Fachhochschul-Studiengang Sozialarbeit Linz

  

Sexualität im Strafvollzug -

Möglichkeiten und Grenzen der Justizsozialarbeit

  

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

Magistra (FH) für sozialwissenschaftliche Berufe

 

eingereicht von 

Katrin Pendlmayr

05/1/0106/026

  

Erstbegutachter: DSA Albert Holzbauer

Zweitbegutachterin: Mag.a  Dr.in  Petra Wagner

  

Linz, 22. April 2009


Abstract

 

 

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Sexualität im Strafvollzug. Im Speziellen wird der Rahmenerlass zur Durchführung von Langzeitbesuchen, der Umgang mit diesem im Strafvollzug und die damit zusammenhängenden Aufgaben der Justizsozialarbeit analysiert. Dabei wird auf die sexuelle Gesundheit und die sexuellen Rechte des Menschen eingegangen und die Frage erörtert ob sie sich mit dem Regelinstitut des Strafvollzuges vereinen lassen. Unterstützend zur theoretischen Einführung werden ExpertInnen zu ihren Erfahrungen und Meinungen befragt. Um einen Vergleich zur Situation vor ca. 30 Jahren anstellen zu können, wurde Sonderdiensten ein Fragebogen von Gerhild Heuer (1978) zum Thema Sexualität im Strafvollzug erneut vorgelegt. Abschließend werden die wesentlichen Elemente der Arbeit zusammengefasst und diskutiert.

 

Schlüsselwörter: Sexualität, Strafvollzug, Langzeitbesuch, Familienbesuch, Resozialisierung, Justizsozialarbeit

 

 

This thesis deals with sexuality in the penal system with regards to extended visitation rights, the role of social workers and usual practices on the part of prisons. Furthermore, the degree paper discusses sexual health, sexual rights and whether these are even possible within the current penal system. Supporting the theoretical introduction, experts on the subject are interviewed about their experiences and point of views. For a comparison with the situation 30 years ago, a questionnaire, by Gerhild Heuer (1978), concerning sexuality in the penal system was filled out by current social professionals. The conclusion goes on to reiterate and discuss the main points of the thesis.

 

Key words: sexuality, enforcement of sentence, long term visit, family visit, rehabilitation, social work in prison

 

Inhalt

1   Einleitung
2   Sexualität und Enthaltsamkeit
2.1   Begriffsdefinition
2.2   Sexuelle Gesundheit und die sexuellen Rechte des Menschen
2.3   Sexualität im Strafvollzug
2.4   Enthaltsamkeit und deren Folgen
2.5   Enthaltsamkeit im Strafvollzug
3   Familienbesuchsräume
3.1   Gesetzeslage und Rahmenerlass von Langzeitbesuchen
3.2   bisherige Erfahrungen
4   Sozialer Dienst im Gefängnis
4.1   Aufgaben sozialer Dienste in Justizanstalten
4.2   Soziale Unterstützung und Resozialisierungschancen
5   Methodik
Auswahl der Forschungsmethoden
6   Interviews
6.1   Das Leitfadeninterview als Experteninterview
6.2   Auswahl der Experten
6.3   Ziel der Befragung
7   Fragebogen
Vorbereitung und Durchführung
8   Auswertung und Interpretation der Ergebnisse
8.1   Interviews
8.2   Fragebogen
9   Zusammenfassung
10 Schlusswort
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Interviewverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Eidesstattliche Erklärung
Anhang

Danksagung

 

Ich möchte mich hiermit herzlich bei Herrn DSA Albert Holzbauer für die intensive Begleitung und Betreuung und bei Frau Mag.a Dr.in Petra Wagner für die Zweitbegutachtung dieser Diplomarbeit bedanken.

 

Ein besonderes Dankeschön geht an meine Eltern, meine Großeltern, meine Tanten Romana und Christa, meine Freunde Carmen, Viktoria, Barbara und Lukas die mir immer wieder Mut machten und mich während meines Studiums unterstützten.

 

Für das Korrekturlesen bedanke ich mich bei Markus und meinem Cousin Christoph.


 

„Ja, der geschlossene Vollzug macht die Familie kaputt.

Ich habe echt Angst, innerlich abzusterben!“

(Neutzling zit. nach: Bojack 2007, S. 28)

 

Dieser und ähnliche Kommentare veranlassten mich, mich mit der Problematik der sozialen Kontakte während der Haft näher auseinanderzusetzen. Die Dringlichkeit der Thematik und die Tatsache, dass das Thema Familienbesuche immer wieder aufgeschoben wird, zeigten sich mir auch während meines Praktikums in einer Justizanstalt.

Es interessierte mich, wie sich die Sozialarbeit für dieses Thema einsetzt und wie sie mit dem Thema Familienbesuche arbeitet. Dazu kam die provozierende Auslegung der Familienbesuchsräume in den Medien. Diese wurden als „Kuschelzellen“ verkauft, wodurch eine negative Reaktion der Bevölkerung gesichert war.

Die grundsätzliche gesellschaftliche Intoleranz gegenüber sämtlichen Lockerungen im Strafvollzug, die Verbindung zweier einschlägiger Tabuthemen –Sexualität und Strafvollzug – und die Tatsache, dass sich niemand ernsthaft damit beschäftigt, bestärkte mich in meinem Vorhaben, diese Diplomarbeit zu verfassen.

 

Aufgrund dieser Vorüberlegungen stellten sich für mich folgende Fragen:

 

·         Wie können sexuelle Begegnungen im Rahmen eines Familienbesuches möglich werden und welchen Einfluss haben Familienbesuche auf das Zusammenleben in Haft und auf das Leben nach der Enthaftung?

 

·         Welche Möglichkeiten hat die Justizsozialarbeit bei der Anleitung zur Beziehungspflege von Intimkontakten, an welche Grenzen stößt sie und wie kann dieses Arbeitsfeld unterstützt werden?

Aus dem bisherigen Wissen über Sexualität im Strafvollzug schöpfend ergeben sich die Annahmen, dass sexuelle Begegnungen für Strafgefangene im Rahmen eines Familienbesuches schwer möglich sind, da die konservativ denkende österreichische Gesellschaft es der Justiz und der Politik sehr schwer macht, Neues zu versuchen. Weiters stößt die Justizsozialarbeit im reglementierten Rahmen des Strafvollzuges immer wieder an Grenzen und somit wird keine Soziale Arbeit im Sinne der Ganzheitlichkeit des Menschen möglich.

 

Das erste Kapitel des theoretischen Teiles befasst sich mit dem Thema Sexualität und Enthaltsamkeit. Dabei wird, nach der Definition der wesentlichen Begriffe, näher auf die sexuelle Gesundheit und die sexuellen Rechte des Menschen eingegangen. In diesem Zusammenhang wird aufgezeigt, wie Sexualität im Strafvollzug stattfinden kann, was es heißt, enthaltsam leben zu müssen und welche Folgen dies haben kann.

Im zweiten Kapitel werden die gesetzliche Lage der Besuchsregelungen und der Rahmenerlass zur Durchführung von Langzeitbesuchen erörtert. Es werden bisherige Erfahrungen mit Familienbesuchen in Österreich und Europa vorgestellt.

Im dritten Kapitel der theoretischen Auseinandersetzung wird die Justizsozialarbeit und ihre Aufgaben präsentiert. Weiters wird auf die soziale Unterstützung und auf Resozialisierungschancen eingegangen.

Im zweiten und empirischen Teil der Arbeit werden die Ergebnisse der qualitativen und quantitativen Forschung zusammengefasst, verglichen und diskutiert.

 

Um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen möchte ich vorweg nehmen, dass ich mich bei den Recherchen von Fachliteratur und der Forschung auf den Männervollzug beschränkt habe.


 

 

Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott,

erwarte nur Blödes, Kompliziertes, und du hast schon viel begriffen.

Du hast was angestellt, jetzt wirst du weggesperrt,

jetzt machst du Häfenmatura.

 

Die Gesellschaft ist zufrieden,

Das „BÖSE“ hat einen Namen,

hohe Mauern und Wachtürme signalisieren das recht gut.

 

Ein Richter hat entschieden,

das fällt ihm nicht schwer,

menschliches Strandgut ist Massenware.

Wen kümmerts?“

(Jack Corilon 2000, S.36)


 

 

Theorieteil


 

 

Zu Beginn dieses Kapitels werden für diese Arbeit wichtige Begriffe erklärt. Es wird beschrieben, wie sexuelle Gesundheit durch die WHO definiert wird und was es bedeutet, wenn diese nicht gegeben ist. Danach wird genauer auf das Thema Sexualität und Enthaltsamkeit, speziell im Strafvollzug, eingegangen. Schließlich werden die aus sexueller Enthaltsamkeit resultierenden Folgen aufgezeigt.

 

 

2.1      Begriffsdefinition

 

Sexualität (auch Geschlechtlichkeit) ist eine sehr allgemeine Äußerung des Lebens mit 3 Grundfunktionen:

  1. Die Fortpflanzung: bei allen Lebewesen mit geschlechtlicher Vermehrung.
  2. Beziehung und Kommunikation: bei allen Menschen, allen Primaten und der Mehrheit der höheren Tierarten.
  3. Lustgewinn und Befriedigung: bei Menschen, Menschenaffen und anderen Primaten, bei den übrigen Lebewesen jedoch fraglich.

 

Beim Menschen werden diese Grundfunktionen sehr individuell gelebt, gestaltet und gewünscht. Alle Aspekte der Sexualität sind Gegenstand sozialer Kontrolle, kultureller Ausprägung und Einschränkung. Sie haben Folgen für sämtliche Ebenen des sozialen Zusammenlebens.

Der Begriff Sexualität wird seit ungefähr 200 Jahren wissenschaftlich verwendet, zunächst nur im Rahmen der Botanik und Zoologie, seit Mitte des 19. Jahrhunderts auch in Bezug auf den Menschen.

Obwohl in den Sexualtheorien, verschiedene Definitionen von Sexualität existieren, besteht Einigkeit darüber, dass Sexualität jeden Menschen ein Leben lang begleitet, dass sie mit der Persönlichkeit und deren Entwicklung in sehr individueller Weise verbunden ist, dass sie durch äußere Einflüsse gestaltet wird und dass sie für die meisten Menschen eine zentrale Bedeutung für ihre Befindlichkeit in körperlicher und sozialer Hinsicht hat. Durch die hohe Individualität sind alle sexuellen objektive und allgemeingültigen Kriterien nur eingeschränkt anwendbar. (vgl. Dressler/Zink 2003, S. 485, 487)

 

Als Sexualität gilt die Gesamtheit der mit dem Geschlechtstrieb zusammenhängenden Empfindungen, Bedürfnisse, Verhaltens- und Handlungsweisen.

(http://services.langenscheidt.de/fremdwb/fremdwb.html, Stand: 20.3.09)

 

Die Genitalität die Entwicklungsstufe der Sexualität, die mit dem Beginn der genitalen Phase einsetzt.

