Das Sexualverhalten Jugendlicher

6.2.2 Das Sexualverhalten Jugendlicher


Wie oben beschrieben, sind Kinder bereits lange Zeit vor der Pubertät zu sexuellen Reaktionen fähig. Sie werden beispielsweise durch Spiele oder andere körperliche Betätigungen sexuell erregt. Sie können sogar beim Fahrradfahren, Bäumeklettern, Rutschen auf dem Treppengeländer oder bei einem Ringkampf mit einem Spielkameraden einen Orgasmus haben. Zunächst definieren sie diese Erlebnisse jedoch nicht als sexuell nach dem Wortgebrauch der Erwachsenen. Sie lernen dies erst nach und nach, wenn sie älter werden. Jungen und Mädchen werden sich gewöhnlich ihrer Sexualität erst richtig bewusst, wenn sie die Pubertät erreichen.


Das Jugendalter kann daher als die Phase bezeichnet werden, in der sexuelle Einstellungen und Reaktionen, die in der Kindheit erworben wurden, ihre wirkliche Bedeutung enthüllen. Das Entscheidende an dieser Phase ist jedoch, dass die bisher spielerischen und ungerichteten sexuellen Spiele der Kindheit zu zielgerichtetem erwachsenem Sexualverhalten werden.


Unglücklicherweise werden junge Menschen in unserer Gesellschaft in ihren sexuellen Möglichkeiten erheblich eingeschränkt. Den meisten Jugendlichen ist es infolge sozialer und religiöser Tabus kaum möglich, Geschlechtsverkehr mit einem Partner des anderen Geschlechts zu haben. Selbst wenn sie einen solchen Partner finden, müssen sie sich meist auf „Petting" beschränken, das heißt auf sexuellen Kontakt, der kurz vor dem Koitus endet, Die hauptsächliche Möglichkeit zu sexueller Betätigung ist für die große Mehrheit der Heranwachsenden, allein zu masturbieren, wobei Jungen gelegentlich auch gemeinsam in kleinen Gruppen masturbieren. In seltenen Fällen haben Jungen, die auf dem Lande leben, auch sexuellen Kontakt mit Tieren.


Insgesamt ist bei heranwachsenden Mädchen sexuelle Aktivität weit seltener als bei heranwachsenden Jungen. Ein wesentlicher Grund hierfür ist zweifellos die herrschende doppelte Moral, die für Mädchen sehr viel härtere Sanktionen für sexuelle Verfehlungen vorsieht als für Jungen (vgl, a. Kap. 9 „Die sozialen Rollen von Mann und Frau"). Mädchen werden auch gewöhnlich nicht gerade ermutigt, sexuelle Bedürfnisse zu entwickeln. Es ist zwar richtig, dass sie dazu erzogen werden, sexuell anziehend zu sein, sich anmutig zu bewegen und verführerisch zu kleiden, modische Frisuren zu probieren und sich zu schminken. Ihre sexuellen Gefühle bleiben jedoch gleichzeitig eher schwach und wenig konkret. Statt dessen richten sich ihre Phantasien ganz allgemein auf ihre zukünftige Rolle als Braut, Ehefrau und Mutter. Sie träumen manchmal noch sehr verschwommen von einem idealen Liebhaber oder von irgendwelchen romantischen Situationen. Die körperlichen Aspekte der Sexualität beschäftigen sie also in dieser Phase weniger als deren soziale Komponenten.


Im Gegensatz dazu sind die sexuellen Phantasien von Jungen bereits wesentlich konkreter. Sie interessieren sich in der Hauptsache für die sexuelle Aktivität selbst. Für die meisten von ihnen ist sexuelles Verlangen und sexuelle Befriedigung eine unmittelbare körperliche Erfahrung, die keinen Bezug zu einer bestimmten sozialen Situation haben muss. Ihre Sexualität steht eher für sich und ist auf sie selbst bezogen. So vollzieht sich die persönliche Entwicklung bei beiden Geschlechtern für eine Weile asynchron. Wo junge Mädchen kokett, angepasst oder unzugänglich erscheinen, treten junge Männer eher rücksichtslos, verantwortungslos und egoistisch auf. Meist dauert es bis zum Ende des Jugendalters, dass Männer beginnen, Sexualität auch als Mittel menschlicher Kommunikation zu entdecken, und dass Frauen beginnen, sich der sexuellen Fähigkeiten ihres Körpers bewusst zu werden.


Sexuelle Selbststimulierung


Die hormonellen Veränderungen der Pubertät bewirken eine rasch zunehmende sexuelle Reaktionsfähigkeit. Das gilt besonders für Jungen. Ihr Körper beginnt, Samenflüssigkeit zu bilden, die ejakuliert werden kann. In manchen Fällen erfolgt die Ejakulation der Samenflüssigkeit spontan im Schlaf. Man sagt dann, der Junge habe einen „feuchten Traum". Viele Jungen erleben so ihre erste Ejakulation.


Auch Mädchen haben Orgasmen im Schlaf, obwohl dies seltener vorkommt als bei Jungen.


