Sexueller Kontakt mit Tieren

7.4 Sexueller Kontakt mit Tieren


Die Mythen und Volkssagen vieler Kulturen enthalten Hinweise auf Geschlechtsverkehr zwischen Menschen und Tieren, zum Beispiel mit Bären, Wölfen, Pferden, Schlangen und Krokodilen. Sehr oft wurden diese Tiere zu Objekten unerwarteter menschlicher Neigungen; aber die Erzähler der griechischen und römischen Antike wissen auch von Fällen zu berichten, in denen ein Tier die Initiative ergriff. So war nach einer berühmten Erzählung von Aelian ein Delphin in Liebe zu einem schönen Knaben entbrannt, den er nach heftigem Werben zu seinem Liebhaber machte. Auch glaubten die Griechen, dass ihr oberster Gott, Zeus, gelegentlich die Form eines Tieres annahm, um die sexuelle Gunst einer für ihn sonst unerreichbaren Frau zu gewinnen. So hat er sich nach der Sage der Europa als Stier und der Leda als Schwan genähert. Aus der griechischen Mythologie wissen wir auch, dass Pasiphae, die Königin von Kreta, sich von einem Stier begatten ließ und danach den Minotaurus gebar, ein menschliches Ungeheuer mit einem Stierkopf, Ähnliche Geschichten werden von verschiedenen Naturvölkern Asiens, Afrikas und Amerikas erzählt. Zum Beispiel glaubten bestimmte Eskimostämme, dass die weiße menschliche Rasse ihren Ursprung im Geschlechtsverkehr einer Frau mit einem Hund habe.


Bis heute hat der sexuelle Kontakt zwischen Mensch und Tier immer wieder das Interesse von Malern und Bildhauern gefunden. Einige der größten Meisterwerke in der Geschichte der Kunst sind diesem Thema gewidmet. Interessanterweise wird bei der überwiegenden Mehrheit der Darstellungen eine Frau als menschlicher Teilnehmer des Aktes gezeigt. Darstellung des sexuellen Kontakts von Männern mit weiblichen Tieren sind demgegenüber selten. Das gilt auch heute noch für Vorführungen, die in verschiedenen Ländern auf der Bühne gezeigt werden. Hier sind meist Frauen zu sehen, die mit Hunden, Schweinen oder sogar mit Eseln und Pferden Geschlechtsverkehr haben. Vergleichbare öffentliche Darbietungen mit Männern sind so gut wie unbekannt. Es scheint, dass solche Shows, ähnlich wie Bilder und Skulpturen, hauptsächlich der Befriedigung männlicher Phantasien, nicht der Befriedigung weiblicher Bedürfnisse dienen.
 


Leda und der Schwan

Skulptur aus dem klassischen Griechenland


In unserer Gesellschaft befasst sich besonders das Strafrecht mit sexuellen Handlungen zwischen Mensch und Tier. Schon in der Bibel ist zu lesen, dass bei den Hebräern solche Handlungen streng verboten waren und mit dem Tode bestraft wurden. Der Talmud erlaubte nicht einmal, dass sich eine Witwe einen kleinen Hund hielt, damit sie ihn nicht zu sexuellen Zwecken benutzte. Diese negative Einstellung der Juden wurde später von den christlichen Kirchen übernommen. Dies wiederum beeinflusste die Gesetze der meisten westlichen Länder. In einer paradoxen Wendung der Geschichte wurden diese Gesetze schließlich gegen die Juden selbst verwandt. Einige Theologen des Mittelalters erklärten, der sexuelle Kontakt zwischen einem Christen und einem Juden oder Moslem sei moralisch dem „unnatürlichen" Verkehr mit Tieren gleichzusetzen, „da solche Personen sich in den Augen des Gesetzes und unseres heiligen Glaubens in keiner Weise von den Tieren unterscheiden". Insgesamt galt sexueller Kontakt zu Tieren als schweres Verbrechen. Über das Mittelalter hinaus bis weit in die Neuzeit wurden Männer und Frauen bei lebendigem Leibe begraben, auf dem Scheiterhaufen verbrannt oder gehenkt, wenn sie sexuellen Kontakt zu Tieren hatten. In manchen Fällen wurden die Tiere mit ihnen zusammen exekutiert. In vielen europäischen Ländern und einigen Staaten der USA wurde die Gesetzgebung in den letzten Jahrzehnten liberalisiert. In einigen Staaten wurden Gesetze gegen den sexuellen Kontakt mit Tieren auch vollständig abgeschafft. In manchen Staaten ist allerdings nach wie vor die Höchststrafe lebenslängliche Haft.
 