(http://services.langenscheidt.de/fremdwb/fremdwb.html, Stand: 20.3.09)

 

Sexualität in geschlossenen Einrichtungen ist eine Bezeichnung zur Beschreibung von besonderen Formen des Sexualverhaltens, wie sie in Einrichtungen oft beobachtet werden. Die Bewohner in geschlossenen psychiatrischen Einrichtungen, Heimen, Justizvollzugsanstalten und Internaten haben keine Möglichkeit, externe Kontakte zu pflegen. Sie alle verbindet, dass Sexualkontakte sehr stark von den Gegebenheiten der jeweiligen Einrichtung geprägt werden und dadurch individuelle Wünsche, in den Hintergrund treten. Faktoren, die das Sexualverhalten beeinflussen, werden von den Einrichtungen bestimmt und sind auch abhängig davon, ob eine getrennte Unterbringung von Männern und Frauen stattfindet, welche Überwachung es gibt und welche Freiräume bestehen. So werden bei Insassen von Justizvollzugsanstalten hohe Häufigkeiten von Selbstbefriedigung, sexuellen Ersatzhandlungen, Gelegenheitshomosexualität, aber auch von Prostitution und sexueller Gewalt beschrieben. (vgl. Dressler/Zink 2003, S. 487)

 


Enthaltsamkeit ist die Bezeichnung für Abstinenz, insbesondere in sexueller Hinsicht. (vgl. Dressler/Zink 2003, S. 116)

„Unter sexueller Enthaltsamkeit versteht man die Abstinenz in Bezug auf sexuelle Aktivitäten. Verzichtet eine Person nur auf bestimmte sexuelle Handlungen wie zum Beispiel Geschlechtsverkehr, bezeichnet man dies als partielle Abstinenz. Eine totale Abstinenz liegt vor, wenn man auf sämtliche Aktivitäten – einschließlich Selbstbefriedigung – verzichtet.“ (www.onmeda.de/lexika/sexualitaet/enthaltsamkeit.html, Stand: 26.12.08)

 

 

2.2      Sexuelle Gesundheit und die sexuellen Rechte des Menschen

 

Die Sozialarbeit arbeitet nicht nur „am Menschen“, sondern sie beschäftigt sich auch mit allem, was rund um eine Person passiert und mit allem, was zu einem Menschen gehört, wie zum Beispiel das soziale Umfeld. Die Sozialarbeit sieht jedes Problem als ihre Aufgabe, das der Klient beschreibt. Sozialarbeit arbeitet mit der Ganzheitlichkeit des Menschen und klammert nichts aus. Auch Sexualität ist ein wesentlicher Teil eines Menschen. Erkrankt ein Mensch, spricht man meist nur von psychischer oder physischer Erkrankung, doch wie verhält es sich mit der sexuellen Gesundheit? Ist diese nicht auch wichtig um glücklich und zufrieden zu sein? Hat nicht jeder Mensch ein Recht auf Sexualität?

 

Diesen Fragen, im speziellen zur sexuellen Gesundheit widmete sich eine Expertengruppe der WHO, der PAHO und der WAS in einem Bericht, der von Erwin J. Haeberle ins Deutsche übersetzt wurde und auf den im Folgenden eingegangen wird. (vgl. Haeberle 2001, www.sexarchive.info/GESUND/ARCHIV/DEUTSCH/PAHODE.HTM, Stand: 11.2.2009)

 

In diesem Bericht werden die wichtigsten Begriffe erklärt, bevor über sexuelle Gesundheit gesprochen wird:

Zum ersten Sex, als biologisches Geschlecht, bezieht sich auf die biologischen Eigenschaften, die die Menschheit als männlich oder weiblich definieren.

Sexualität, als Geschlechtlichkeit, bezieht sich auf die Kerndimension des Menschseins und schließt biologisches Geschlecht, Geschlechtsrolle, Geschlechtsidentität, sexuelle Orientierung, Erotik, emotionale Bindung/Liebe und Fortpflanzung mit ein. Diese Erfahrungen drücken sich in Gedanken, Phantasien, Wünschen, Überzeugungen, Rollen und Beziehungen aus. Somit kann gesagt werden dass, die Sexualität im Zusammenspiel biologischer, psychologischer, sozioökonomischer, kultureller, ethischer und religiöser Faktoren entsteht.

(vgl. Haeberle 2001, www.sexarchive.info/GESUND/ARCHIV/DEUTSCH/PAHODE.HTM, Stand: 11.2.2009)

Sexuelle Gesundheit zeigt sich im freien und verantwortungsvollen Ausdruck sexueller Fähigkeiten, der das harmonische persönliche und soziale Wohlergehen befördert und so auf beiden Ebenen das Leben bereichert. Sexuelle Gesundheit ist nicht einfach die Abwesenheit von Funktionsstörungen, Krankheit oder Schwäche. Wenn sexuelle Gesundheit erreicht und erhalten werden soll, so müssen die sexuellen Rechte aller Menschen anerkannt werden und durchgesetzt werden.“ (ebd.)

Zusammenfassend meint die Expertengruppe in diesem Bericht: „Gesundheit ist ein Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit und Schwäche.“ Sexuelle Gesundheit zeigt sich auf individueller sowie auf gesellschaftlicher Ebene. Auf der individuellen Ebene gibt es bestimmte Verhaltensweisen, die charakteristisch für einen sexuell gesunden Menschen sind. Diese werden als „Life Behaviours of the Sexually Healthy Individual“ dargestellt.


Im Folgenden möchte ich ein paar Punkte dieser Liste nennen:

Sexuell gesunde Erwachsene

-       schätzen den eigenen Körper

-       bekräftigen, dass die menschliche Entwicklung die sexuelle Entwicklung einschließt und dass diese wiederum Fortpflanzung und genitale Erfahrungen einschließen kann, aber nicht muss

-       gehen mit beiden Geschlechtern respektvoll und angemessen um

-       drücken Liebe und Intimität in angemessener Weise aus

-       entwickeln und erhalten sinnvolle Beziehungen

-       kommunizieren wirkungsvoll mit ihren Familien, PartnerInnen, Freunden, Bekannten

-       erfreuen sich ihrer Sexualität und deren Ausdrucks das ganze Leben lang

-       können zwischen lebensfördernden sexuellen Verhaltensweisen und solchen, die für sie selbst und/oder andere schädlich sind unterscheiden

-       leben ihre eigene Sexualität und respektieren dabei die Rechte der anderen

-       verhindern sexuellen Missbrauch

-       vermeiden die passive und aktive Ansteckung mit sexuell übertragbaren Krankheiten, einschließlich HIV

-       sind tolerant gegenüber Menschen mit anderen sexuellen Wertvorstellungen und Lebensstilen.

 

Wie gesagt, drückt sich sexuelle Gesundheit nicht nur auf individueller Ebene aus, sondern auch auf gesellschaftlicher. Die Expertengruppe hat auch für diese Ebene eine Liste zusammengestellt. Gesellschaften, in denen sexuelle Gesundheit ihrer Mitglieder wichtig ist, haben folgende Eigenschaften:

-       politische Verpflichtung: Der Staat erkennt an, dass sexuelle Gesundheit ein grundlegendes Menschenrecht ist und verpflichtet sich, diese zu fördern.

-       ausdrückliche Maßnahmen: Gesellschaftliche Einrichtungen (einschließlich der Regierung) formulieren, entwickeln und implementieren öffentliche Maßnahmen, um sexuelle Gesundheit als grundlegendes Menschenrecht zu fördern.

-       Gesetzgebung: Um sexuelle Gesundheit zu fördern, sind Gesetze notwendig. Sie helfen Opfer vor Ausbeutung zu schützen (Kinderprostitution), die körperliche Integrität zu wahren (Schutz vor Genitalverstümmelung), die Rechte von sexuellen Minderheiten zu sichern (Recht auf Erziehung, Gesundheit, Arbeit, Antidiskriminierungsgesetze) und die sexuelle Gleichbehandlung und –berechtigung zu fördern (Gleichstellungsgesetze).

-       ausreichende Aufklärung: wichtig für die sexuell gesunde Gesellschaft ist der allgemeine Zugang zu altersgerechter, vollständiger Sexualaufklärung das ganze Leben.

-       Forschung: eine Gesellschaft die die sexuelle Gesundheit ihrer Mitglieder ernst nimmt, unterstützt auch die dementsprechende Forschung über klinische und pädagogische Probleme, sowie eine Forschung welche die Anliegen der öffentlichen Gesundheit untersucht. Diese schließt Forschungen beispielsweise über neue Infektionen, oder Verhaltensumfragen (wie das Vorkommen sexueller Gewalt usw.) ein.

-       ausreichende Überwachung: es ist auch eine statistische Überwachung notwendig.

-       Kultur: wichtig ist eine offene Kultur. Sie lässt sich daran messen, wie seriös Medienberichte über sexuelle Gesundheit berichten und wie offen Warnungen vor Gefahren für die sexuelle Gesundheit verbreitet werden.

 

Wenn sexuelle Gesundheit erreicht und erhalten werden soll, so müssen die sexuellen Rechte aller Menschen anerkannt werden und durchgesetzt werden. Doch vor allem in geschlossenen Institutionen finden diese Rechte oft nicht genug Anerkennung. (vgl. Haeberle 2001, www.sexarchive.info/GESUND/ARCHIV/DEUTSCH/PAHODE.HTM, Stand: 11.2.2009)

 

 

Erwin J. Haeberle fasste in seinem Buch „Die Sexualität des Menschen“ (1985) die sexuellen Menschenrechte zusammen.

Die Geschichte der Menschenrechte ist nicht allgemein bekannt, da die Literatur dazu sehr spärlich und unsystematisch ist. Man kann daher nicht mit Sicherheit sagen, inwieweit sexuelle Rechte als Menschenrechte anerkannt sind. Sexuelle Freiheit wurde damals in der Regel nicht als Menschenrechtsproblem betrachtet. Die Idee der Menschenrechte hat ihren Ursprung in der Renaissance und wurde von religiösen, politischen und juristischen Denkern weiter entwickelt. Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung (1776), die französische Erklärung über die Menschen- und Bürgerrechte (1789) und die „Bill of Rights“ als Teil der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika (1791) sind die wichtigsten Meilensteine dieser Entwicklung. Es wurden unter anderem allgemeine Rechte auf Eigentum, Religionsfreiheit, Pressefreiheit und Gleichheit vor dem Gesetz erstmals anerkannt. Während der industriellen Revolution wurde klar, dass der Katalog der Menschenrechte erweitert werden muss. Die Weltwirtschaftskrise veranlasste Franklin D. Roosevelt im Jahre 1941in seine Erklärung der „Vier Freiheiten“ ein Recht auf wirtschaftliche Sicherheit aufzunehmen. Die „Vier Freiheiten“ waren Redefreiheit, Religionsfreiheit, Freiheit von materieller Not und Freiheit von Furcht. Diese Forderungen wurden Teil der Atlantik-Charta und waren geistige Vorläufer der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen (1948). Im Jahre 1966 folgten eine Konvention über ökonomische, soziale und kulturelle Rechte sowie eine Konvention über bürgerliche und politische Rechte. Bis heute versuchen Deklarationen und Konventionen der Vereinten Nationen Flüchtlinge zu schützen, die Rechte von Frauen, Kindern und Häftlingen zu wahren, Rassismus, Diskriminierung und Völkermord zu verurteilen. Es ist jedoch bemerkenswert, dass diese und andere Menschenrechtsvereinbarungen der Vereinten Nationen in keiner Weise spezifisch auf sexuelle Rechte eingehen, zum Beispiel das Recht auf Sexualerziehung, die freie Wahl des Sexualpartners oder sexueller Handlungen oder das Recht auf Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch. Viele frühere Feministinnen hielten sexuelle Rechte für ein grundsätzliches politisches Thema, also einen Teil der Menschenrechte. Diese Auffassung wurde von männlichen Mitstreitern weitgehend geteilt, vor allem von jenen, die eine neue, besondere Sexualwissenschaft und durch sie allgemeine sexuelle Reformen befürworteten.