Das gleiche gilt für bewusste Masturbation. Bis zum Alter von 15 Jahren haben nur 25 Prozent aller Mädchen bis zum Orgasmus masturbiert, während die Vergleichszahl für Jungen fast 100 Prozent beträgt. Masturbation ist für Jungen also eine sehr verbreitete Erfahrung. Es bestehen jedoch große Unterschiede in bezug auf die Häufigkeit und die angewandte Technik. Manche Jungen masturbieren regelmäßig und häufig, während andere es nur gelegentlich in bestimmten Phasen ihres Lebens tun. Was die Technik angeht, benutzen die meisten Jungen eine oder beide Hände, um ihren Penis zu reiben und zu drücken. Einige reiben ihn an der Matratze, am Bettuch oder an einem Kissen, Manche versuchen auch, das Gefühl des Koitus zu haben, indem sie ihren Penis in einen weiten Flaschenhals, eine Papierrolle oder ein aufgerolltes Paar Socken einführen. Wieder andere versuchen, ihren eigenen Penis in den Mund zu nehmen, wobei sie meist feststellen, dass dies anatomisch kaum möglich ist. (Das kann nur ungefähr ein Prozent aller Männer.) Es ist bei Jungen nicht ungewöhnlich, dass sie ganz verschiedene Masturbationstechniken probieren und je nach Gegebenheit von der einen zur anderen wechseln. Gleich, welche Methode angewandt wird, lernt ein junger Mann rasch, einen Orgasmus willentlich herbeizuführen. Die Reaktionen seines Körpers werden ihm vertraut, und er gewinnt nach und nach die Kontrolle über sie. Er entwickelt so die nötige Erfahrung, um seine neuen sexuellen Fähigkeiten zu meistern.


Mädchen bedienen sich ebenfalls verschiedener Masturbationstechniken, Meist bewegen sie einen Finger oder die ganze Hand auf der Klitoris und ihrer Umgebung. Da eine längere direkte Stimulation der Klitoris schmerzhaft sein kann, ziehen es viele Mädchen vor, die ganze Vulva zu streicheln. Manche führen einen Finger oder einen runden, zylindrischen Gegenstand in die Vagina ein, um so das Gefühl des Koitus zu haben. Manche reiben auch ihre Vulva an einer Stuhlkante, einem festen Kissen oder einem ausgestopften Tier. Manche Mädchen kommen zum Orgasmus, indem sie ihre Oberschenkel dicht aneinanderpressen und gleichzeitig ein Bein rhythmisch bewegen oder ihre Gesäßmuskeln zusammenpressen. Kaum zwei Mädchen masturbieren auf die gleiche Art.


Während vielen Jungen das Masturbieren von anderen (meist älteren) Jungen beigebracht wird, entwickeln Mädchen ihre Praktiken meist allein. Es kommt sogar vor, dass Mädchen jahrelang masturbieren, ohne sich bewusst zu sein, was sie eigentlich tun. Sie sind dann unter Umständen entsetzt und schuldbewusst, denn schließlich sind die meisten Menschen bei uns immer noch der Ansicht, Masturbation sei schädlich. Obwohl das Gegenteil immer wieder nachdrücklich versichert wird, lassen sich noch viele Jugendliche von den falschen Vorstellungen der Älteren beeinflussen.


Da nahezu alle jungen Männer masturbieren, ist für sie das moralische Problem besonders akut. Bis vor ein paar Jahrzehnten wurde ihnen nicht nur beigebracht, Masturbation sei sündig, sondern auch, dass sie zu schweren körperlichen und geistigen Krankheiten führe. Selbst heute wird manchmal noch davor gewarnt, dass „exzessives" Masturbieren den Körper schwäche. (Dabei wird bewusst offengelassen, was unter „exzessiv" zu verstehen sei.) Viele Jungen fühlen sich deshalb zweifach schuldig: Sie glauben, etwas Sündiges zu tun und gleichzeitig ihrer Gesundheit zu schaden.


Angesichts dieser verbreiteten Sorgen haben verantwortungsbewusste Erwachsene die Pflicht, jungen Menschen die wissenschaftlich bewiesenen Fakten zu vermitteln: Masturbation kann keinerlei Schaden anrichten; sie kann auch nicht „übertrieben" werden. Manche Menschen haben eine größere Anzahl von Orgasmen innerhalb einer bestimmten Zeit als andere, niemand kann jedoch zu intensiv masturbieren, da der Körper ganz einfach nicht mehr reagiert, wenn man ihm keine Pause gönnt.


Manche Jugendlichen werden auch von den sexuellen Phantasien verwirrt, die sie beim Masturbieren haben. Das trifft besonders auf Jungen zu. Sie phantasieren dann beispielsweise sexuelle Erlebnisse mit einem oder mehreren Mädchen, mit anderen Jungen, mit Geschwistern oder sogar mit den eigenen Eltern. Sie stellen sich selbst in außergewöhnlichen oder unbegreiflichen Situationen vor, oder sie träumen davon, jemanden zu vergewaltigen oder selbst vergewaltigt zu werden. Dies bedeutet überhaupt nicht, dass der Junge krank ist oder dass er seine Phantasien im tatsächlichen Leben ausführen würde. Viele Jungen träumen ja auch davon, Millionär zu sein, ein berühmter Filmstar, ein römischer Feldherr oder der stärkste Mann der Welt. Tagträume dieser Art bedeuten nichts Bestimmtes und sollten nicht ernst genommen werden. Auf alle Fälle können aber beglückende sexuelle Phantasien für Ideenreichtum und Kreativität förderlich sein. Sie können deshalb auch Vorbereitungen für eine zukünftige Beziehung zu einem wirklichen Partner sein.


