wahnsinn und zu sexueller Abweichung beherrschte das Denken in der Psychiatrie bis zur Zeit Freuds, der ihn schließlich durch das Konzept der traumatischen (und weitgehend unbewussten) individuellen Lebensgeschichte ersetzte.


In diesem Zusammenhang sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die „wissenschaftlichen" Grundlagen des modernen Rassismus ebenfalls im 19. Jahrhundert entstanden. Die Bezeichnung „Entartung" ließ sich leicht auf ganze soziale und ethnische Gruppen anwenden, die aus irgendwelchen Gründen unbeliebt waren und die man jetzt als biologisch minderwertig abstempeln konnte. Selbstverständlich wurden sie gleichzeitig der sexuellen „Perversion" bezichtigt. Logisch aus dem Rassismus abgeleitet waren „eugenische" („rassenhygienische") Maßnahmen, das heißt offizielle Schritte, um die biologische Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern, indem man die Fortpflanzung Entarteter verhinderte. Andererseits war man der Meinung, dass die „höherstehenden Rassen" sich nicht ausreichend vermehrten. Es gab die weitverbreitete Furcht, dass die gesamte Menschheit entarten oder aussterben könnte, Diese Furcht mutet heute besonders unangebracht an, wenn man die Bevölkerungsstatistik zwischen 1800 und 1900 betrachtet. Jedenfalls veranlassten wachsender Rassenstolz, Nationalismus, Militarismus und eine schnell wachsende Industrie viele Regierungen, Bevölkerungswachstum zu fördern. Fortpflanzung erwies sich erneut als das einzig „richtige" Ziel des Geschlechtsverkehrs.


Die Psychiatrie machte einen weiteren wichtigen Schritt nach vorn, als der deutsche Psychiater Kraepelin im Jahre 1883 eine erste systematische Klassifikation der Geisteskrankheiten veröffentlichte. Wenngleich er überzeugt war, dass alle diese Krankheiten eine körperliche Ursache hatten, legte er großen Wert darauf, jede Krankheit als eigenständige Erscheinung mit eigenen Symptomen und Heilungschancen zu beschreiben. Die Arbeit Kraepelins wurde zum Grundstein aller späteren psychiatrischen Klassifikationen. Nach seinem Beispiel fühlten sich bald andere Psychiater berufen, noch detaillierter zu werden. So entwickelten sie unter anderem noch spezifischere Verzeichnisse sexueller „Abnormitäten" und „Perversionen". Diese Verzeichnisse erreichten manchmal eine erhebliche Länge, und sie machten manchmal den Eindruck von Werken mittelalterlicher Scholastik. Auf jeden Fall teilten sie die grundlegende Auffassung der traditionellen christlichen Moral: Nur der Koitus zwischen „anerkannten" Partnern ist richtig; alle anderen Formen sexuellen Ausdrucks sind falsch. Als Zugeständnis an die moderne Welt wurden diese Werturteile jedoch nun in medizinische, nicht mehr in religiöse Begriffe gefasst.


Merkwürdigerweise verlor der psychiatrische Kreuzzug gegen die Masturbation zum Ende des 19. Jahrhunderts an Intensität. Dafür richtete sich die Aufmerksamkeit jetzt auf eine neue Gruppe sexuell abweichender Menschen - auf die, die sich von Menschen gleichen Geschlechts angezogen fühlten. Gleichgeschlechtliches Verhalten war natürlich seit langem von Juden und Christen verurteilt worden, nie zuvor hatte man es jedoch als Symptom geistiger Krankheit interpretiert. (Avicenna, der islamische Arzt des Mittelalters, hatte es einer körperlichen Störung zugeschrieben.) Nun wurde dieses Verhalten als Folge eines besonderen krankhaften psychischen „Zustandes" entdeckt. Für diesen Zustand wurde ein neuer Begriff eingeführt: „Homosexualität". Eine Zeitlang wurde darüber gestritten, ob denn Homosexualität eine „Perversion", ein Zeichen von „Entartung" oder nur eine leichte „Persönlichkeitsstörung" sei. Freud betrachtete sie nicht als „Krankheit", sondern als Symptom einer irgendwie gehemmten Entwicklung. Einige seiner Nachfolger waren da unnachsichtiger und bezeichneten sie als Symptom von „Unreife" und neurotischer Angst vor dem anderen Geschlecht. In den Vereinigten Staaten wurde Homosexualität zum Beispiel noch bis 1973 offiziell als „krankhafter Zustand" bezeichnet und in der medizinischen Literatur als solcher geführt. Erst neuerdings gelten amerikanische Homosexuelle auch offiziell wieder als „gesund". Nun geht man davon aus, dass nur diejenigen einer psychiatrischen Behandlung bedürfen, die unter ihrer Homosexualität leiden, und man bezeichnet diesen Zustand als „sexuelle Orientierungsstörung". (Vgl. hierzu a. Kap. 8.1.1 „Sexuelle Störungen - Unbefragte Voraussetzungen".)