Der erste wahrhafte Entwurf einer sexualwissenschaftlichen Studie in der Literatur stammt von Wilhelm von Humboldt. Für den Erziehungsreformer war die soziale Ungleichheit der Geschlechter Hauptanlass für eine aufgeklärte Untersuchung. Doch diese Untersuchung wurde damals nicht durchgeführt. Der Dermatologe Iwan Bloch schloss sich mit weiteren Sexualreformern wie Max Marcuse dem „Bund für Mutterschutz“ an. Diesen führte damals Helene Stöcker, die bald ein wichtiger Motor für die Emanzipation der Frauen wurde. Sie war auch in der „Weltliga für Sexualreform“ engagiert, die 1928 in Kopenhagen gegründet wurde und bei der Magnus Hirschfeld einer der ersten Präsidenten war.

Die Ziele der „Liga“ fassen die Forderungen der gesamten Bewegung für Sexualreform vor dem 2. Weltkrieg zusammen:

 

-       Gleiche Rechte und Pflichten für Männer und Frauen hinsichtlich ihres sexuellen, politischen und ökonomischen Lebens

-       Beseitigung der Dominanz der Kirche in Fragen der ehelichen Beziehung

-       Empfängnisverhütung, damit Fortpflanzung selbstbestimmt und mit der nötigen Verantwortung geschehen kann

-       Anwendung eugenischer Erkenntnisse für eine Verbesserung der Rasse durch Geburtenauswahl. (Unterstützung der Fortpflanzung Gesunder und Begabter, Sterilisierung derer, die zur Fortpflanzung nicht geeignet sind)

-       Schutz der unverheirateten Frau und des nichtehelichen Kindes

-       Angemessenes, wissenschaftliches Verständnis für Varianten der sexuellen Konstitution (Intersexualität) und eine entsprechend rationale Einstellung zum Beispiel gegenüber homosexuellen Männern und Frauen

-       Systematische Erziehung in biologischen Fragen der Sexualität, insbesondere hinsichtlich der Geschlechtskrankheiten, der Masturbation und der Enthaltsamkeit

-       Gesetzliche und soziale Reformen hinsichtlich der Prostitution, um deren Gefahren zu beseitigen

-       Störungen und Abnormitäten des Sexualtriebes sind als mehr oder weniger pathologisch zu begreifen und nicht als Verbrechen, Laster oder Sünden

-       Eine Reform der Strafgesetze zur Sexualität. Nur diejenigen sexuellen Handlungen sollen als kriminell betrachtet werden, die die Rechte einer anderen Person verletzen. Schutz Minderjähriger und Geistesschwacher.

 

Auch René Guyon ist zu erwähnen. Er wird heutzutage oft mit einer radikalen, fast legendären sexualwissenschaftlichen Arbeit in Verbindung gebracht – den neun Bänden seiner „Studien in sexueller Ethik“ (1929 – 1944).[1] Als Guyon nach Abschluss seiner ersten Studien von der Gründung der Hirschfeld’schen „Weltliga für Sexualreform“ erfuhr, begrüßte er diese als späte aber notwenige Konsequenz der großen Revolution von 1789.

Der Einsatz von Guyon und vielen weiteren SexualreformerInnen führte zur weltweiten Einführung neuer Sexualgesetze: Kuppelei, Pornographie oder Obszönität in Wort, Handlung oder Schrift, das Schutzalter für Geschlechtsverkehr usw. So entstand bald der Eindruck einer weltweiten Zunahme von Sexualvergehen. Diese, durch die Presse vermarkteten und oft sensationell aufgemachten Kampagnen, wurden durch den Völkerbund[2] und seine offiziellen Studien unterstützt. Hätte der Völkerbund dem rationalistischen Standpunkt der europäischen Sexualreformer mehr Aufmerksamkeit geschenkt, hätte er die erste Erklärung über universelle sexuelle Rechte des Menschen bemerkt. Schon 1930 hatte Rudolf Goldscheid, anlässlich des Wiener Kongresses der „Weltliga für Sexualreform“, gefordert, dass solche Rechte in die Verfassungen und Gesetzeswerke aller Länder aufgenommen werden sollten. Doch sein früher Tod schwächte die von ihm begonnene Kampagne. Er hinterließ seinen Kollegen eine kurze Zusammenfassung seiner Vorstellungen und Magnus Hirschfeld veröffentlichte sie in der Zeitschrift „Liga für Sexualreform“.

„Magna Charta der sexuellen Menschenrechte“:

-       Entwurf zur Deklaration sexueller und generativer Grund- und Freiheitsrechte

-       Das sexuelle Selbstbestimmungsrecht und das Recht auf den eigenen Körper. Selbstbestimmung in Bezug auf Fortpflanzung

-       Das Recht auf Befriedigung des Geschlechtstriebes bei Mann und Weib auch außerhalb der Ehe

-       Die Rechte in Bezug auf Eheschließung und Ehelösung

-       Das Recht auf Mutterschutz und Mutterschaft

-       Die Rechte der unehelichen Mutter

-       Die Rechte der ehelichen und unehelichen Kinder

-       Die vorgeburtlichen Menschenrechte

-       Das Recht der Geschlechter auf politische, wirtschaftliche und soziale Gleichstellung

-       Die Rechte der sexuellen Minderheiten

-       Die sexuellen Grundrechte der generativ Minderwertigen und Geschädigten

-       Die sexuellen Grundrechte der Strafgefangenen

-       Die sexuellen und generativen Verantwortlichkeiten der Einzelnen und der Gesellschaft.

Goldscheid wollte, dass die jährlichen Kongresse der „Liga“ die Forderungen nach sexuellen Menschenrechten spezifizieren und intensivieren, sodass sie überall anerkannt sein würden. Unglücklicherweise war auch kurz nach seinem Tod das Ende der „Liga“ beschlossen. Nachdem Hitler in Deutschland die Macht ergriffen hatte, konnten keine Kongresse mehr abgehalten werden. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam es zur Gründung der Vereinten Nationen. Das erste Ergebnis ihrer Arbeit war die Veröffentlichung der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“. Da jedoch die meisten Regierungen darüber schwiegen, war für Guyon diese Erklärung eine große Enttäuschung. Deshalb schrieb er einen zweiten Aufsatz mit dem Titel „Menschenrechte und die Verweigerung sexueller Freiheit“ (1951). Doch dieser erregte bei den Politikern und Delegierten der Vereinten Nationen nicht viel Aufmerksamkeit.

„[…] Sie sollten darauf bestehen, daß („sic!“) die Freiheiten des Artikel 18 um folgenden Zusatz ergänzt werden: Jeder hat das Recht auf sexuelle Freiheit und auf freie Verfügung über seinen Körper; niemand soll belästigt, verfolgt oder von Gesetzes wegen verurteilt werden, wenn er sexuelle Handlungen jeder erdenklichen Art freiwillig ausübt, sofern diese nicht mit Gewalt, Zwang oder Betrug verbunden sind.“ (Haeberle 1985, S. 573)

Man kann aus der Geschichte der sexuellen Rechte erkennen, dass das Thema schon altbekannt ist. Viele Wissenschaftler beschäftigen sich seit langer Zeit damit, sexuelle Rechte an die allgemeinen Menschenrechte anzugleichen und betonen die Wichtigkeit und Dringlichkeit dieser. (vgl. Haeberle 1985, S. 565 – 573)

Trotz langjähriger Bemühungen gibt es erst seit dem 26.8.1999 eine weltweite Erklärung der sexuellen Menschenrechte:

 

 

Erklärung der sexuellen Menschenrechte (WAS, Hongkong 1999)

Declaration of Sexual Rights

 

[…] Sexuelle Rechte sind universale Menschenrechte auf der Grundlage von Freiheit, Würde und Gleichheit aller Menschen. So wie der Anspruch auf Erhalt und Wiederherstellung der Gesundheit ein menschliches Grundrecht ist, so gilt dies auch für die sexuelle Gesundheit. Damit Menschen und Gesellschaften eine gesunde Sexualität entwickeln können, müssen die folgenden Sexual-Rechte weltweit anerkannt und mit allen Mitteln gefördert und verteidigt werden. Sexuelle Gesundheit gedeiht nur in einer Umgebung, die diese sexuellen Grundrechte wahrnimmt, respektiert und ausübt.

1. Das Recht auf sexuelle Freiheit

Sexuelle Freiheit als sexuelle Selbstbestimmung umfasst die Freiheit eines jeden Individuums, alle seine sexuellen Möglichkeiten zum Ausdruck zu bringen. Dies schliesst („sic!“) jedoch zu jeder Zeit und in jedweden Lebenssituationen alle Formen sexuellen Zwangs, sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch aus.

2. Das Recht auf sexuelle Autonomie, sexuelle Integrität und körperliche Unversehrtheit

Dieses Recht beinhaltet die Fähigkeit zu selbständigen („sic!“) Entscheidungen über das eigene Sexualleben im Rahmen der eigenen persönlichen und sozialen Ethik. Es umfasst auch das Recht auf Verfügung über und Lust am eigenen Körper, frei von jeder Art von Folter, Verstümmelung und Gewalt.

3. Das Recht auf eine sexuelle Privatsphäre

Dies umfasst das Recht auf individuelle Entscheidungen und Verhaltensweisen in unserem Intimleben, solange diese nicht die Sexual-Rechte anderer beeinträchtigen.

4. Das Recht auf sexuelle Gleichwertigkeit

Dies verlangt Freiheit von allen Formen der Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Geschlechtsrolle, sexueller Orientierung, Alter, Rasse, sozialer Schicht, Religion oder körperlicher und seelischer Behinderung.

5. Das Recht auf sexuelle Lust

Sexuelle Lust einschliesslich („sic!“) Selbstbefriedigung ist eine Quelle von körperlichem, seelischem, geistigem und spirituellem Wohlbefinden.

6. Das Recht auf Ausdruck sexueller Empfindungen

Sexuelle Äusserungen („sic!“) beinhalten mehr als erotische Lust oder sexuelle Handlungen. Menschen haben das Recht, ihre Sexualität durch Kommunikation, Berührungen, Gefühle und Liebe auszudrücken.

7. Das Recht auf freie Partnerwahl

Dies bedeutet das Recht zu heiraten oder auch nicht, sich scheiden zu lassen und andere Formen verantwortungsbewusster sexueller Beziehungen einzugehen.

8. Das Recht auf freie und verantwortungsbewusste Fortpflanzungsentscheidungen

Dies schliesst (sic!“) das Recht auf die Entscheidung ein, Kinder zu haben oder nicht; ihre Anzahl und die Abstände zwischen den Geburten zu bestimmen; und das Recht auf ungehinderten Zugang zu Mitteln der Fruchtbarkeits-Kontrolle.

9. Das Recht auf wissenschaftlich fundierte Sexualaufklärung

Dieses Recht beinhaltet, dass sexuelles Wissen in einem Prozess unbehinderter Forschung und wissenschaftlicher Ethik gewonnen und in angemessener Weise auf allen gesellschaftlichen Ebenen verbreitet wird.

10. Das Recht auf umfassende Sexualerziehung

Dies ist ein lebenslanger Prozess von der Geburt durch alle Lebensphasen und unter Einbeziehung aller sozialen Institutionen.

11. Das Recht auf sexuelle Gesundheitsfürsorge

Zur Verhütung und Behandlung von allen sexuellen Fragen, Problemen und Störungen sollte allen eine angemessene Gesundheitsfürsorge zur Verfügung stehen. Sexual-Rechte sind universale Grund- und Menschenrechte!