Alles in allem kann man Masturbieren in der Jugend aus vielen Gründen befürworten. Es macht Freude, baut Spannungen ab und regt die Phantasie an. Es ist nicht ungesetzlich, immer möglich und keine Gefahr für die Gesundheit. Man kann dadurch nicht schwanger werden und keine Geschlechts-


krankheiten bekommen. Außerdem kann es Jungen und Mädchen dazu verhelfen, bessere Liebhaber zu werden. Ein Junge, der regelmäßig masturbiert, lernt es besser, seine Ejakulation hinauszuzögern, indem er seine Bewegungen unterbricht oder verlangsamt. Diese Fähigkeit kann ihm später helfen, seinen Partnerinnen ein höheres Maß an Befriedigung zu bereiten. Ein Mädchen kann andererseits lernen, rascher zum Orgasmus zu kommen. Das kann später beim Koitus hilfreich sein.


Argumente gegen die Masturbation leiten sich weitgehend von religiösen Vorstellungen ab. Traditionsgemäß lehnen Juden und Christen solche Praktiken ab, wenngleich diese Ablehnung nie so stark war wie in den letzten beiden Jahrhunderten. Auf alle Fälle wird ein Jugendlicher, dem aus religiösen Gründen Masturbation nicht erlaubt ist, aus ihr auch keinen Nutzen ziehen. Masturbation ist immer dann schlecht, wenn sie Ängste, Scham, Besorgnis und Schuldgefühle verursacht. Zum Glück haben einige christliche Kirchen in jüngerer Zeit ihre Einstellung geändert und sind in dieser Hinsicht wesentlich toleranter geworden.


Abschließend sollte vielleicht noch angemerkt werden, dass Jugendliche gelegentlich fast wie besessen masturbieren, weil sie frustriert, einsam oder gelangweilt sind. Sie stehen möglicherweise zu Hause oder in der Schule unter starkem Druck, oder sie haben ein anderes Problem, das nichts mit Sexualität zu tun hat. Dann kann Masturbation zur Scheinlösung werden und dazu beitragen, dass eine wirkliche Lösung nicht gesucht wird. Offensichtlich ist es in diesen Fällen wichtig, das zugrundeliegende Problem zu klären. Hierfür sollte unter Umständen auch auf psychologische Beratung zurückgegriffen werden.


Homosexueller Kontakt


Bei heranwachsenden Jungen ist es nicht unüblich, in Gruppen zu masturbieren. Sie probieren unter Umständen zu zweit oder zu mehreren auch oralen oder analen Geschlechtsverkehr aus. Dieses Verhalten kann man als homosexuell bezeichnen, da es unter Personen gleichen Geschlechts stattfindet, Daraus folgt jedoch nicht unbedingt, dass diese Jungen Homosexuelle sind und kein sexuelles Interesse an Mädchen haben. Genaugenommen sind es zwei verschiedene Dinge, homosexuell zu sein und sich homosexuell zu verhalten. Es gibt viele Homosexuelle (das heißt Menschen, die sich hauptsächlich in Partner gleichen Geschlechts verlieben), die nie irgendeinen sexuellen Kontakt haben. Andererseits gibt es viele Heterosexuelle, die aus dem einen oder anderen Grunde homosexuelle Kontakte haben. Im Gefängnis oder an Bord eines Schiffes haben Männer oftmals vorübergehend sexuellen Kontakt untereinander, da keine Gelegenheit zu Kontakten mit Frauen besteht.


Heranwachsende Jungen befinden sich oft in einer sehr ähnlichen Situation. Wenn zum Beispiel ihr sexueller Kontakt zu Mädchen stark eingeschränkt ist, wenden sie sich den nächsten erreichbaren Personen zu - ihren männlichen Freunden. Solche Beziehungen können für eine Weile befriedigend sein, bis sie älter werden und bessere Gelegenheiten zu heterosexuellem Geschlechtsverkehr finden. Homosexueller Kontakt unter Jugendlichen ist jedoch meist auf kürzere Episoden begrenzt. In den meisten Fällen haben die Jungen ganz einfach Spaß daran, ihren Kameraden ihre sexuelle Leistungsfähigkeit zu beweisen, oder sie rebellieren gegen die Moralauffassungen der Erwachsenen, indem sie an „verbotenen" Abenteuern teilnehmen. Eine große Anzahl von Jungen hat solche Erlebnisse, aber die meisten von ihnen werden später zu „typisch" heterosexuellen Männern.


