Die inneren Geschlechtsorgane

2.1.2 Die inneren Geschlechtsorgane


Die männlichen inneren Geschlechtsorgane bestehen aus den Hoden, die Hormone und Samenzellen produzieren, einem Netz von Kanälen, die Samenzellen transportieren und speichern, sowie weiteren zusätzlichen Organen, deren Sekrete Bestandteile der Samenflüssigkeit sind.


Die Hoden


Die Hoden (die männlichen Geschlechtsdrüsen oder Gonaden) werden während der Entwicklung des Embryos innerhalb der Bauchhöhle herangebildet. Sie senken sich jedoch gewöhnlich noch vor der Geburt des Kindes in den Hodensack ab. Beim geschlechtsreifen Mann sind die Hoden zwei ovale Körper von etwa 4 cm Länge, die in zwei getrennten Hüllen im Skrotum, außerhalb der Bauchhöhle, hängen. Obwohl beide Hoden ungefähr die gleiche Größe haben, hängt der linke gewöhnlich etwas tiefer, wodurch er größer wirken kann. Die Hoden haben eine doppelte Funktion:


• Sie produzieren die Samenzellen (Spermien), die durch ein System von Kanälen weitertransportiert und schließlich ejakuliert werden;


• sie produzieren Hormone, die unmittelbar in die Blutbahn abgegeben werden.


Die Produktion von Samenzellen


Ein Hoden besteht aus Hunderten von kleinen Abteilungen, die dichtgedrängte haarfeine Kanälchen enthalten. In diesen Hodenkanälchen findet die Spermienbildung (die Spermatogenese) statt. Dieser Prozess beginnt beim männlichen Geschlecht mit der Pubertät und hält das ganze Leben lang an. Die Bildung von Spermien vollzieht sich in drei Schritten:


1. Die erste Stufe beginnt mit den Zellen, die die Innenauskleidung der Hodenkanälchen bilden. Diese Zellen heißen Spermatogonien oder Ursamenzellen und besitzen, wie jede andere Zelle des Körpers, 46 Chromosomen, einschließlich eines X- und eines Y-Chromosoms. Durch Zellteilung entstehen aus diesen Ursamenzellen zwei identische Tochterzellen. Eine dieser Zellen tritt an die Stelle der alten Zelle. Die andere wandert in die Mitte des Kanals und wird dann „Primärspermatozyt" genannt.


2. Die Primärspermatozyten teilen sich nicht wie andere Zellen, sondern in der Weise, dass zwei neue Zellen mit je 22 Chromosomen und einem X- oder einem Y-Chromosom entstehen (Reduktionsteilung). Die zwei entstehenden neuen Zellen werden „Sekundärspermatozyten" genannt, sie enthalten jeweils nur den halben Chromosomensatz einer normalen Zelle, nämlich 23 statt 46 Chromosomen.


3. Die Sekundärspermatozyten wandern weiter zum Zentrum des Kanals und vollziehen eine normale Zellteilung, das heißt, sie verdoppeln sich. Die vier entstehenden Zellen werden „Spermatiden" genannt. Diese Spermatiden verändern ihre Form, bilden einen langen Schwanz aus (die Geißel) und werden so zu einer reifen Samenzelle. Für alle drei Stufen der Entwicklung werden insgesamt 64 Tage benötigt. Aus dem beschriebenen Verlauf wird deutlich, dass zwei Varianten der Samenzellen entstehen: eine, die ein X-Chromosom enthält (neben 22 weiteren Chromosomen), und eine andere, die ein Y-Chromosom enthält (neben 22 weiteren Chromosomen). Bei einer Befruchtung wird durch das X-Chromosom ein Mädchen gezeugt, durch das Y-Chromosom ein Junge (vgl. a. Kap. 4.1 „Die Empfängnis").


Die Produktion von Hormonen


Wie oben beschrieben, produzieren männliche und weibliche Gonaden (Hoden und Eierstöcke) auch Hormone. Diese Gonadenhormone werden in männliche Hormone (Androgene) und weibliche Hormone (Östrogene) eingeteilt. Diese Bezeichnung darf allerdings nicht missverstanden werden, da sowohl die „männlichen" als auch die „weiblichen" Hormone in jedem männlichen und jedem weiblichen Körper vorkommen. Nur die Menge dieser Hormone ist unterschiedlich. Vor der Pubertät sind die Androgen- und Östrogenspiegel bei Jungen und Mädchen fast gleich hoch. Während der körperlichen Reifung verschiebt sich dieses Gleichgewicht: Im männlichen Körper steigt der Androgenspiegel etwas höher als der Östrogenspiegel, im weiblichen Körper steigt der Östrogenspiegel sehr viel höher als der Androgenspiegel.