(http://www.rolf-gindorf.de/sexualrechte.htm verabschiedet von der Generalversammlung der World Association for Sexual Health (WAS) am 26. 08.1999 in Hongkong (Volksrepublik China) Stand: 11.2.2009 Übersetzung R. Gindorf)

 

 

Ergänzend muss auch das Recht auf Freiheit erwähnt werden. Denn viele Menschen entgegnen auf das Thema der sexuellen Rechte in Haft mit dem Argument, dass in Haft auch gegen das Recht auf Freiheit verstoßen wird. Doch die EMRK sieht einige Ausnahmen im Art. 5 EMRK vor, abgeschlossen in Rom am 4. November 1950 in der Fassung des Protokolls Nr. 11 in Kraft getreten am 1. November 1998:

Art. 5 EMRK Recht auf Freiheit und Sicherheit

 

(1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

a) rechtmäßiger Freiheitsentzug nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;

b) rechtmäßige Festnahme oder rechtmäßiger Freiheitsentzug wegen Nichtbefolgung einer rechtmäßigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung;

c) rechtmäßige Festnahme oder rechtmäßiger Freiheitsentzug zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;

d) rechtmäßiger Freiheitsentzug bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Erziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde;

e) rechtmäßiger Freiheitsentzug mit dem Ziel, eine Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern;

f) rechtmäßige Festnahme oder rechtmäßiger Freiheitsentzug zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist.

(2) Jeder festgenommenen Person muss in möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache mitgeteilt werden, welches die Gründe für ihre Festnahme sind und welche Beschuldigungen gegen sie erhoben werden.

(3) Jede Person, die nach Absatz 1 Buchstabe c von Festnahme oder Freiheitsentzug betroffen ist, muss unverzüglich einem Richter oder einer anderen gesetzlich zur Wahrnehmung richterlicher Aufgaben ermächtigten Person vorgeführt werden; sie hat Anspruch auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist oder auf Entlassung während des Verfahrens. Die Entlassung kann von der Leistung einer Sicherheit für das Erscheinen vor Gericht abhängig gemacht werden.

(4) Jede Person, die festgenommen oder der die Freiheit entzogen ist, hat das Recht zu beantragen, dass ein Gericht innerhalb kurzer Frist über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzugs entscheidet und ihre Entlassung anordnet, wenn der Freiheitsentzug nicht rechtmäßig ist.

(5) Jede Person, die unter Verletzung dieses Artikels von Festnahme oder Freiheitsentzug betroffen ist, hat Anspruch auf Schadensersatz.

(http://www.uni-potsdam.de/u/mrz/coe/emrk/emrk-de.htm, Stand: 30.3.09)

 

Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird immer wieder auf diese Rechte und auf die sexuelle Gesundheit Bezug genommen. Das heißt, es ist nicht nur von rein körperlicher Sexualität die Rede sondern man meint auch die emotionale Bindung.

 

 

2.3      Sexualität im Strafvollzug

 

Nach § 3 Abs. 2 StVollzG (Anmerkung: BRD) ist schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken. Dazu gehört der Verlust oder die Lockerung von Beziehungen zu nahestehenden Personen wie Eltern, Freunden, Ehe- und LebenspartnerInnen, Angehörigen. In der Fachliteratur wird immer wieder festgestellt, dass der Abbruch vorhergehender sexueller Kontakte der für Gefangene am nachhaltigsten empfundene Stressfaktor ist. Die meisten Gefangenen verlieren für frühere Bezugspersonen bzw. Sexualpartner und übernehmen während der Haft häufig aktive oder passive homosexuelle Rollen, die der sozialen Integration nachhaltig schaden können. Die Unfähigkeit, wertvolle und vor allem gelingende Beziehungen sowie Liebe, Freundschaft und Sexualität zu entwickeln, kennzeichnet fast alle Rückfalltäter.

Sexualität bzw. das Verlangen nach emotionaler und körperlicher Nähe ist ein notwendiges menschliches Grundbedürfnis. Über Sexualität im Strafvollzug – Erleben, Fantasien aber auch Probleme – ist nur wenig bekannt, deshalb regt dieses Thema Menschen, die mit dem Vollzug nicht in Berührung kommen, zu Fantasien und Spekulationen an. Bestärkt werden diese durch Medienberichte über reale Vorfälle, in denen schlagzeilenträchtig Gewalt, sexuelle Übergriffe und sexuelle Misshandlungen in Haftanstalten dargestellt werden. Allgemeines Schicksal des schlechten Rufes des Strafvollzuges sind immer wieder, die einseitigen oder ausschnitthaften Berichte, die ein verzerrtes Bild in der Öffentlichkeit erzeugen. Es entstehen falsche Vorstellungen, die nicht dem tatsächlichen Hafterleben entsprechen. Es gibt im Vollzugsalltag kaum einen Bereich, in dem die Innen- und Außenwahrnehmung so weit voneinander abweichen, wie im Bereich der Sexualität. Ein Aspekt, der die Sexualität in der totalen Institution von jener in der normalen Gesellschaft unterscheidet, ist, dass sich Sexualität in erster Linie in einem privaten Rahmen abspielt. Die Haftsituation lässt einen Rückzug in das Private – auch eine private Zweisamkeit – nicht zu, ohne dass andere Menschen davon wissen. Nicht einmal der Rückzug in die heimliche Selbstbefriedigung ist möglich. Trotzdem ist Sexualität im Männerstrafvollzug allgegenwärtig. Sie sind mit Bildern nackter Körper konfrontiert, die in Tageszeitungen und Illustrierten gezeigt werden und auch das Fernsehen vergegenwärtigt den Gefangenen die sexualisierte Welt außerhalb des Vollzuges. Somit sind Gefangene ständig mit einer Wirklichkeit konfrontiert, die sie nicht erreichen können. Dadurch entstehen Wünsche, die in einer anderen Lebenssituation als normal gelten aber nicht gelebt werden können. So kommt es dazu, dass sich Inhaftierte einen Weg suchen, um mit ihrem Leben in Haft umzugehen, was jedoch zu gesellschaftlichen oder inneren Konflikten führen kann. Das Verlangen nach sexueller Betätigung lässt sich nicht einfach unterdrücken, nur weil ein Zugang zu entsprechenden Möglichkeiten nicht vorhanden ist. Sexualität sucht sich einen Weg. (vgl. Schroven G./Maelicke B./Bammann K. et. al. 2008, S. 246-250)

 

 


2.4      Enthaltsamkeit und deren Folgen

 

Nach Ernest Borneman stammt die Enthaltsamkeit aus der mittleren Steinzeit, in der die Menschen dachten, die Natur durch Leistung zu einer Gegenleistung zwingen zu können. So glaubten, sie durch Enthaltsamkeit eine gute Ernte, einen reichen Fischfang, Regen oder Sieg erzwingen zu können. Auch heute sind viele Menschen der Überzeugung durch sexuelle Enthaltsamkeit ihr Seelenheil erkaufen zu können. Ob ein Mensch jedoch dadurch einen Platz im Jenseits gewinnt, kann kein Arzt entscheiden. Es steht jedoch außer Zweifel, dass durch die Enthaltsamkeit meist die Gesundheit ruiniert wird. Borneman spricht von psychischen und physischen Erkrankungen als Resultat unfreiwilliger sexueller Abstinenz, dazu zählen Anorgasmie, Berührungsangst, Bräutigamshoden, Ekel, Frigidität, Genitalangst, Impotenzangst, Flucht vor der Liebe, Hysterie und geschlechtliche Abirrungen. (vgl. Borneman 1984, S. 321)

Weitere Schädigungen können Kopfschmerzen, Schwindel, Augenflimmern, Schlaflosigkeit, Appetitmangel, Zerstreutheit, Konzentrationsunfähigkeit, Menstruationsstörungen, etc. sein. (vgl. Niedermeyer 1949, S. 362)

 

Die Vertreter der Pastoralmedizin hingegen behaupten, sexuelle Abstinenz sei nicht nur nicht gesundheitsschädigend, sondern überdies sogar noch notwendig.

Sämtliche angebliche Schädigungen sein bei genauer Betrachtung vieldeutige Allgemeinsymptome, die in allen möglichen anderen Umständen, zum Beispiel in Erschöpfungszuständen, ihre Ursache haben können. So schreibt etwa Mayr (vgl. Arzt-Zieler, 1935), dass es keine spezifische Störung in Richtung Schädigung des Organismus durch geübte Enthaltsamkeit gebe.

Zur Möglichkeit der Abstinenz erklärt die Pastoralmedizin, dass eine länger anhaltende Abstinenz zumindest einem gesunden, kräftigen Mann mit normaler Triebstärke unmöglich sei, da der Naturtrieb unwiderstehlich seine Befriedigung verlangt. (vgl. Niedermeyer 1949, S. 362-366)

 

„Die Unmöglichkeit der Abstinenz behaupten, heißt [.] blind sein gegen Tatsachen ethnologischer und geschichtlicher Erfahrung, wie auch gegen Tatsachen der ärztlichen Erfahrung, […] vor allem blind sein gegen das wahre Wesen der menschlichen Natur und ihre Einsicht und Ganzheit, die an den Grenzen der sinnlich wahrnehmbaren Natur nicht Halt macht, sondern sie überragt.“ (Niedermeyer 1949, S. 367)

 

Wo die Pastoralmedizin in Aussagen widersprüchlich ist, sind diese zu diskutieren.

Die Pastoralmedizin unterscheidet die voreheliche Abstinenz, von der bisher die Rede war, von der Abstinenz während der Ehe. Auch während der Ehe sei kein schrankenloses sexuelles Ausleben möglich. Abstinenz wird aus Rücksicht auf die Gesundheit der Frau, zum Beispiel während der Schwangerschaft, im Wochenbett und bei Überanstrengung und in Zeiten von Krankheit empfohlen. Für die Pastoralmedizin ist die sexuelle Abstinenz nicht nur moralisch wichtig, sondern, ist  auch eine hygienische Forderung. (vgl. Niedermeyer 1949, S. 367)

Von A. Holzbauer stammt aus Anlass der Präsenz des Themas ein Kommentar zum Entwurf der Novellierung des Strafvollzugsgesetzes, indem er unter anderem das Thema Psychohygiene streift. In der Pastoralmedizin wird Psychohygiene als psychische Hygiene (gemeint ist die Pflege der seelischen Gesundheit, vgl. Niedermeyer 1952, S. 323) definiert. Die menschliche Hygiene soll sich nicht auf die physische Gesundheit beschränken, sondern auch die Psyche einbeziehen. Aufgabe der Hygiene ist die Gesundhaltung des Menschen, deren Merkmal auch das Führen eines menschenwürdigen Lebens ist.

Basierend auf Ruschitzka stellt Holzbauer fest, dass die durch die Vollzugsdirektion Wien getroffenen Regelungen des Rahmenerlasses für die Durchführung von Langzeitbesuchen[3] als fördernde Maßnahmen der Psychohygiene zu sehen sind und die psychohygienische Betreuung im Sinne einer sexualpädagogischen Beratung als Maßnahme der Gesundheitsförderung Aufgabe der Betreuungsdienste der Justizanstalten sei. (vgl. Holzbauer 2009)

„Der die Gesundheit fördernde Aspekt der Sexualität wird aktuell näher ausgeführt in Men’s Health, British Edition, March 2009, p. 45 – 48, dort unter Bezugnahme auf US Studien der Columbia University, der Stanford University und der State University of New York: „And it’s intimacy not orgasm, which is essential!“ (Holzbauer 2009)

 

 

2.5      Enthaltsamkeit im Strafvollzug

 

Wie im vorigen Kapitel erwähnt, ist Enthaltsamkeit ein Thema dem Beachtung geschenkt werden muss und speziell wenn es um erzwungene Enthaltsamkeit geht. Schon Ruschitzka, Anstaltsarzt der Männerstrafanstalt Garsten, war 1956/1957 der Meinung, dass sich die sexuelle Situation der Gefangenen keineswegs mit der freiwilligen sexuellen Enthaltsamkeit, beispielsweise von Ordensleuten, vergleichen lässt. Die erzwungene, also ganz und gar nicht freiwillige sexuelle Enthaltsamkeit wird von den Gefangenen nicht nur als Belastung, sondern geradezu als körperliche Strafe aufgefasst. Da Gefangene zum größten Teil willens- und charakterschwache Menschen sind, darf es nicht verwundern, wenn sie mit diesem Problem nicht umgehen können. So kommt es auch zur vorübergehenden Homosexualität zwischen den Gefangenen.