Angesichts dieser Tatsachen ist es vernünftig, jedes voreilige Abstempeln gleichgeschlechtlichen Sexualverhaltens zu vermeiden. Es ist töricht, einen Jungen homosexuell zu nennen, nur weil er sexuellen Kontakt zu einem anderen Jungen hat. Eine solche Etikettierung hat unter Umständen ernste soziale Konsequenzen und kann ein Grund dafür sein, dass dieser Junge später heterosexuell versagt. Wenn man einem Jungen suggeriert, er sei „andersherum", sieht er sich möglicherweise genötigt, nach dem Bild zu leben, das ihm die Gesellschaft aufzwingt, selbst wenn es nicht zutrifft.


Aufgrund der weit verbreiteten Angst vor Homosexualität in unserer Gesellschaft dürfen Männer gewöhnlich keine Liebe und Zärtlichkeit füreinander zeigen. Während Männer anderer Kulturkreise sich als Zeichen der Freundschaft in der Öffentlichkeit ganz offen die Hände halten, sich küssen und umarmen, sind Europäer und Nordamerikaner dazu erzogen, in solchem Verhalten eine sexuelle Bedeutung zu sehen. Wenn sie so etwas in ihrem eigenen Land entdecken, werden sie solche Männer wahrscheinlich wegen „grob anstößigen" Verhaltens offen oder versteckt diskriminieren. In dieser vergifteten Atmosphäre stellen viele Jungen früher oder später ihre eigene normale sexuelle Entwicklung in Frage. Wenn sie sich zum Beispiel zu einem anderen Jungen besonders hingezogen fühlen, könnten sie sich fragen, ob sie homosexuell werden. Solche unnützen Sorgen können für Jugendliche zur Qual werden und manche Freundschaft zerstören.


In dieser Hinsicht haben Mädchen gegenüber Jungen einen klaren Vorteil.


 
Wenn man zwei Mädchen sieht, die sich berühren, umarmen und küssen, denkt sich kaum jemand etwas dabei. Deshalb ist es für Mädchen einfacher, enge Freundschaften zu entwickeln. Selbst Beziehungen, die einen deutlich erotischen Charakter haben, erregen keine besondere Aufmerksamkeit, und es wird ihnen kein sozialer Stempel aufgedrückt. Manche Mädchen haben tatsächlich sexuellen Kontakt zu anderen Mädchen. Da sie eine solche Beziehung jedoch normalerweise von sich aus nicht dramatisieren, wird davon selten etwas bekannt. Die soziale Verurteilung der Homosexualität bei Frauen ist ohnehin nicht so streng, und eine spätere heterosexuelle Entwicklung wird fast nie von vornherein ausgeschlossen.


Wenn unsere Gesellschaft die gleiche Einstellung gegenüber männlichen Jugendlichen hätte, würde deren Leben zweifellos einfacher. Gelegentliche homosexuelle Kontakte würden nicht mehr als Gefahr für ihre sexuelle Entwicklung angesehen werden. Viele, die heute versuchen, sich starren sexuellen Klischees anzupassen, würden es lernen, selbstbewusst mit ihrer Individualität umzugehen. Eine allgemein entspanntere Haltung dieser Problematik gegenüber würde natürlich auch der Minderheit von Jugendlichen zugute kommen, die sich später tatsächlich homosexuell entwickelt.


(Weitere Ausführungen zum Thema Homosexualität finden sich in Kap. 7 „Formen des Sexualverhaltens", Kap. 10 „Anpassung und Abweichung" und Kap. 12 „Die sexuell Unterdrückten".)


Heterosexueller Kontakt


Mit dem Ende der Kindheit fängt man in unserer Gesellschaft an, Jungen und Mädchen in zunehmendem Maße in ihrem Alltag voneinander zu trennen. Selbst wenn sie die gleiche Schule besuchen und den gleichen Unterricht erhalten, findet der Sportunterricht nach Geschlechtern getrennt statt, wird bei Freizeitaktivitäten nach „männlichen" und „weiblichen" Beschäftigungen unterschieden. Wenn sie dann die Pubertät erreichen, leben sie bereits in verschiedenen Welten mit unterschiedlichen Wertsystemen und Interessen. Daher wissen heranwachsende Jungen und Mädchen oft nur wenig voneinander, und sie müssen dann eine schwierige Zeit der Wiederherstellung persönlicher Kontakte und Beziehungen durchmachen.


Vielerorts in den Vereinigten Staaten findet dies relativ formalisiert als „Verabredungen" (dating) statt. Ein Junge bittet ein Mädchen, sich mit ihm zu verabreden, leiht sich den Wagen des Vaters, holt sie zu Hause ab, geht mit ihr ins Kino oder zum Tanzen und bringt sie zu einer bestimmten Uhrzeit zu ihren Eltern zurück. Allen Beteiligten ist klar, dass der Junge und das Mädchen, wenn sie allein sind, engen körperlichen Kontakt haben können, wie Hände halten, Umarmen und Küssen. In manchen Fällen sind auch intimere Kontakte erlaubt, solange sie nicht zum Koitus führen. Mit dem Koitus wäre nach Meinung der Familien, und meist auch des Mädchens, eine einzuhaltende Grenze überschritten.