Der Stand der Psychiatrie im internationalen Vergleich


Psychiater anderer Länder teilen nicht in allen Fällen die fachlichen Auffassungen ihrer nordamerikanischen Kollegen. Besonders in bezug auf sexuell abweichendes Verhalten gehen die Einstellungen und Praktiken der Psychiater in verschiedenen Ländern deutlich auseinander. Die geringsten derartigen Unterschiede finden sich natürlich in den westlichen Ländern. Sie haben das gleiche kulturelle Erbe und eine den Vereinigten Staaten vergleichbare Ideologie. In den sogenannten „sozialistischen" Ländern beispielsweise werden der Psychiatrie oft Funktionen zugewiesen, die von den meisten westlichen Ärzten abgelehnt würden. Die psychiatrische Behandlung von Menschen mit sexuell abweichendem Verhalten gibt auch hier ein überraschendes Beispiel. Dem westlichen Beobachter wird in diesem Zusammenhang deutlich, dass die kommunistischen Gesellschaften der Gegenwart, wie immer ihre ökonomischen oder politischen Ansprüche auch lauten mögen, den sexuellen Normen der kapitalistischen Bourgeoisie des 19. Jahrhunderts anhängen.


Eine eingehende Erörterung dieser Frage ist beim Umfang des vorliegenden Buches leider nicht möglich, dennoch sollen die folgenden kurzen Beobachtungen erste Eindrücke vermitteln.

Westeuropa


Der Stand der westeuropäischen Psychiatrie ist dem der Psychiatrie in den USA sehr ähnlich; es gibt in Westeuropa weniger Psychiater, daher ist ihr gesellschaftlicher Einfluss insgesamt auch nicht so groß. Dabei muss man sich daran erinnern, dass in der Folge des Faschismus in Europa viele Psychiater gezwungen waren, ins Exil zu gehen. Besonders psychoanalytisch orientierte Ärzte wurden von den Nationalsozialisten in Deutschland und in allen besetzten Ländern verfolgt. Die psychoanalytische Theorie selbst wurde offiziell als „jüdische Wissenschaft" verurteilt, alle psychoanalytischen Schriften wurden verboten oder öffentlich verbrannt. Außerdem wurden die verschiedenen europäischen Bewegungen zur Sexualreform brutal zerschlagen.


Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges konnten die europäischen Psychiater versuchen, ihre ehemals führende Position wiederzuerlangen. Zunächst mussten sie allerdings ihre eigene Vergangenheit wiederentdecken, und so ereignete sich in den fünfziger und sechziger Jahren eine Renaissance der Psychoanalyse, die zumindest in bezug auf abweichendes Sexualverhalten das Denken der europäischen Psychiatrie nach wie vor beherrscht. Das wird besonders deutlich, wenn man die offiziellen und halboffiziellen europäischen Bücher und Programme zur Sexualerziehung betrachtet. Auch heute noch vertreten einige von ihnen die Freudsche Theorie. Interessanterweise halten die meisten europäischen Psychoanalytiker sich an die ursprünglich gesellschaftskritische Auffassung Freuds, und zögern daher, abweichendes Sexualverhalten einfach als „Krankheit" abzustempeln. (Insgesamt betrachten sie Freud eher als einen Philosophen und Sozialkritiker, weniger als einen klinischen Psychiater.) Gleichzeitig fühlen sie sich auch verpflichtet, die bestehenden sexuellen Normen in Frage zu stellen.