Die sexuelle Not besteht nicht vom ersten Tag der Inhaftierung an in gleichem Ausmaß. Es sind drei aufeinander folgende Phasen zu unterscheiden: die Depressionsphase, die Reparationsphase und die Phase der Formung.

In der Depressionsphase, das ist die Zeit der Untersuchungshaft bis zur Strafhaft, ist meistens eine weitgehende sexuelle Inappetenz[4] festzustellen, die nicht nur durch den Wegfall erotischer Reize, sondern vorrangig durch das Trauma der Inhaftierung, die Konzentration auf das Untersuchungsverfahren, die Verteidigung, die Angst vor Strafe, den Verlust von Arbeit und Wohnung und die Trennung von der Familie bedingt ist. Mit der Verurteilung und dem Beginn einer längeren Strafhaft beginnt die Reparationsphase. In dieser findet sich der Gefangene früher oder später mit der Situation ab und gewöhnt sich an die Lebensbedingungen der Haft, weshalb das Wiederaufleben des Geschlechtstriebes zu erwarten ist.

Die dritte Phase ist bei mehrjähriger Strafdauer sehr bedeutend. Hat sich der Gefangene in der Haft mehr oder weniger häuslich eingerichtet, baut er sich ein neues Leben in der realen Wirklichkeit des Haftmilieus auf. In dieser Zeit formt sich jener neue Mensch, der einmal die Anstalt verlassen wird. Zumeist ist diese Neuformung negativ in Bezug auf das Triebleben, das sich vielfach in abnormen Ersatzhandlungen ausprägt.

Nach Ruschitzka ist es nur sittlich hoch stehenden, charakterfesten oder tiefreligiösen Menschen möglich, den Geschlechtstrieb zu unterdrücken. Der Masse der Durchschnittskriminellen jedoch ist eine derartige Selbststeuerungsfähigkeit völlig fremd. Sie lassen sich treiben und pflegen die vielfältigsten Ersatzhandlungen, die von Selbstbefriedigung über homosexuelle Betätigung bis zu Perversitäten jeder erdenklichen Art reichen.

Interessant ist, wie Ruschitzka die Entwicklung der Homosexualität beschreibt: Diese beginnt mit dem erstmaligen Eintritt eines jungen Gefangenen in die Anstalt. Er ist einsam und verlassen und schließt sich gerne den Gewohnheiten älterer Gefangener an. Aus diesem Anlehnungsbedürfnis entsteht ein Achtungs- und Dankbarkeitsgefühl gegenüber den erfahrenen Gefangenen. Durch die Einordnung in die Anstaltshierarchie, wehrt sich der „Zuwachs“ nicht, wenn sich ihm ein älterer Gefangener homosexuell nähert. Schließlich beginnt er die materiellen Vorteile zu genießen, die ein solches Verhältnis mit sich bringt. Er lässt sich regelrecht verwöhnen, wird wählerisch und entwickelt sich zum perfekten „Anstalts-Liebchen“. Es können schwerste Streitigkeiten und Schlägereien um so ein Liebchen entstehen. Bis zu einem Alter von 25 – 35 Jahren bleibt der Gefangene beim Afterverkehr gewöhnlich der passive Teil. War er dann schon öfter in der Anstalt und hat sich einen guten Arbeitsplatz erworben, kann er sich selber einen „Buam“ leisten. Aus dem passiven wird der aktive homosexuelle Gefangene der wieder dafür sorgt, dass Neuankömmlinge in das System eingeordnet werden. (vgl. Ruschitzka, 1956/57, S. 18-21)

 

Das Problem der sexuellen Not kann, laut Ruschitzka, nicht von einem Arzt oder Seelsorger allein sondern nur durch Zusammenhalt des gesamten Anstaltspersonals gelöst werden.

Ruschitzka ist der Auffassung, dass durch Ausgänge und eventuelle Besuche die Resozialisierung durch die Stärkung familiärer Bande und durch die Möglichkeit zur Aufnahme neuer menschlicher Kontakte gefördert wird. Eine Therapie, die es ermöglicht, einen Menschen vorübergehend und ohne bleibende Schäden sexuell ruhig zustellen, gibt es nicht. Ruschitzka berichtet von medikamentöser Behandlung. Es sei eine sexuelle Beruhigung durch die allgemeinen sedativen Medikamente möglich, jedoch nur kurzfristig. Auch das stärker wirkende Brom konnte wegen der Gefahr einer Bromvergiftung nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden. In der Strafanstalt Garsten wurde in den fünfziger Jahren ein Versuch mit Kopfpolstern, die mit Hopfenblüten gefüllt waren, unternommen. Das im Hopfen enthaltene Lupulin wirkt auf die Sexualsphäre dämpfend. Die Gefangenen konnten jedoch den Hopfengeruch nicht ertragen und lehnten die Verwendung ab. Zuletzt erwähnt Ruschitzka noch die Psychotherapie als eine „wertvolle Behandlung“. (vgl. Ruschitzka, 1956/57, S. 24-27)

Die Haft trennt liebende Menschen, die zur Enthaltsamkeit gezwungen werden. Igor A. Caruso (Die Trennung der Liebenden, 1983, S. 249) fasste den Umgang, der Menschen mit diesem Umstand, zusammen:

„Da wir, die wir leben, unter der Trennung leiden, glauben wir eine Lösung gefunden zu haben, wenn wir uns leidensunfähig wähnen – also nicht mehr wirklich leben, sondern dank einem Totstellreflex vegetieren; dann scheitert die Liebe an der Angst vor der Leidenschaft.“

 

Im folgenden Kapitel wird auf die gesetzliche Lage zum Thema Besuchsregelung eingegangen und der Rahmenerlass zur Durchführung von Langzeitbesuchen wird erklärt. Darüber hinaus werden Erfahrungsberichte, unter anderem von der JA Stein zeigen, welche Resultate diese Besuchsregelung für Insassen, Angehörige und das Zusammenleben in der Justizanstalt haben kann.


 

 

3.1      Gesetzeslage und Rahmenerlass von Langzeitbesuchen

 

Die Tatsache, dass Inhaftierte nicht nur das Recht auf regelmäßigen Besuch durch die Glasscheibe haben, sondern auch das Recht auf Tischbesuche und in erweiterter Form auch auf Langzeitbesuche mit Familien und Partnern, ist nicht nur seit 2008 durch den Rahmenerlass für Langzeitbesuche geregelt, sondern steht auch seit der Novellierung im Jahr 1993 im Strafvollzugsgesetz.

 

Laut § 93 Abs. 1 StVG (Holzbauer/Brugger 1996, S. 437) dürfen Strafgefangene Besuche innerhalb der festgesetzten Besuchszeiten so oft und in dem zeitlichen Ausmaß empfangen, als deren Abwicklung mit vertretbarem Aufwand gewährleistet werden kann. Es darf ihnen nicht verwehrt werden, jede Woche wenigstens einen Besuch in der Dauer von mindestens einer halben Stunde zu empfangen; wenigstens einmal innerhalb von sechs Wochen ist die Besuchsdauer auf mindestens eine Stunde zu verlängern. Erhält ein Strafgefangener selten Besuch oder hat ein Besucher einen langen Anreiseweg, so ist die Besuchsdauer jedenfalls angemessen zu verlängern.

 

Im § 93 Abs. 2 StVG (ebd., S. 437) heißt es: zur Regelung wichtiger persönlicher, wirtschaftlicher oder rechtlicher Angelegenheiten, die weder schriftlich erledigt noch bis zur Entlassung aufgeschoben werden können, sowie zur Aufrechterhaltung familiärer und sonstiger persönlicher Bindungen, ist den Strafgefangenen in geeigneten Räumlichkeiten Gelegenheit zum Empfang von Besuchen in hiefür angemessener Häufigkeit und Dauer, erforderlichenfalls auch außerhalb der Besuchszeiten, zu geben. Auf eine Überwachung solcher Besuche kann, soweit keine Bedenken bestehen, verzichtet werden.

Unter „Anmerkungen“ im StVG 1996 werden für dieses Thema Ergänzungen zum Gesetzestext behandelt. Punkt 1 der Anmerkungen besagt:

die nunmehrige Fassung des § 93 Abs. 2 StVG trägt der Möglichkeit der Gewährung eines „Intimbesuches“ [.] insoweit Rechnung, als zur Aufrechterhaltung familiärer Bindungen den Strafgefangenen in geeigneten Räumlichkeiten bei Verzicht auf Überwachung die Möglichkeit zum Empfang von Besuch zu geben ist. In der Strafvollzugskunde sind Möglichkeiten eines Intimbesuches für Vollzugsanstalten in den Niederlanden und in der Schweiz belegt und wird durch die Hereinnahme der Möglichkeit zum Intimbesuch nunmehr auch in österreichischen Anstalten das von der Sexualwissenschaft bereits im Jahre 1930 anläßlich („sic!“) des Wiener Kongresses der „Weltliga für Sexualreform“ geforderte sexuelle Grundrecht der Strafgefangenen (Magna Charta der sexuellen Menschenrechte, Punkt 12) verwirklicht. (Holzbauer/Brugger 1996, S. 440)

 

Im Punkt 2 der Anmerkungen im StVG 1996 wird auch bemerkt, dass im Unterausschuss zur Novelle des Strafvollzugsgesetzes im Jahr 1993 darauf hingewiesen wurde, dass die Verweigerung des Rechtes auf Intimbesuch auch einen Eingriff in die Rechte des nicht inhaftierten Ehepartners darstellt. (vgl. Holzbauer/Brugger 1996, S. 440)

 „Soweit Betreuung der i.S. der Ausdrucksweise des § 75 StVG eine Anleitung beinhaltet, wäre unter ‚anleiten’ nach Drexler (2003) StVG Rz. 1 zu § 75 137-138 zu verstehen, dass dem Strafgefangenen Notwendigkeit und Pflege derartiger Kontakte nahe gelegt wird und ihm entsprechende Anregungen gegeben werden.“ (Holzbauer 2009)

 

Anlässlich einer AnstaltsleiterInnenkonferenz, bei der der Wunsch nach einem einheitlichen Rahmen für die Bewilligung und Durchführung von sogenannten „Langzeit- bzw. Familienbesuchen“ geäußert wurde, brachte die Justizverwaltung der Republik Österreich am 11. Juli 2008 zusätzlich zum StVG einen Rahmenerlass für die Durchführung von Langzeitbesuchen heraus.

Basierend auf § 93 Abs. 2 StVG sind nachstehende Rahmen-Richtlinien des Erlasses zu beachten:

 

Zwecke von Langzeitbesuchen:

Sie dienen der Stabilisierung des sozialen Umfeldes und es wird die Möglichkeit geboten, wichtige persönliche, wirtschaftliche oder rechtliche Angelegenheiten zu regeln. Sie sollen auch zur Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen dienen. Wird auf eine Überwachung verzichtet, sind auch intime Kontakte zwischen Insassen und den entsprechenden Besuchern nicht unzulässig. Der Wunsch nach Sexualkontakt allein ist jedoch kein ausreichender Grund für einen Langzeitbesuch. Langzeitbesuche können auch Besucher in Anspruch nehmen, für die ein Intimkontakt nicht in Frage kommt (zB Kinder).