Die einzelnen Formen dieser „Verabredungen" sind je nach Gegend, sozialer Schicht und ethnischem Hintergrund sehr unterschiedlich. Darüber hinaus ist in jüngster Zeit eine allgemeine Veränderung im Lebensstil der Jugend zu beobachten. Eine zunehmende Zahl Jugendlicher ist nicht mehr daran interessiert, die beinahe rituellen Vorschriften des „Verabredens", wie es bei ihren Eltern noch üblich war, nachzuahmen. Sie bevorzugen demgegenüber unorganisierte Treffen und Zusammenkünfte. Es ist nicht zu leugnen, dass die traditionelle Form des „Verabredens" eine Vielzahl unerfreulicher Aspekte hatte, in manchen Fällen sogar den Charakter eines Wettbewerbs annahm, bei dem es um besondere Beliebtheit oder sozialen Erfolg ging. Dies konnte leicht zur Geringschätzung des Partners führen - statt zum besseren Verstehen zwischen den Geschlechtern -, mit dem man sich nicht mehr um seiner selbst willen, sondern zur eigenen Bestätigung traf. Es kann sehr wohl sein, dass junge Menschen zukünftig versuchen, neue und inhaltsvollere Formen des Kontaktes und des Sich-Treffens zu finden. In der einen oder anderen Form wird jedoch wahrscheinlich der Brauch des Rendezvous überleben, da er einige sehr brauchbare Zwecke erfüllt: Er gibt Jungen und Mädchen Gelegenheit, sich zu treffen, stärkt ihr Selbstvertrauen und entwickelt ihren Sinn für Höflichkeit und gutes Benehmen und kann helfen, den passenden Partner zur Ehe zu finden.


Manche Jungen und Mädchen fürchten sich vor der ersten Verabredung, weil sie nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen. Sie fürchten, in eine peinliche Situation zu geraten und so die Achtung ihres Partners zu verlieren. Dieses Problem ist dadurch zu lösen, dass man sich paarweise oder in Gruppen trifft. Wenn mehrere Jungen und Mädchen zusammen ausgehen, fällt es ihnen leichter, sich zu unterhalten und peinliche Augenblicke zu überbrücken, Wenn sie erst einmal etwas Erfahrung gesammelt haben, bereitet ihnen eine Verabredung zu zweit kaum noch Schwierigkeiten.


Bei Verabredungen lernen Jungen und Mädchen eine Menge übereinander, und das hilft ihnen gleichzeitig, sich selbst besser zu verstehen. Sie entdecken dann zum Beispiel, dass sie mit Partnern ganz unterschiedlichen Charakters zurechtkommen können. Darüber hinaus können sie lernen zu akzeptieren, dass sie nicht jeder mag, dass dies aber kein Grund zur Beunruhigung sein muss, Mit gelegentlicher Zurückweisung umgehen zu können, ist eine


wichtige Eigenschaft von Erwachsenen. Sie können auch lernen, dass manche Menschen sie mögen, weil sie sind, wie sie sind und nicht, wie sie zu sein vorgeben. Diese Erfahrung kann sie vor vielen grundlosen Befürchtungen bewahren und ihnen helfen, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein.


Nach einer gewissen Zeit kommen manche jungen Paare zu dem Entschluss, „feste Freunde" zu werden. Sie treffen keine anderen Partner mehr und verbringen einen Großteil ihrer Freizeit gemeinsam. Eine solche Entscheidung hat Vor- und Nachteile, die man berücksichtigen muss. Für eine solche feste Beziehung spricht eindeutig, dass sie emotionale Sicherheit bietet. Junge und Mädchen brauchen sich wegen ihrer Verabredungen keine Sorgen mehr zu machen, sie wissen, dass ihr Partner für sie da ist. Andererseits hindert sie ein festes Verhältnis möglicherweise daran, interessante und bereichernde Erlebnisse zu haben. Es könnte vielleicht dazu führen, einen noch besseren Partner zu versäumen. Für und Wider müssen von den Jugendlichen selbst beurteilt werden. Erfahrene Erwachsene können ihnen jedoch vielleicht zu verstehen geben, dass es in der Regel besser ist, sich nicht zu früh festzulegen.


Menschen, die eine feste Beziehung haben, wissen oft nicht, wie weit sie in ihren körperlichen Beziehungen gehen können. Es gibt nur wenige Eltern, die es gerne sehen, wenn ihr heranwachsender Sohn oder ihre heranwachsende Tochter Koitus haben. Andere Formen sexuellen Kontaktes wie das „Petting" werden jedoch oft toleriert und manchmal sogar unterstützt. „Petting" oder „Necking" bedeuten nicht für alle Jugendlichen dasselbe, und die Begriffe klingen heute schon ziemlich verstaubt und überholt. Ursprünglich bezeichnete man damit Liebkosungen, die den „richtigen Geschlechtsverkehr" vermieden. („Necking" bezog sich gewöhnlich nur auf Gesicht und Brüste, „Petting" auf den ganzen Körper einschließlich der Geschlechtsorgane; intensives Petting bedeutete auch, dass man zum Orgasmus kam. Die Absicht dabei war immer die gleiche: die „Jungfräulichkeit" des Mädchens zu bewahren.)