Diese liberale Einstellung findet sich zum Teil in der toleranteren europäischen Rechtsauffassung zur Sexualität wieder. Sexuelle Handlungen ohne Opfer werden kaum verfolgt. Daher bleibt auch psychiatrisches Eingreifen staatlicherseits auf ein Minimum beschränkt. Wo Sexualverbrechen Opfer fordern, kann dennoch eine psychiatrische Behandlung des Täters gerichtlich angeregt oder angeordnet werden. Diese Behandlung erfolgt dann selten auf psychoanalytischer Grundlage, sondern man greift hier eher zu pharmakologischen oder sogenannten verhaltensmodifizierenden Therapieformen, aber auch zu Kastration und neuen Formen der Gehirnchirurgie (der sogenannten „Psychochirurgie"). Inzwischen wird diesen Behandlungen immer skeptischer begegnet, seit die Theorien „radikaler" amerikanischer Psychiater allmählich an Einfluss gewannen. Weitere Einwände gegen die tradierte psychiatrische Auffassung kommen von den Europäern selbst. Die wahrscheinlich bekannteste dieser neuen Kritiken stammt von dem britischen Psychiater Ronald D. Laing.


Die Sowjetunion


Es ist bekannt, dass die Psychiatrie heute in der Sowjetunion oft dazu benutzt wird, um Druck auf politische Dissidenten auszuüben. Viele von ihnen würden in westlichen Ländern nicht als krank angesehen. Überdies wissen wir, dass die derzeitige Sowjetunion eine äußerst repressive sexuelle Moral vertritt.


Das war nicht immer so. Im Gegenteil, die Sowjetunion verfolgte in den ersten Jahren nach der Revolution eine Sexualpolitik, wie es sie liberaler und progressiver nirgends auf der Welt gab. Unter anderem wurden die repressiven zaristischen Sexual- und Ehegesetze abgeschafft und durch eine neue umfassende Gesetzgebung ersetzt, die auf den damals verfügbaren Kenntnissen westlicher Sexualwissenschaft basierte. Darüber hinaus war die Kommunistische Partei bemüht, sexuelle Vorurteile zu überwinden. Dem Artikel über abweichendes Sexualverhalten in der großen sowjetischen Enzyklopädie beispielsweise lagen die Arbeiten von Freud und Hirschfeld zugrunde. Gleichzeitig betrieben sowjetische Wissenschaftler eigene Forschungen und unternahmen Versuche in nicht-repressiver Erziehung. Das bekannteste dieser Experimente ist wahrscheinlich das der Psychoanalytikerin Vera Schmidt, die in Moskau ein Kinderhaus gründete. Dort durften Kinder zum Beispiel ganz frei ihre sexuelle Neugier befriedigen oder masturbieren, wann immer sie wollten. Sie wuchsen daher ohne irgendwelche sexuellen Schuldgefühle auf und entwickelten eine freundliche und verantwortungsvolle Einstellung zueinander.


In den ersten Jahren war das sowjetische Beispiel für die westlichen Sexualreformer Grund genug, es ihren eigenen Regierungen zur Nachahmung zu empfehlen. Leider fanden diese Bestrebungen bald ein Ende. In den frühen dreißiger Jahren wurde das verhasste zaristische Gesetz gegen die Homosexualität wieder eingeführt, die alte bürgerliche Moral wiederbelebt. Man lobte Keuschheit vor der Ehe und die Kleinfamilie mit ihren traditionellen Geschlechtsrollen. Unter Stalin begann eine Welle allgemeiner politischer Repression, deren Auswirkungen bis auf den heutigen Tag zu spüren sind. Gegenwärtig erlaubt die Sowjetunion ihren Bürgern nur wenig sexuelle Freiheit. Insbesondere Freud wird von der sowjetischen Psychiatrie ausdrücklich abgelehnt, die Existenz sexueller Interessen bei „normalen" Kindern wird geleugnet. Masturbation im Kindesalter und sexuelle Spiele von Kindern betrachtet man als Zeichen einer „Frühentwicklung", die gegen die Norm verstößt. Masturbation bei Jugendlichen oder Erwachsenen wird nach wie vor als „Onanismus" bezeichnet und als „Laster" gesehen, das korrigiert werden muss, da es einen nachteiligen Einfluss auf den Geist hat und den Körper schwächt. Homosexuelles Verhalten unter Männern wird als kriminell und krankhaft zugleich betrachtet, während homosexuellem Verhalten unter Frauen nach wie vor wenig Beachtung geschenkt wird.