 

Berechtigte Insassen:

Nicht nur Strafgefangene haben die Möglichkeit zu Langzeitbesuchen, auch Untersuchungshäftlinge, Untergebrachte sowie Personen in Justizgewahrsam können diese Besuchsform in Anspruch nehmen. Ausschlaggebend für die Gewährung von LZB sind das Verhalten der Inhaftierten im Vollzug und der Ausschluss besonderer Sicherheitsgründe. Kein Kriterium für die Ablehnung von LZB sind die Strafhöhe bzw. die Strafandrohung oder die Vollzugsform.

 

Berechtigte Besucher:

Zum Besuch zugelassen sind Angehörige iSd § 72 StGB (dazu gehören auch verschieden- und gleichgeschlechtliche Lebenspartner) und auch andere Personen, zu denen eine feste Beziehung oder persönliche Bindung besteht. Diese ist von Fachdiensten zu überprüfen und muss mindestens seit einem Jahr vor der Inhaftierung bestehen. Der Insasse oder der Besucher hat den Nachweis über dieses Bestehen zu erbringen (zB diverse Urkunden, Nachweis der gemeinsamen Wohnadresse, usw.). Besucher unter 14 Jahren sind nur in Begleitung Erwachsener erlaubt.

 

 

Grundlegende Voraussetzungen für den Erhalt von LZB:

Es muss ein entsprechender Antrag vom Insassen gestellt werden, die allgemeinen Voraussetzungen für einen Besuchsempfang müssen gegeben sein. Weiters müssen die Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 StVG erfüllt sein und es muss eine Genehmigung des Anstaltsleiters, oder von einer von ihm betrauten Person vorliegen. Bei Untersuchungshäftlingen benötigt man zusätzlich die Besuchsgenehmigung des Staatsanwaltes oder des Gerichts (§ 189 Abs. 1 StPO). Vor Gewährung eines LZB sollen mit jener Person drei ordnungsgemäß verlaufene Besuche erfolgen. Die Mindestanhaltedauer vor Durchführung eines LZB soll drei Monate betragen. Diese kann jedoch auch verkürzt oder aufgehoben werden, wenn der Insasse in einer anderen Anstalt bereits LZB bekommen hat.

 

Ausschließungsgründe:

-       Das/Die Opfer der Straftaten sind vom LZB ausgeschlossen

-       Die Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 StVG sind nicht erfüllt

-       Diese oder eine andere Besuchsform wurde missbraucht

-       Durch den Besuch ist ein negativer Einfluss zu befürchten (§ 86 Abs. 2 StVG)

-       Beim Wegfall ursprünglicher Genehmigungsgründe ist auch die Langzeitbesuchserlaubnis zu widerrufen

-       Wenn die Zwecke des LZB durch Maßnahmen anderer Art erreicht werden können.

 

Entscheidungsprozess:

Das Ansuchen des Insassen geht an den Anstaltsleiter. Der Entscheidungsträger hat sich durch die Fachdienste und etwaige Justizbedienstete beraten zu lassen. Vor der Entscheidung des ersten LZB sind durch den Fachdienst je ein Vorgespräch mit dem Insassen und mit dem Besucher zu führen. Dies soll in der Regel durch Mitarbeiter des sozialen Dienstes erfolgen. Diese Gespräche dienen der Erhebung, Einschätzung und Überprüfung der Beziehung, der persönlichen Bindung, der Überprüfung der Freiwilligkeit, der Vermittlung von Rahmenbedingungen und der Erklärung des Ablaufs des LZB. Wird ein LZB missbraucht, ist der Insasse abzumahnen und auf Folgewirkungen (zB Verkürzung der Besuchsdauer, Senkung der Besuchsfrequenz usw.) bis hin zu Ordnungsstrafen hinzuweisen.

 

Anzahl der Besucher:

Maximal sollen 3 Besucher zur selben Zeit zugelassen werden, bei Kindern kann die Anzahl der Personen erhöht werden.

 

Räumlichkeiten:

Die Räume des LZB sollen sich außerhalb des „Gesperres“ befinden, um den Kontakt zu anderen Insassen zu vermeiden. Es ist eine Sprechverbindung zum Wachzimmer zu installieren und es soll bei der Ausstattung darauf geachtet werden, dass die Räumlichkeiten verschiedenartig genutzt werden können. Sie sollen über eine Kochnische, Sitz- und Schlafgelegenheiten, Sanitäranlagen, Radio, Fernseher usw. verfügen. Auch auf eine kinderfreundliche Ausstattung ist zu achten.

 

Mitnahme von Gegenständen:

Besucher sollen nur das Nötigste (einfache Toiletteartikel, Windeln, usw.) mitnehmen. Die in allen Justizanstalten vorhandenen „Take care“-Pakete oder Kondome sind in den Langzeitbesuchsräumlichkeiten zur Verfügung zu stellen.

 

Verpflegung:

Besucher und Insassen können an der Anstaltsverpflegung teilnehmen.

 

Besuchszeiten, -dauer und –frequenz:

Die LZB sind nicht an die Besuchszeiten gebunden. Die maximale Besuchsdauer kann bis zu 14 Stunden betragen und soll nicht unter 3 Stunden liegen. Es ist – je nach Kapazität – zumindest alle 6 Wochen ein LZB zu gewähren.

Der Besuch kann jederzeit vom Besucher oder Insassen beendet werden. Bei Gefahr im Verzug wird der Besuch von Amts wegen unterbrochen.

Dieser Erlass wurde in die Erlassevidenz unter „Organisation/Strafvollzug“ aufgenommen (vgl. Republik Österreich BMJ) und wurde aufgrund folgender Entscheidung des VwGH eingeführt, die 2005 vom VwGH getroffen wurde. Damals hatte der VwGH einem inhaftierten Beschwerdeführer der JA Graz/Karlau Intimkontakt zugesprochen. Folgendes hatte sich zugetragen:

Der Beschwerdeführer verbüßte eine lebenslange Strafe wegen Mordes und schweren Raubes in der Justizanstalt X. Am 29. März 2001 stellten der Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin als Zweitbeschwerdeführerin einen Antrag auf Ermöglichung von Sexualkontakten. Art. 8 und 12 EMRK sowie § 44 ABGB räumten dieses Recht ein. Der Leiter der Justizanstalt X gab dem Ansuchen mit der Begründung nicht statt, dass der wesentliche Aspekt eines Besuches gemäß den §§ 93 ff StVG in der Ermöglichung sozialer Kontakte verbaler Natur zwischen einem Strafgefangenen und seinem Besucher bestehe. Auch wenn auf die Überwachung solcher Besuche, soweit keine Bedenken bestünden, verzichtet werden könnte, sei die Einräumung von Sexualkontakten in diesem Rahmen gesetzlich nicht vorgesehen. Die belangte Behörde gründete ihren Bescheid gegenüber dem Erstbeschwerdeführer auf § 20 Abs. 2 und § 93 Abs. 2 StVG. Sie vertrat die Auffassung, Strafgefangenen werde weder im Strafvollzugsgesetz noch durch familienrechtliche Bestimmungen des ABGB ein subjektives Recht auf Fortsetzung der Geschlechtsgemeinschaft mit dem Ehepartner während des Strafvollzuges eingeräumt. Aus dem § 93 Abs. 2 StVG sei kein subjektives Recht auf geschlechtliche Begegnung ableitbar. Daraufhin erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 30. Oktober 2002 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat. Dieser hat unter Bedacht der maßgeblichen Bestimmungen des StVG wie folgt entschieden: Der Antrag der Zweitbeschwerdeführerin wurde abgelehnt, da laut den §§ 119 und 120 StVG nur ausdrücklich Strafgefangene ein Beschwerderecht haben. Am 21.6.2005 entschied der VwGH unter Bedacht der Novelle des StVG 1993 und der EMRK, dem Beschwerdeführer den von ihm angesuchten Intimkontakt zu zusprechen. (vgl. VwGH Erkenntnis 21.6.2009, www.ris.bka.gv.at) In seiner Entscheidung hat der VwGH ausgeführt: „Alle diese Überlegungen führen zu dem Ergebnis, dass aus dem StVG i.d.F. der Novelle 1993 kein genereller Ausschluss der Ermöglichung von Intimkontakten zwischen Strafgefangenen und ihren Ehepartnern bei Besuchen in der Strafanstalt abgeleitet werden kann.“ (Holzbauer/Brugger, 1996, StVG, S. 438ff)

Holzbauer teilte dazu mit, dass der Kommentar Holzbauer/Brugger 1996 die Denkweise einer Arbeitsgruppe von JustizsozialarbeiterInnen zur Erarbeitung der StVG-Novelle/Entwurf Grüner Klub im Parlament wiedergibt, in die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes also indirekt die Position von SozialarbeiterInnen zum Intimbesuch Eingang gefunden hat (VwGH Erkenntnis 2005/06/0034). Diese VwGH-Erkenntnis war ein Handlungsauftrag für die Justizverwaltung zur Schaffung der Voraussetzungen des Langzeitbesuches. Vom Bundesministerium für Justiz, Sektionschef Dr. Michael Neider, wurde in der Folge eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung von Richtlinien für den Langzeitbesuch eingesetzt. Der Rahmenerlass für die Durchführung von Langzeitbesuchen vom Juli 2008 (BMJ-VD43201/0006-VD 2/2008) geht auf die Vorarbeit dieser Arbeitsgruppe zurück.

 

 

3.2      bisherige Erfahrungen

 

Trotz entsprechender Gesetze und des Rahmenerlasses zur Durchführung von Langzeitbesuchen besteht noch nicht in jeder Justizanstalt in Österreich für Insassen die Möglichkeit, LZB in Anspruch zu nehmen, geschweige denn Intimkontakte zu pflegen. Es gibt jedoch auch positive Erfahrungen aus Justizanstalten, die Räumlichkeiten für Langzeitbesuche eingerichtet haben. So wurde am 28. Juni 2008 in der JA Wels ein Familien- und Langzeitbesuchsbereich eröffnet.


Es wurde zu diesem Zweck eine kleine Wohngruppeneinheit des Freigängerhauses adaptiert und den Bedürfnissen eines Familienbesuchsraumes entsprechend freundlich und familiengerecht eingerichtet.

Dies fördert den Kontakt und die Kommunikation mit Angehörigen und begünstigt den Fortbestand von Ehen bzw. Lebensgemeinschaften. (vgl. Mock 2008, Intranet des Strafvollzuges)

Auch in der Justizanstalt Stein wurde ein „Haftraum der Liebe“, wie er im Kurier am 1. September 2008 bezeichnet wurde, eingerichtet. Redakteur Franz Resperger beschrieb anhand von Gesprächen mit Christian Timm, dem Direktor des Hochsicherheitsgefängnisses, Justizwachebeamten, Insassen und Angehörigen, wie gut diese Räumlichkeiten angenommen werden.

Seit einem Jahr dürfen sich vorbildliche Insassen in den Familienbesuchsräumen ihren Familien oder ihren Partnerinnen widmen.

Christian Timm erinnert sich daran, dass die Öffentlichkeit die Einrichtung dieser Räumlichkeiten nicht sehr gut aufnahm. Obwohl es seit dem Jahr 1993 gesetzlich verankert ist, dauerte es 15 Jahre bis die ersten vier Justizanstalten (Leoben, Stein, Suben und Wels) Familienbesuchsräume einrichteten.