Dieser Androgenanstieg beim männlichen Geschlecht während der Pubertät bewirkt die Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale, ähnlich wie die erhöhte Östrogenbildung beim weiblichen Geschlecht. Über die Rolle, die Hormone im menschlichen Körper spielen, bleibt noch viel zu forschen. Es gibt jedoch heute schon einige grundlegende Tatsachen, die als gesichert gelten können:


Während die Gonadenhormone zur körperlichen Reifung von jungen Menschen eine notwendige Voraussetzung sind, sind sie für die sexuelle Aktivität von Erwachsenen nicht unabdingbar. Das bedeutet, dass Gonadenhormone für das männliche und weibliche Geschlecht während des Heranwachsens notwendig sind, damit diese sich sexuell vollständig entwickeln. Ist diese Entwicklung jedoch einmal vollzogen, sind die Hormone für die sexuellen Funktionen nicht unentbehrlich. Seit langem ist bekannt, dass Frauen, deren Ovarien in der Menopause ihre Funktion vermindern, keine entsprechende Veränderung ihrer sexuellen Reaktion empfinden. Bezogen auf Männer, die beispielsweise infolge einer Kastration keine Gonadenhormone produzieren können, ist dies längst nicht so allgemein bekannt. Es gibt immer noch Länder, in denen erwachsene Männer kastriert werden in der Vorstellung, sie dadurch „von ihrem Trieb zu befreien". Die zugrundeliegende Annahme ist jedoch irrig. (Vgl. a. Kap. 1.2 „Die Bedeutung der Hormone".)


Das System der Genitalkanäle


Die in den Hoden produzierten Spermien werden bis zu dem Punkt, wo sie aus dem Körper ausgeschieden werden, durch ein System von Kanälen transportiert. Diese Kanäle sind paarweise angelegt und bestehen der Reihe nach aus: Nebenhoden (Epididymis), Samenleiter (Vas deferens) und Samenaus-


führungsgang. Sie führen von den Hoden bis in die Bauchhöhle und münden in die Harnröhre. Die Harnröhre ist also ein gemeinsamer Gang, durch den zu verschiedenen Zeiten Harn und Samen ausgeschieden werden.


Die Nebenhoden (Epididymides)


Die Samenzellen, die in den Hodenkanälchen ständig produziert werden, wandern in Sammelgänge, die an der Oberfläche des Hoden liegen. Diese Sammelgänge heißen Epididymides (Einzahl: Epididymis). Jeder von beiden ist insgesamt etwa 6 m lang. Da sie jedoch ein dichtes Knäuel bilden, wirken sie nicht größer als die Hoden. Die Samenzellen benötigen mehrere Wochen, um durch diese Sammelgänge hindurchzuwandern. In dieser Zeit entwickeln sie auch die Fähigkeit, sich selbst fortzubewegen.


Die Samenleiter (Vasa deferentia)


Wenn die Samenzellen die Sammelgänge durchwandert haben, erreichen sie einen kürzeren, verhältnismäßig geraden Gang, den Samenleiter (lat.: vas deferens). Dieser Gang führt vom Hodensack bis in das kleine Becken. Der untere Teil des Samenleiters kann durch die Haut des Hodensackes getastet werden. Da man seine Lage so einfach feststellen kann, ist es relativ einfach, ihn mittels Vasektomie zu durchtrennen (vgl. a. Kap. 4.4 „Empfängnisverhütung").


Innerhalb des kleinen Beckens beschreibt jeder der beiden Samenleiter eine weite Kurve bis hinter die Harnblase, vergrößert sich und bildet dann eine Art Beutel, die Ampulla (Plural: Ampullae). Hier werden die Samenzellen bis zur Ejakulation gespeichert. Die Ampullae treffen jede auf einen weiteren Gang, den Ausführungsgang der Samenblase (Vesicula seminalis), und bilden dann jeweils einen relativ kurzen geraden Gang, den Ejakulationsgang. Diese Ejakulationsgänge verlaufen durch die Vorsteherdrüse (Prostata) in die Harnröhre. Die Samenzellen sind, bevor sie die Ejakulationsgänge erreichen, noch relativ unbeweglich. Sie werden nicht so sehr durch die Eigenbewegung, sondern durch Flimmerhaare in der Innenauskleidung der Kanälchen und durch Muskelkontraktionen fortbewegt. Sofort nach der Ejakulation beginnen sie jedoch, sich lebhaft zu bewegen. Dieser plötzliche Wechsel wird durch die Sekrete verschiedener Drüsen verursacht, die zusammen die Samenflüssigkeit bilden. Erst in der Samenflüssigkeit entwickeln die Samenzellen ihre volle Beweglichkeit.


