Die Zeit nach der Entbindung

4.3.2 Die Zeit nach der Entbindung


Mutter und Kind sind nach der Entbindung erschöpft und brauchen zunächst Ruhe. Obwohl die meisten Frauen nach wenigen Tagen wieder aufstehen und das Krankenhaus verlassen können, benötigen sie noch einige Zeit, um wieder zu Kräften zu kommen und sich an ihre neue Rolle als Mutter zu gewöhnen. Einige Aspekte dieses Prozesses werden im folgenden erörtert.


Das Wochenbett


In den Wochen nach der Geburt bildet sich der Uterus langsam wieder zu seiner vorherigen Größe zurück. Während dieser Zeit löst sich auch die Uterusschleimhaut ab und wird ausgestoßen. Diese Ausscheidung (der „Wochenfluss") ist zunächst dickflüssig und blutig, wird dann aber dünnflüssig und gelblich oder weißlich, bis nach etwa drei Wochen alle abgestoßenen Gewebe ausgeschieden sind. Nach sechs Wochen hat der Uterus seine ursprüngliche Form wiedergewonnen. Dieser Prozess kann durch körperliche Übungen entscheidend unterstützt werden, die sich auch auf andere Beschwerden dieser Zeit, wie Appetitlosigkeit und Verdauungsstörungen, günstig auswirken.


Bei manchen Frauen kann es zu leichten Depressionen kommen. Sie sind dann sehr sensibel und reizbar und weinen oft ohne ersichtlichen Grund. Leider wird diese meist unerwartete Verzweiflung nicht immer so ernstgenommen, wie es notwendig wäre. Viele Menschen können offenbar nicht nachvollziehen, was es bedeutet, wenn zu den körperlichen Anstrengungen der Geburt die weiteren Belastungen der neuen Mutterrolle hinzutreten. Diese Eindrücke können so überwältigend sein, dass sich die Frau dem allen plötzlich nicht mehr gewachsen fühlt. Ob man es wahrhaben will oder nicht, eine Elternschaft bringt starke Veränderungen des Lebens im Sinn einer echten Krise mit sich. Aber wie in jeder Krise bietet auch sie eine Gelegenheit zur persönlichen Reifung. In dieser Situation kann die Familie der jungen Mutter eine große Stütze sein, vor allem aber ihr Partner. Es ist dies eine der Gelegenheiten, in denen gegenseitiges Verständnis der Partner von unschätzbarem Wert ist.


Das Stillen


Unmittelbar nach der Geburt beginnen die Brustdrüsen der Mutter zunächst, eine wässrige Flüssigkeit zu produzieren, die man Kolostrum nennt und die auf den Säugling in besonderer Weise schützend wirkt. Nach etwa drei Tagen bildet sich dann die normale Muttermilch. Die Milchproduktion heißt in der Fachsprache Laktation (von lat. lac: Milch). Hat eine Frau sich entschieden, ihr Kind zu stillen, und liegen keine körperlichen Hemmnisse vor, wird die Milchproduktion über viele Monate anhalten.


Es ist ganz natürlich, dass eine Frau durch das Saugen des Kindes an ihrer Brust sexuell erregt wird. Dies ist kein Grund, beunruhigt oder ängstlich zu sein. Im Gegenteil, sie sollte diese Erfahrung begrüßen, da sie eine wichtige körperliche und psychische Funktion hat.


Bei den meisten Frauen kommt es in den ersten Monaten nach der Geburt infolge hormoneller Veränderungen nicht zur Ovulation (und entsprechend auch nicht zur Menstruation). Während dieser Zeit kann also auch keine erneute Befruchtung stattfinden. Man sollte sich jedoch keineswegs auf diesen „natürlichen Schutz" verlassen. Das Stillen ist kein Ersatz für Empfängnisverhütung,


Geschlechtsverkehr nach der Entbindung


Manche Frauen benötigen nach der Geburt eines Kindes eine gewisse Zeit, bis sie wieder sexuell ansprechbar sind. Herkömmlicherweise wird deshalb jungen Eltern geraten, den Koitus für mindestens sechs Wochen nach der Geburt zu vermeiden. Nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen sollte man diese Regel aber nicht verallgemeinern, sondern jeden Fall individuell entscheiden. Sehr oft kann schon wesentlich früher wieder Geschlechtsverkehr stattfinden, ohne dass es der Frau in irgendeiner Weise schadet. Vom rein medizinischen Standpunkt aus kann der Geschlechtsverkehr wieder aufgenommen werden, sobald die Blutungen aus dem Uterus aufgehört haben und alle Wunden verheilt sind. Ein leicht bräunlicher Ausfluss ist kein Hinderungsgrund.


Umfassende Kommunikation (auch sexueller Art) zwischen den Eltern ist natürlich auch für das neugeborene Kind sehr wichtig. Trotzdem sollten die persönlichen Gefühle und Wünsche der Frau in dieser Zeit an erster Stelle stehen.


 

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