„Wenn die Voraussetzungen stimmen, darf mich vier Mal im Jahr für drei Stunden meine Lebensgefährtin besuchen. Ich weiß von mir und meinen Kumpels, dass die Kuschelzelle viele Aggressionen abbaut.“ (Leo K. zit. nach Resperger 2008, S. 9)

Die Aussage des wegen Körperverletzung inhaftierten Herrn K. bestätigt auch der Direktor von Stein. Nach seiner Aussage gab es bis zu 60 Familienbesuche im ersten Jahr und die Privilegien wurden nie missbraucht. Die Insassen müssen sich an die Spielregeln halten. Neben den zahlreichen Voraussetzungen, die sie erfüllen müssen, werden die Gefangenen vor und nach dem Langzeitbesuch einem Harntest unterzogen, um sicher zu gehen, dass kein Alkohol oder keine Drogen in die Räumlichkeiten geschmuggelt wurden.

Für die Resozialisierung und die Hemmung von späteren Aggressionen ist der Erhalt von Familienkontakten wichtig, so Timm. Auf die Frage, warum in anderen Justizanstalten diese Räumlichkeiten nicht adaptiert werden, meinte die Pressesprecherin Christine Stockhammer gegenüber dem Kurier, dass dies oft an den baulichen Voraussetzungen scheitert. (vgl. Resperger 2008, S. 9)

Ein Bericht aus der Schweiz bestätigt diese Erfahrungen. Die Luzerner Zeitung vom 7. April 2006 berichtet von den Erfahrungen im Gefängnis Grosshof. Dort misst das „Beziehungszimmer“ 21 Quadratmeter und ist bei weitem kein Ort, an dem man sich wohlfühlt. Weiße Wände, ein vergittertes Fenster, nicht einmal Bilder. Über der Tür werden die Benutzer dieser Räume ständig an die fortschreitende Zeit erinnert. In einem Regal sind Badetücher vorbereitet und auch Bettwäsche, Zeitungen und vor allem Kondome liegen bereit. Um es sich gemütlich zu machen, stehen ein ausziehbares Sofa und zwei Stühle bereit. „Diese Zeit teilen die Benutzer selbst ein. Die mindeste Nutzdauer beträgt eine Stunde, man darf das Zimmer aber auch fünf Stunden am Stück reservieren. Das bleibt jedem Einzelnen überlassen,“ sagt Grosshof-Direktor Hans-Rudolf Schwarz. Auch hier wird dieser Besuchsraum nicht mit Kameras überwacht. Die Gefangenen und die Besucher betreten den Raum durch verschiedene Türen, damit niemand sieht, wer mit wem reingeht. „Dieses Zimmer dient nicht der puren Befriedigung sexueller Triebe, sondern dem Erhalt vor der Haft bestehender Partnerschaften. Deshalb sind Besuche von Prostituierten verboten,“ sagt Schwarz.

Professor Andreas Maercker vom Psychologischen Institut der Universität Zürich findet, dass die Beziehung zum Lebenspartner bei Gefangenen sehr wichtig ist: „Sie sind oft die letzten Kontaktpersonen und nach der Entlassung der wertvollste Garant für die Resozialisierung.“ Der stellvertretende Direktor der halb offenen Strafanstalt Wauwilermoos sieht das anders. „Der Entzug der Sexualität gehört zur Strafe wie das fehlende Feierabendbier.“

Doch Sexentzug ist für Maercker keine Lösung. „Sexualität ist ein Grundbedürfnis. Kann sie nicht gelebt werden, baut sich Frust auf, der zu Aggressionen wie sexueller Nötigung oder Vergewaltigung führen kann. Oder zu Scheinhomosexualität.“ (vgl. o.V. Luzner Zeitung 2006)

 

Im letzten Kapitel der theoretischen Einführung zu dieser Arbeit wird der Soziale Dienst und seine Aufgaben in Justizanstalten vorgestellt. Weiters wird auf die Unterstützungs- und Resozialisierungschancen noch während der Haft und nach der Entlassung eingegangen.

 

 

 

4.1      Aufgaben sozialer Dienste in Justizanstalten

 

Zum allgemeinen Verständnis werden zu Beginn dieses Kapitels grob die Aufgaben und den Tätigkeitsbereich einer JustizsozialarbeiterIn beschrieben. Danach wird auf das Thema Resozialisierung und ihre Chancen eingegangen. Die folgende Beschreibung wurde von Justizsozialarbeitern zusammengefasst und nicht veröffentlicht.

 

Justizsozialarbeiter haben folgende Aufgaben:

1.    Betreuung und Behandlung von InsassInnen entsprechend den Grundsätzen und anerkannten Methoden der Sozialarbeit

a.    Erstellung einer Sozialanamnese

b.    Leistung individueller psychosozialer Hilfen

c.    Anleitung, Betreuung und Beratung in sozialen, familiären, persönlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten

d.    Angehörigenbetreuung und Beratung

e.    Anleitung zur Aufrechterhaltung der Kontakte zur Außenwelt

f.     Anleitung zur Beziehungspflege

g.    Krisenbewältigung – Krisenintervention

h.    Motivationsarbeit bzw. –förderung zur Einsicht individueller Problemlagen […] und Stärkung der sozialen Kompetenz bzw. Erweiterung der Ressourcen

i.      Mitwirkung bei der Gewährung von Vollzugslockerungen und der Klassifizierung in eine Strafanstalt

j.      Anleitung zur Entlassungsvorsorge inkl. Schnittstellenmanagement mit Nachbetreuungseinrichtungen und Vorbereitung auf die Entlassung.

 

2.    Organisation der sozialen Betreuung innerhalb der Anstalt – Organisation von Nachbetreuung nach der Haft

a.    Entwicklung und Erstellung von Betreuungskonzepten (zB Ausgangsregelung, Besuchsregelung, Fort- und Ausbildungskonzepte, usw.)

b.    Organisation von speziellen Beratungs- und Betreuungsangeboten externer Einrichtungen innerhalb der Justizanstalt und außerhalb der Anstalt im Rahmen des gelockerten Vollzuges/Freigang, Einbeziehen von Nachbetreuungseinrichtungen

c.    Kooperation/Vernetzung mit/zu anderen Sozialeinrichtungen und Behörden wie Gerichten, BWH, HEH, Aids-Hilfe, Schuldnerberatung, Therapieeinrichtungen, usw.

d.    Koordination sozialer Betreuungsleistungen: sowohl Angebote der verschiedenen Fachdienste, als auch Angebote externer Einrichtungen innerhalb der JA – Schnittstellenmanagement

e.    Mitgestaltung des Entlassungsvollzuges

 

3.    sonstige Aufgaben

a.    Dokumentation der Betreuungsarbeit

b.    Verfassen von Berichten und Stellungnahmen (zB bei Vollzugslockerungen, Therapiemaßnahmen, Anträgen auf Haftunterbrechung, bei bedingten Entlassungen, Klassifizierungen, usw.) (vgl. o.V, o.J.; unveröffentlichtes Skriptum)

 

Die soziale Unterstützung in Justizanstalten ist auch im Strafvollzugsgesetz genau definiert. In § 75 Abs. 1 des Strafvollzugsgesetzes heißt es:

„die Strafgefangenen sind anzuleiten, Beziehungen zu ihren Angehörigen zu pflegen, soweit dies ohne Beeinträchtigung des geordneten Dienstbetriebes in der Anstalt möglich und soweit zu erwarten ist, daß („sic!“) dies die Strafgefangenen günstig beeinflussen, ihr späteres Fortkommen fördern oder sonst für sie von Nutzen sein werde.“ (Gödl, Deißenberger, 2007, S. 57)

Am 1.4.1994 erschien eine neue „Vorschrift für den Sozialen Dienst in den Justizanstalten“. Auch in dieser Vorschrift ist der Aufgabenbereich der Justizsozialarbeiter beschrieben. Zusammenfassend wird erklärt, dass jeder Neuzugang durch den sozialen Dienst aufzusuchen ist und in diesem Erstgespräch folgende Angelegenheiten besprochen werden sollen: Angehörigenkontakte, wirtschaftliche und finanzielle Fragen, Berufsausbildungsmaßnahmen, Wahrnehmung von zivilen Rechtsansprüchen, Persönliche Probleme und Krisenbewältigungen. Bei diesem Zugangsgespräch soll auch geklärt werden, ob eine weitere Betreuung notwendig ist, und wer sie übernimmt. Weiters wird in der Vorschrift erklärt, wie die Entlassungsvorbereitungen ablaufen. Die Vorbereitungsmaßnahmen sollen frühestens zwölf Monate vor der Entlassung beginnen. Dazu gehören allgemeine Informationen über Hilfen nach der Haftentlassung, wie zum Beispiel Wohnungsangelegenheiten und Arbeitsmarktförderungshilfen. Besonders wichtig ist individuelle Betreuung von einzelnen Insassen bei eventuell auftretenden Entlassungsproblemen und konkrete Hilfestellung und Information für die Zeit nach der Haft, erforderlichenfalls unter Einbeziehung von Nachbetreuungseinrichtungen (wie zum Beispiel WEGE Wels, NEUSTART Linz, usw.) und der Angehörigen. Am Rande wird in dieser Vorschrift auch erklärt, dass den Justizsozialarbeitern im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten Gelegenheit zu geben ist, an Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen. Auch die Möglichkeit für Supervision soll angeboten werden. Werden die Voraussetzungen an den Supervisor erfüllt, bewilligt das Bundesministerium für Justiz die Refundierung des Supervisionshonorars aus Anstaltsgeldern, vorausgesetzt das Honorar bewegt sich innerhalb der üblichen Grenzen. (vgl. BMJ-53301/4-V4/94)

 

Wie man aus diesem Kapitel entnehmen kann, gehört es zu den Aufgaben der Justizsozialarbeit InsassInnen bei der Pflege von Angehörigenkontakten zu begleiten und zu unterstützen.