Es gibt immer noch viele Männer (wenngleich ihre Zahl wohl geringer wird), die darauf bestehen, nur ein jungfräuliches Mädchen zu heiraten. Leider ist der Begriff der „Jungfräulichkeit" nicht so einfach zu definieren, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. In der Vergangenheit benutzte man das Wort „Jungfrau", um ein Mädchen oder eine Frau zu bezeichnen, die noch keinen Geschlechtsverkehr hatte und also sexuell „unschuldig" war. Als Beweis hierfür galt ein intakter Hymen (die dünne Membran, die sich über den Scheideneingang spannt). Heute wissen wir, dass ein solcher Beweis nicht zwingend ist, da der Hymen nicht nur durch Geschlechtsverkehr zerstört werden kann, sondern auch durch Masturbation oder bei bestimmten Sportarten. In manchen Fällen fehlt der Hymen ganz. Darüber hinaus ist der Hymen bei manchen Mädchen so dehnbar, dass sie Koitus haben können, ohne dass er zerreißt. Es gibt auch Mädchen, die ihre Jungfräulichkeit „technisch" erhalten, indem sie Koitus vermeiden und dafür oralen und analen Geschlechtsverkehr ausüben. (Die Franzosen bezeichnen solche Mädchen als „demi-vierges", Halb-Jungfrauen.)


Angesichts dieser Tatsachen ist das traditionelle Bestehen auf dem intakten Hymen ziemlich unsinnig. Im Grunde genommen ist es ein Relikt aus früheren Zeiten, als ein Mann seine Braut wie einen Gegenstand einkaufte und einen körperlichen Beweis dafür verlangte, dass sie „unbeschädigt" sei. Wie wir jedoch gesehen haben, beruht diese Forderung auf falschen Voraussetzungen. Andererseits scheint eine Neudefinition der Jungfräulichkeit auch keinen Sinn zu haben. Das wird besonders dann klar, wenn man diese Bezeichnung auf Männer anwendet, wie man das heute manchmal tut. Zu welchem Zeitpunkt verliert ein Junge seine „Jungfräulichkeit"? Wenn er seinen ersten Orgasmus hat? Wenn er zum erstenmal im Schlaf ejakuliert? Wenn er zu masturbieren beginnt? Wenn er mit anderen Jungen gemeinsam masturbiert? Wenn er, während er ein Mädchen streichelt und küsst, einen Orgasmus hat? Oder bei seinem ersten Koitus? Eine Antwort darauf kann nur willkürlich sein.


Wie diese Beispiele zeigen, endet die Diskussion um Jungfräulichkeit oft in technischer Haarspalterei. Wesentlich sinnvoller scheint es, diese Angelegenheit von einem anderen Standpunkt aus zu betrachten. Statt sich über die Unterschiede zwischen Necking, Petting, versuchtem und vollendetem Geschlechtsverkehr den Kopf zu zerbrechen, sollte man jungen Menschen lieber raten, Gefühl und Motive kritisch prüfen zu lernen. Denn ein Junge kann schon zu weit gehen, wenn er ein Mädchen küsst, obwohl er weiß, dass sie dazu noch nicht bereit ist und dass es sie verwirrt. Was zählt, ist also nicht die Art sexueller Aktivität, sondern die Absicht, die dahinter steckt.


Man muss sich auch vergegenwärtigen, dass nicht jeder die gleichen sexuellen Bedürfnisse hat und dass manche Menschen sehr wohl ohne Sexualität leben können. Jugendliche sind oft noch zu sehr auf sich selbst bezogen, um solche individuellen Unterschiede zu respektieren. Darüber hinaus kann es sein, dass sie sich ihre gleichaltrige Bezugsgruppe als Vorbild nehmen und versuchen, „alles" zu erreichen, weil sie gehört haben, dass „es schließlich jeder tut". Selbstverständlich gibt diese Art von Zwang manchen Jungen und Mädchen das Gefühl, sie seien unzulänglich oder schwach, weil sie es den anderen nicht gleichtun. Konformität ist jedoch nie eine gute Basis für persönliche Reifung gewesen, und die Konformität in sexuellen Dingen ist hiervon nicht ausgenommen. Jede Form von Geschlechtsverkehr ist ein Mittel der Kommunikation zwischen Menschen. Aus diesem Grunde müssen deren in-


dividuelle Bedürfnisse, Wünsche, Hoffnungen und Ängste in erster Linie berücksichtigt werden. Wenn ein Junge zum Beispiel entdeckt, dass seiner Freundin weniger an Koitus als an menschlicher Wärme, Verständnis, Zärtlichkeit und Empfindsamkeit liegt, dann sollte er versuchen, solche Eigenschaften zu entwickeln. Nur dann kann er erwarten, dass seine Freundin von sich aus Anstrengungen machen wird, auch seine Wünsche zu erfüllen. Das bedeutet: eine intime, persönliche Beziehung verlangt wechselseitiges Entgegenkommen und gemeinsame Verantwortung.