Kuba


Eines der erklärten Ziele der sozialistischen Revolution in Kuba ist die volle Gleichberechtigung von Männern und Frauen und eine rationale und humane Einstellung gegenüber sexuellen Problemen. In der Praxis bleiben jedoch das spanische kulturelle Erbe der sexuellen Doppelmoral und das männliche Rollenschema (machismo) große Hemmnisse für den Fortschritt in diesen Bereichen, Überdies werden selbst harmlose sexuelle Abweichungen offiziell kaum toleriert. Ziel solcher Repressionsmaßnahmen sind vor allem Prostitution, „Pornographie", das Tragen andersgeschlechtlicher Kleidung und Homosexualität. Kubanische Homosexuelle wurden in der Vergangenheit sogar häufig in besondere Arbeitslager geschickt, wo man sie zur „Besserung" brutal behandelte. Als nordamerikanische und europäische Besucher Kubas über diese Maßnahmen in ihren Heimatländern berichteten, brachte dies die kubanische Regierung genügend in Verlegenheit, um diese Politik zu lockern. Im Prinzip hat sich die Einstellung jedoch bis auf den heutigen Tag nicht geändert. Homosexualität wird immer noch als ansteckende „Aberration" betrachtet, die korrigiert werden muss. So sind nach einer Verlautbarung des kubanischen Nationalkongresses für Erziehung und Kultur „homosexuelle Abweichungen pathologisch für die Gesellschaft", daher muss „ihre Ausbreitung verhindert werden". Homosexuelle beweisen einen „antisozialen Charakter", daher muss man ihnen jeden Einfluss auf die Jugend, und in Kunst oder Kultur versagen. Vielmehr müssen sie „kontrolliert", „umgesiedelt" und „neuorientiert" werden - je nachdem, wie sehr sie „heruntergekommen" sind. Das bedeutet, dass die kubanische Regierung selbst heute noch sich pseudo-medizinischer Argumente bedient, um Homosexuelle zu zweitklassigen Bürgern zu machen und ihnen die elementarsten Bürgerrechte zu versagen.

Die Volksrepublik China


Die Behandlung „psychiatrischer Patienten" in der Volksrepublik China kombiniert Elemente der traditionellen chinesischen Medizin, der westlichen Medizin und neue politisch-ideologische Aspekte. Kliniken für Geisteskranke werden nicht ausschließlich von Ärzten und medizinischem Personal geführt, sondern auch von sogenannten Revolutionskomitees, die sich aus Mitgliedern des Militärs und politischen Funktionären zusammensetzen. Die Therapie besteht daher nicht nur in der Anwendung von Medikamenten und Akupunktur, sondern auch in ideologischer Schulung. Man erwartet die Teilnahme an „produktiver Arbeit", aber auch an Gruppenaktivitäten und „kollektiver Hilfe". Dabei werden die sozialen und politischen Aspekte der Geisteskrankheit höher bewertet als die medizinischen, die Psychiater zögern deshalb nicht, „die Politik an die erste Stelle zu setzen".


Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist schwer feststellbar, inwieweit die Chinesen sexuell abweichendes Verhalten mit Geisteskrankheit gleichsetzen. Es ist jedoch bekannt, dass sie Freud und die psychoanalytische Theorie ablehnen. Man weiß auch, dass beispielsweise homosexuelles Verhalten offiziell nicht geduldet wird, wenngleich dies eher als moralisches denn als medizinisches Problem betrachtet wird. (Der letzte Kaiser von China, der später in der Volksrepublik als gewöhnlicher Bürger lebte, war homosexuell. Daher ist es möglich, dass in der öffentlichen Meinung jetzt Homosexualität mit Feudalismus assoziiert wird.) Außerdem gibt es in China eine offizielle Kampagne gegen die Masturbation. Allem Anschein nach ist sie mit den Propagandafeldzügen in westlichen Ländern vor ungefähr 100 Jahren zu vergleichen. Ähnlich wie im 19. Jahrhundert in Europa, wird der Öffentlichkeit erklärt, dass Masturbation eine „Überstimulierung des Gehirns, Schwindelanfälle, Schlaflosigkeit und allgemeine Schwächezustände" nach sich ziehe. Obendrein wird jedoch nun noch ausgeführt, sie „untergrabe den revolutionären Willen". Um dieser Gefahr zu begegnen, rät man Jugendlichen, sich ausreichend körperlich zu betätigen, lockere Unterwäsche zu tragen und sich in die Werke von Marx und Engels und in die Schriften des Vorsitzenden Mao zu vertiefen. Aus dem gleichen puritanischen Denken resultiert die Warnung an jung verheiratete Paare, nicht zu häufig Geschlechtsverkehr zu haben. So wurde in einer offiziellen chinesischen Zeitung vor einigen Jahren in der Beratungskolumne einer jungen Frau empfohlen, mit ihrem Ehemann nicht häufiger als ein- bis dreimal in jeder Woche Geschlechtsverkehr zu haben, weil „die Leidenschaft sonst die Gesundheit untergräbt".


 

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