Zwei Männer beim sexuellen Kontakt mit Tieren


Ausschnitte aus einem indischen Gemälde
des 19. Jahrhunderts.


Lange Zeit fanden diese religiösen und juristischen Traditionen auch in der medizinischen Lehrmeinung ihren Niederschlag. Ein Verhalten, das Vertretern der Kirche und des Gesetzes als sündhaft und kriminell erschien, wurde von Psychiatern bereitwillig als krank bezeichnet. Unzählige psychiatrische Schriften räumen dem Thema ..Sexueller Kontakt mit Tieren" breiten Raum ein. Er wurde als ein Symptom von „Verwirrung", „Geistesschwäche", „Anomalie" oder „Perversion" betrachtet. Was Kirche und Staat „Sodomie" oder „Verbrechen wider die Natur" genannt hatten, bemühten sich jetzt Psychiater als „Zoophilie" oder „Bestialität" zu verurteilen und als Geisteskrankheit zu interpretieren.


Heute, nachdem man die Häufigkeit sexueller Kontakte zwischen Mensehen und Tieren in umfangreicheren Studien statistisch beschreiben konnte, erscheint es verwunderlich, dass kirchliche, juristische und psychiatrische Experten sich die Mühe gemacht haben, dem Thema solche Aufmerksamkeit zu schenken. Wir wissen heute, dass diese Art sexueller Handlungen sehr ungewöhnlich ist. Bei Männern und bei Frauen sind diese Handlungen so selten, dass sie von keiner wirklichen sozialen Bedeutung sind. Deshalb müssen wir davon ausgehen, dass die strenge soziale Verurteilung ursprünglich nur eine symbolische religiöse und moralische Zielsetzung verfolgte.


In den meisten Ländern kommt es - wenn überhaupt - überwiegend in ländlichen Gegenden zu sexuellem Kontakt zwischen Mensch und Tier. Ein Junge, der auf einem Bauernhof heranwächst, kann Tieren beim Begatten zuschauen und so selbst angeregt werden, dies zu imitieren. Er kann versuchen, Koitus mit Kälbern, Ponys, Schafen, Schweinen, Hunden oder gar mit Enten und Hühnern zu praktizieren. Gewöhnlich wiederholen sich derartige Versuche nur selten, es kann jedoch in wenigen Ausnahmefällen zu einer sexuellen Beziehung zwischen dem Jungen und einem bestimmten Tier kommen. Dabei ist der Koitus nicht die einzig mögliche Form des sexuellen Kontakts. Manche Jungen masturbieren ein Tier auch nur (wie es Bauern tun, um Samenflüssigkeit für die künstliche Befruchtung zu bekommen), oder sie lassen sich von dem Tier Penis oder Anus lecken. Mädchen und Frauen bedienen sich ähnlicher Techniken, wenngleich sexueller Kontakt zu Tieren bei Frauen noch seltener ist als bei Männern.


Wenn sexueller Verkehr zwischen Menschen und Tieren auch relativ selten ist, zwischen Tieren unterschiedlicher Spezies kommt er häufiger vor. In einigen Fällen (bei Pferd und Esel oder Löwe und Tiger) kann diese Begattung verschiedener Spezies sogar zur Zeugung von (allerdings unfruchtbaren) Nachkommen fuhren (Maulesel und Liger). Der Mensch hat demgegenüber keine so engen natürlichen Verwandten unter anderen höheren Säugetieren, so dass sexueller Kontakt schon aus diesem Grund nur selten stattfindet. Dieser Kontakt kann darüber hinaus natürlich weder beim Menschen noch beim Tier zur Schwangerschaft fuhren.


Es ist anzunehmen, dass Rechtsprechung und Medizin in Zukunft dem sexuellen Kontakt zwischen Mensch und Tier sehr viel weniger voreingenommen gegenüberstehen werden. Solange das Tier nicht verletzt oder misshandelt wird, besteht eigentlich keine Notwendigkeit des Einschreitens. Es ist auch nicht sinnvoll, solche vereinzelten Handlungen zu psychiatrisieren. Nur Männer und Frauen, die Tiere einem menschlichen Partner für immer vorziehen, kann man als sexuell gestört bezeichnen. Wie in anderen Fällen problematischen Sexualverhaltens kann man auch hier nur raten, die Hilfe von Fachleuten in Anspruch zu nehmen. (Vgl. a. Kap. 8.3 „Problematisches Sexualverhalten".)


 
 

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