So betrachtet, ist jede Form und jedes Ausmaß sexuellen Kontaktes auf seine Art inhaltsvoll und lohnend. Ein junges Paar kann für eine Zeitlang mit wenigen, einfachen Zärtlichkeiten vollauf zufrieden sein. Wenn sie sich dann aneinander gewöhnt haben, können sie nach und nach zu intimeren Formen der Liebe kommen, ohne sich unbedingt mit anderen vergleichen zu müssen oder wegen abstrakter Regeln und Vorschriften in Sorge zu geraten. Eine solche überlegte und individuelle Einstellung zur Sexualität gibt Jungen und Mädchen die Freiheit zu wählen und die Möglichkeit, sich besonnen zu entscheiden. Wenn sie erst einmal gelernt haben, einander als Persönlichkeiten zu achten, sind sie sehr viel besser auf die Entscheidung über den Koitus vorbereitet.


Koitus (als das Einführen des Penis in die Vagina) ist die einzige Form des Geschlechtsverkehrs, die zu einer Befruchtung führen kann. Daraus entsteht für das junge Paar ein hohes Maß an Verantwortung, da eine ungewollte Schwangerschaft sehr ernste Folgen haben kann, besonders für das Mädchen. In unserer Gesellschaft sind unverheiratete Mütter und nichteheliche Kinder nach wie vor erheblicher öffentlicher und privater Diskriminierung ausgesetzt. Ein Schwangerschaftsabbruch ist auch unter den günstigsten Umständen immer eine schlimme Erfahrung. Auch der Entschluss, ein Kind zur Adoption freizugeben, ist keinesfalls eine erfreuliche Entscheidung. Und die einzige andere Lösung, die frühe „Muss"-Ehe, kann die mit Abstand schlechteste Lösung sein.


Wie bereits erwähnt, können Jungen auch nach der ersten Ejakulation noch eine Weile unfruchtbar sein. Bei Mädchen kann diese Sterilität sogar noch Jahre nach der ersten Menstruation bestehen. Darauf sollte sich jedoch niemand verlassen. Viel sicherer ist es für Jugendliche, davon auszugehen, dass sie fruchtbar sind, sobald sie die Pubertät erreicht haben. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollten sie auch in angemessener Form über Verhütungsmethoden unterrichtet werden. Zum Glück vermitteln heute viele Eltern, Schulen und kirchliche Einrichtungen jungen Menschen die notwendigen Informationen. Daneben bieten Einrichtungen wie „Pro Familia" in fast allen Städten Hilfen an. Unter diesen Umständen müssen verantwortungsbewusste Jugendliche das Risiko einer unerwünschten Schwangerschaft nicht mehr eingehen.


Ein weiterer Punkt, den es zu berücksichtigen gilt, ist die Gefährdung Jugendlicher durch Geschlechtskrankheiten. Obwohl Geschlechtskrankheiten natürlich auch durch oralen oder analen Geschlechtsverkehr - in seltenen Fällen auch durch Küssen - übertragen werden, findet die Übertragung der Erreger am häufigsten durch Koitus statt. Geschlechtskrankheiten sind unter jungen Leuten heute leider nicht selten, und sie nehmen eher zu. Daher sollten alle Jugendlichen über die Symptome, Behandlungsmethoden und Vorbeugung von Gonorrhoe, Syphilis und Herpes möglichst genau Bescheid wissen. (Vgl. a. Kap. 5.5 „Die Geschlechtskrankheiten".)


Ein weiteres Problem ist die oftmals repressive, angstgeladene Atmosphäre, in der Jugendliche miteinander Geschlechtsverkehr haben müssen. Solange junge Menschen bei ihren Eltern oder in Studentenheimen leben, besteht selten die Möglichkeit zu wirklicher Intimität. Ihre ersten Erfahrungen beim Koitus werden so leicht zu gehetzten, frustrierenden und letztendlich enttäuschenden Erlebnissen. Religiöse Verurteilung und die starke gesellschaftliche Missbilligung der Sexualität vor der Ehe lösen häufig schwere Schuldgefühle aus. Auch muss daran erinnert werden, dass Jugendliche beiderlei Geschlechts auch Verkehr aus nicht-sexuellen Beweggründen haben: um ihre Partner zu beeinflussen, sie zu verletzen oder zu erniedrigen. Ein solches Verhalten führt zu Misstrauen und seelischer Not; es verurteilt sich daher von selbst.


Abschließend sei noch einmal gesagt, dass viele Jugendliche alle Formen des sexuellen Kontaktes, einschließlich des Koitus, haben und dass dies für sie keineswegs negative Folgen haben muss. Im Gegenteil, wer damit in reifer und verantwortungsvoller Weise umgeht, kann eine starke und glückliche Partnerbeziehung haben. Es gibt auch wenig Zweifel, dass beide Geschlechter ihre sexuellen Fähigkeiten am besten erproben und sich aneinander gewöhnen können, solange sie noch jung sind. Deshalb kann man den frühen regelmäßigen Koitus als eine ausgezeichnete Vorbereitung auf die Ehe ansehen.


Alles in allem gibt es also nicht nur Argumente gegen, sondern auch für einen unreglementierten Geschlechtsverkehr unter Jugendlichen. Es ist letzten Endes ihre eigene Entscheidung. Den Erwachsenen bleibt nur zu hoffen, dass sie diese Entscheidung im Bewusstsein aller damit verbundenen Konsequenzen treffen.