Die Harnröhre (Urethra)


Die Harnröhre ist ein Rohr, das von der Blase bis zur Spitze des Penis führt. (Sie sollte nicht mit den Harnleitern, den Uretern, verwechselt werden, die von den Nieren in die Blase führen.) Beim Mann erfüllt die Urethra zwei wichtige Funktionen; die Ausscheidung von Harn und Samen. (Aufgrund bestimmter Muskeln können Harn und Samen nicht gleichzeitig ausgeschieden werden.) Während der Harn direkt aus der Blase in die Harnröhre kommt, setzt sich die Samenflüssigkeit aus verschiedenen Sekreten zusammen, die durch verschiedene Öffnungen in der Wand der Harnröhre (hauptsächlich nahe der Prostata) in die Harnröhre gelangen.


Zusätzliche innere Geschlechtsorgane


Um nach der Ejakulation zu überleben, benötigen die Spermien eine dicke, nährende und schützende Flüssigkeit, die Samenflüssigkeit. Sie setzt sich aus Sekreten zusammen, die an mehreren Stellen in die Urethra eintreten. Die wichtigsten dieser Sekrete werden von den nachstehend beschriebenen Organen gebildet.


Die Samenblasen (Vesiculae seminales)


Die Samenblasen sind zwei Beutel, die dicht neben den Ampullae hinter der Blase liegen, nahe der Spitze der Prostata. Ursprünglich nahm man an, die Samenblasen seien zum Aufbewahren der neugebildeten Spermien da. Heute ist man jedoch überwiegend der Auffassung, dass ihre Hauptaufgabe darin besteht, eine Flüssigkeit zu produzieren, die zusammen mit dem Prostatasekret die Beweglichkeit der Spermien nach der Ejakulation gewährleistet.


Die Vorsteherdrüse (Prostata)


Die Prostata ist ein fester, runder Körper von der Größe einer Kastanie, sie liegt unmittelbar unter der Blase. Sowohl die Urethra als auch die Ejakulationsgänge führen durch sie hindurch. Die Prostata produziert ständig ein Sekret, das zum Teil mit dem Harn ausgeschieden wird. Es bildet jedoch vor allem den Großteil der Samenflüssigkeit,


Bei manchen älteren Männern vergrößert sich die Prostata und verursacht einen Druck auf den Teil der Harnröhre, den sie umschließt; das kann zu Schwierigkeiten beim Wasserlassen führen. In diesem Fall kann eine chirurgische Entfernung von Teilen der Prostata notwendig werden.


Die Bulbourethraldriisen (Cowper-Drüsen)


Unterhalb der Prostata liegen zwei erbsengroße Drüsen, die bei sexueller Erregung eine klare Flüssigkeit in die Urethra absondern. Oft kann man einen winzigen Tropfen dieser Flüssigkeit schon geraume Zeit vor der Ejakulation am Harnröhrenausgang sehen. Dieser Tropfen kann unter Umständen einzelne Samenzellen enthalten. (Dies wäre eine Erklärung für die seltenen Fälle, in denen es ohne Samenerguss zur Schwangerschaft kommt.)


Die Samenflüssigkeit, die bei einer Ejakulation ausgeschieden wird (meist nicht mehr als ein Teelöffel voll), setzt sich aus Samenzellen und dem Sekret von Nebenhoden, Samenblasen, Prostata und Cowper-Drüsen zusammen. Keines dieser Sekrete enthält irgendwelche schädlichen Substanzen. Wer Samenflüssigkeit versehentlich oder absichtlich verschluckt, muss sich deshalb keine Sorgen machen. Samen ist meist dickflüssig und von grauweißer Farbe, er kann aber auch dünn und wässrig aussehen. Die Menge, Konsistenz und Zusammensetzung der Samenflüssigkeit hängt unter anderem von der Häufigkeit der Ejakulationen ab.


 

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