Sexueller Kontakt mit Erwachsenen


Zu allen Zeiten hat es Geschlechtsverkehr zwischen Partner sehr unterschiedlichen Alters gegeben. Über Jahrtausende hinweg heirateten Männer mittleren Alters sehr junge Mädchen, und Jungen, die gerade in die Pubertät gekommen waren, wurden häufig von erfahrenen älteren Frauen in die „Kunst der Liebe" eingeführt. Bei vielen Naturvölkern ist dies heute noch üblich, Sie kennen keine Jugendlichen in unserem Sinne, denn sie geben ihren Kindern den Status von Erwachsenen, sobald sie zur Fortpflanzung fähig sind. Ihr Status verändert sich damit relativ abrupt, der Wechsel wird meist in einem magischen Zeremoniell oder mit Initiationsriten gefeiert. Diese Riten können bereits sexuelle Kontakte mit Erwachsenen einschließen. Mädchen werden beispielsweise von einem Priester oder dem Häuptling „defloriert", Jungen können „passive" Partner beim Analverkehr mit älteren Mitgliedern des Stammes sein. Eine Abwandlung dieses zuletzt genannten Brauches finden wir auch im klassischen Griechenland, wo ein männlicher Jugendlicher manchmal eine sexuelle Beziehung zu einem Mann aufnahm, der dann sein geistiger Mentor wurde. Ähnliches gab es auch in einigen traditionellen asiatischen Gesellschaften. In jüngerer Zeit herrschte in Ländern des Mittelmeerraums und Lateinamerikas oft der Brauch, dass heranwachsende Jungen durch einen Besuch bei Prostituierten „zu Männern" gemacht wurden.


In den letzten 200 Jahren sind jedoch die meisten westlichen Gesellschaften zu der Auffassung gelangt, körperliche reife Jugendliche seien vor sexuellem Kontakt mit älteren Personen zu schützen. Viele Länder haben deshalb gesetzliche Altersgrenzen für sexuelle Beziehungen festgelegt. Das bedeutet, dass außerhalb der Ehe ein Erwachsener mit Minderjährigen keinen Geschlechtsverkehr haben darf. Das Alter, in dem ein Minderjähriger zu einem Erwachsenen wird, ist von Land zu Land unterschiedlich definiert.


In der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich macht sich ein Erwachsener strafbar, wenn er mit einem Jungen oder Mädchen unter 14 Jahren Geschlechtsverkehr ausübt. In der Schweiz ist diese Altersgrenze 16 Jahre. Diese Bestimmungen werden jedoch durch zusätzliche Bestimmungen über die „Verführung Minderjähriger" (Altergrenze für Mädchen: 16 Jahre) und „homosexuelle Handlungen" (Altersgrenze für junge Männer: 18 Jahre) ergänzt. Ausnahmen werden gestattet, wenn es sich um ein echtes Liebesver-


hältnis (zum Beispiel zwischen einem 18jährigen Jungen und einem 13jähri-gen Mädchen) handelt. In solchen Fällen kann das Gericht das Strafmaß erheblich herabsetzen oder auf eine Bestrafung verzichten. (Weitere Informationen hierzu im Kap. 10.2 „Legal - illegal".)


Jungen und Mädchen, die mit ihrer eigenen Sexualität vertraut sind und die verschiedene Arten von Verhütungsmethoden kennen, können nicht so leicht von Erwachsenen ausgenutzt werden. Wo Geschlechtsverkehr zwischen Jugendlichen und älteren Menschen dennoch Probleme aufwirft, kann oft eine Beratung helfen. Anders als starre Rechtsvorschriften kann eine Beratung auf die besondere Lage jedes Falles eingehen und so verhindern, dass Personen oder Handlungen in ein falsches Licht geraten. Wenn sich zum Beispiel ein junges Mädchen in ihren Lehrer verliebt oder sie ein Verhältnis mit einem Mann mittleren Alters anfängt, kann ein persönliches offenes Gespräch mit einem außenstehenden Berater sinnvoll sein.


Beratungen können auch dazu beitragen, Missverständnisse und unnötige Ängste auszuräumen. Viele Eltern sind zum Beispiel in großer Sorge, ihr heranwachsender Sohn oder ihre Tochter könnten infolge der Verführung durch einen erwachsenen Homosexuellen selbst homosexuell werden. Nach den meisten wissenschaftlichen Erkenntnissen ist dies jedoch zu bezweifeln. Vereinzelte sexuelle Handlungen in der Jugend scheinen die spätere sexuelle Orientierung durchaus nicht festzulegen; es kann lediglich sein, dass eine solche Orientierung bereits besteht, die sich früher oder später - auch ohne diese Jugenderfahrung - manifestiert hätte. Darüber hinaus bestätigt die überwiegende Mehrzahl der Homosexuellen selbst, dass eine „Verführung" für ihre eigene Entwicklung nicht entscheidend gewesen ist. Einige wenige homosexuelle Handlungen (mit Erwachsenen oder anderen Jugendlichen) sind also weder unbedingt Ursache noch Symptom einer homosexuellen Orientierung.


 

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