 

 

4.2      Soziale Unterstützung und Resozialisierungschancen

 

Soziale Unterstützung und Resozialisierung sind bestimmt von der Frage, welche Rolle sie bei der Vermeidung negativer Haftfolgen tragen. Leider liegen hierzu kaum Forschungsarbeiten vor, jedoch liefert Daniela Hosser einige Hinweise auf entscheidende Gesichtspunkte. Eine mögliche Ursache für den geringen Wirkungsgrad mancher Förderungsangebote im Vollzug könnte sein, dass den InsassInnen das Bewusstsein für die Unterstützungsintention fehlt. Gemeint sind nicht die Unterstützungsleistungen, sondern vielmehr die Tatsache, dass Inhaftierte die Unterstützung oft nicht akzeptieren (hier möchte mir jemand helfen). (vlg. Rokach & Koledin 1997 zit. nach Hosser 2001, S. 75)

Soziale Unterstützung im Strafvollzug beschäftigt sich stets mit Fragen der Resozialisierung und wie Hospitalisierung vermieden werden kann. Entscheidend ist die Aufrechterhaltung von Beziehungen außerhalb des Gefängnisses. Demnach weisen ältere Forschungen auf einen positiven Zusammenhang zwischen der Aufrechterhaltung von Familienbeziehungen und der psychischen Stabilität von Inhaftierten hin. In der Realität des Vollzugs scheinen die Besuchsregelungen, die räumlichen Bedingungen, unter denen Besuche stattfinden und die Einbindung der Angehörigen in die Vollzugsplanung dem Unterstützungsaustausch wenig förderlich zu sein. Leider findet man die einbeziehenden Angebote von Angehörigen sehr selten in Justizvollzugsanstalten. Die spärliche Förderung von Kontakten zur Außenwelt verweist auf das Dilemma des geschlossenen Vollzugs. Einerseits sollen, durch die Abriegelung nach draußen, schädliche Einflüsse vermieden werden, andererseits wird dabei der Umstand vergessen,


dass der Inhaftierte spätestens nach der Entlassung wieder in solche oder ähnlich gestaltete strukturelle Kontexte zurückkehren wird, da ihm diese vertraut sind. (vgl. Hosser, 2001, S. 75f)

„Manchmal beneide ich die Leute hier, die keine Familie haben, weil die sich keine Gedanken zu machen brauchen, wie es denen da draußen geht.“ (Anonym zit. nach Bojack 2007, S. 28)

 

Barbara Bojack beschäftigt sich in der Zeitschriftenreihe „Theorie und Praxis der sozialen Arbeit“ auch mit den Resozialisierungschancen von Inhaftierten. Eine Inhaftierung bedeutet nicht nur Entzug der Bewegungsfreiheit, Verlust von Autonomie und Selbstbestimmung oder einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen, sondern auch eine Beschränkung im Hinblick auf soziale und familiäre Kontakte. Die soziale Isolation, hervorgerufen durch den offensichtlich gewollten Mangel an zwischenmenschlichen Kontakten, bestimmt das Leben im Gefängnis. (vgl. Giesen zit. nach Bojack 2007, S. 28) Mit der Haft werden auch die Beziehungen zu Familien, Freunden und Bekannten abrupt abgebrochen und gehen oft ganz verloren. (vgl. Kawamura-Reindl zit. nach Bojack 2007, S. 29) Viele Bezugspersonen wenden sich aus Enttäuschung oder Ächtung aufgrund der begangenen Straftat ab. Es verwundert daher nicht, wenn manche Familienmitglieder es ablehnen, ihre inhaftierten Angehörigen zu besuchen. (vgl. Lang zit. nach Bojack 2007, S. 29)

Dabei wäre gerade der Kontakt und der Austausch mit vertrauten Personen besonders wichtig, um die Inhaftierung verarbeiten zu können, Haftdepressionen zu überwinden und um andere Haftschäden zu vermeiden. Dieser Mangel an Zwischenmenschlichkeit lässt ein Gefühl der Einsamkeit entstehen und es kann zu einer Störung der Beziehungsfähigkeit kommen. Es verkümmert die Fähigkeit, sich anderen anzuvertrauen, weil ein richtiges Vertrauensverhältnis im Gefängnis nicht aufkommen will, oder vielleicht auch nicht kann. (vgl. Giesen zit. nach Bojack 2007, S. 29) Regelmäßige Kontakte nach außen wirken sich nicht nur fördernd auf den Selbstwert des Inhaftierten aus. Jene Gefangene, die Kontakte pflegen, akzeptieren gesellschaftliche Normen besser. Fehlt der Kontakt, scheint die Motivation für prosoziale Einstellungsveränderungen geringer zu sein. (vgl. Hosser zit. nach Bojack 2007, S. 29)

Soziale und familiäre Kontakte während der Haft sind sowohl im Hinblick auf die Vermeidung negativer Haftfolgen als auch im Hinblick auf die Resozialisierung sehr bedeutsam. Es ist deshalb ratsam, die Kontaktmöglichkeiten auszubauen und Familienangehörige und Ehepartner in den Vollzugsalltag mit einzubeziehen. (vgl. Bojack 2007, S. 29)

 

Familienarbeit in der Sozialen Arbeit wird immer häufiger. Es werden zB Familienseminare, Besuchsnachmittage für Familien, Eheberatungen, Langzeitbesuche, usw., die von SozialarbeiterInnen organisiert, angeleitet und betreut werden, angeboten. (vgl. Koepsel/Wulf zit. nach Bojack 2007, S. 29)

Die Familienarbeit ist Teil der gesamten Beziehungsarbeit, bei der folgende als Ziele und Aufgaben zu nennen sind: die Klärung der ehelichen, familiären und sozialen Verhältnisse, um die richtigen Hilfen einzuleiten, die Erhaltung intakter Bindungen, die Vermittlung bei zerrütteten Verhältnissen sowie die Behebung von Beziehungsstörungen. Schwerpunkt einer sozialarbeiterischen Familienhilfe ist auch die Krisenintervention. (vgl. Wulf zit. nach Bojack 2007, S. 29)

SozialarbeiterInnen dienen in der Netzwerkarbeit als Ersatz für fehlende Netzwerke, als Stütze von vorhandenen Netzwerken sowie als Verbindung zwischen auseinander gerissenen Netzwerkteilen. (vgl. Bojack 2007, S. 33)

 

Gedanken von Jack Corilon, der in Garsten seine Strafe verbüßte, bringen die Frage der Resozialisierung auf den Punkt:

„[…] ich wünsche jedem, dass er einen Weg aus dieser sinnlosen Mühle findet, gestohlene Zeit, die noch keinen wirklich gebessert hat, und nach einer Haft soll er mit NIX wieder zurück … aber bitte wohin???“

(Jack Corilon 2000, S. 42)


 

EMPIRISCHER TEIL


 

 

Auswahl der Forschungsmethoden

 

Als Erhebungsinstrument zur Sexualität im Strafvollzug wurde zum einen die qualitative Forschung gewählt, bei der mit dem Experteninterview gearbeitet wurde. Hierzu wurde ein Interviewleitfaden entwickelt, auf den während des Gespräches zurückgegriffen werden konnte. Weiters wurde der Fragebogen von Gerhild Heuer (1978) als Vorlage herangezogen. Befragt wurden Sonderdienste aus Justizanstalten und die Ergebnisse wurden miteinander verglichen.

 

 

 

 

6.1      Das Leitfadeninterview als Experteninterview

 

Im leitfadengestützten Experteninterview formuliert der Interviewer die Problemstellung und erarbeitet bestimmte Aspekte, die er in einem Interviewleitfaden zusammenfasst und während des Gespräches anspricht. (vgl. Mayring 2002, S. 67) Dabei sind konkrete Aussagen über einen Gegenstand Ziel der Datenerhebung. Durch die konsequente Orientierung am Leitfaden wird die Vergleichbarkeit der Daten erhöht und die Daten gewinnen durch die Fragen an Struktur. Das Interessante ist jedoch, dass man sich nicht strikt an die festgelegte Reihenfolge der Fragen des Leitfadens halten muss. Der Interviewer hat selbst zu entscheiden, ob und wann er genauer nachfragt und wieweit er Ausschweifungen zulässt.


Da sich das Leitfadeninterview an der Offenheit der qualitativen Forschung orientiert, sollte der Interviewer nicht zu starr am Leitfaden kleben. (vgl. Mayer 2004, S. 36) Diese Offenheit hat entscheidende Vorteile: man kann überprüfen, ob man vom Befragten überhaupt verstanden wurde, die Befragten können ihre subjektive Perspektive kundtun und können eigene Zusammenhänge im Interview entwickeln. (vgl. Mayring, 2002, S. 68)

Das Interview ist dennoch auf ein bestimmtes Problem zentriert, auf das der Interviewer immer wieder zurückkommt. (vgl. ebd., S. 67) Die Formulierung und Analyse des Problems muss immer am Anfang stehen. Daraus resultieren zumindest die Einstiegsfragen. (vgl. ebd., S. 69) Die Gespräche bestehen im Allgemeinen aus drei Teilen:

·         Die Sondierungsfragen: sind allgemein gehaltene Einstiegsfragen in das Thema. Dabei soll eruiert werden, welche Bedeutung das Thema für den Befragten hat.

·         Die Leitfadenfragen: sind jene Fragen, die als wichtigste Fragestellungen im Interviewleitfaden enthalten sind.

·         Die Ad-hoc-Fragen: sind Fragen, die Aspekte enthalten, die man im Leitfaden nicht verzeichnet hat und die der Interviewer spontan formuliert.

Festgehalten werden diese Interviews in der Regel mit einer Tonbandaufzeichnung. (vgl. ebd., 70) Nach der Durchführung des Interviews folgt die Auswertung. Der erste Arbeitsschritt ist die wörtliche Transkription. Diese ist für die Auswertung sehr wichtig, denn hier können Textstellen verglichen werden und es erlaubt auch einzelne Aussagen in ihrem Kontext zu sehen was die Basis für Interpretationen liefert. (vgl. ebd., S. 89)

 

 

6.2      Auswahl der Experten

 

Eine besondere Form des Leitfadeninterviews ist das Experteninterview. Der Befragte wird hier nicht als Person befragt, sondern in der Funktion als Experte für bestimmte Themenbereiche. Das Experteninterview bezieht sich auf einen klar definierten Wirklichkeitsausschnitt. Der Befragte ist hier nicht als Einzelfall, sondern als Repräsentant einer Gruppe interessant. (vgl. Mayer, 2004, S. 37)

Für meine Forschung im Rahmen der Diplomarbeit sollten Justizsozialarbeiter aus Wels, Stein und Leoben interviewt werden. Da die Vollzugsdirektion meine Erhebung in diesem Rahmen nicht erlaubte, wählte ich Experten rund um das Thema Sexualität und Strafvollzug. Dabei habe ich Wissenschaftler, Therapeuten, Psychiater, Seelsorger und ehemalige Justizsozialarbeiter befragt.

 

 

6.3      Ziel der Befragung

 

Ich wollte von den Experten erfahren, wie gut sie über das Thema „Familienbesuchsräume“ Bescheid wissen, wie die Entwicklung der vergangenen Jahre bis zu dem Erscheinen des „Rahmenerlasses zur Durchführung von Langzeitbesuchen“ verlief, wie die Meinung über den Widerstand zum Thema „Sexualität im Strafvollzug“ ist und vor allem, welche Rolle die Justizsozialarbeit dabei spielt und welche Möglichkeiten und Grenzen die JustizsozialarbeiterInnen im Umgang mit dem Thema „Sexualität im Strafvollzug“ erfahren. Ein weiteres Ziel der Befragung war, Entwicklungschancen für die Durchführung von Familienbesuchen in der Zukunft zu erfragen. Die Expertenmeinungen zur Zukunft der Besuchsregelung und zur Erleichterung der Umsetzung stand im Mittelpunkt.

 


 

 

Vorbereitung und Durchführung

 

Im Gegensatz zu den Experteninterviews gehört die Fragebogenerhebung zur quantitativen Forschung. Für den standardisierten Fragebogen sind konkrete Fragestellungen zur Messung der entsprechenden Merkmale und Variablen notwendig. (vgl. Mayer 2004, S. 57) Bei der Fragebogenerhebung gibt es drei verschiedene Fragestellungen, geschlossene Fragen, halboffene Fragen und offene Fragen. In meiner Erhebung verwende ich den Fragebogen von Heuer der ausschließlich geschlossenen Fragen beinhaltet.

Für die Frageformulierung eines Fragebogens gelten folgende Regeln: (vgl. Mayer 2004, S. 89)

·         Fragen sollen einfache Worte enthalten

·         Fragen sollen kurz und konkret formuliert sein

·         Suggestivfragen sollen vermieden

·         Fragen sollen nicht hypothetisch formuliert sein

·         Es sollen keine doppelten Verneinungen enthalten sein

·         Fragen sollen sich nur auf einen Sachverhalt beziehen

·         Fragen sollen den Befragten nicht überfordern

 

Ich habe mich entschieden, den Fragebogen von Frau Gerhild Heuer (1978) noch einmal zu erheben und die Ergebnisse zu vergleichen, da ich wissen wollte ob sich die Ansichten von Seiten der Sonderdienste zum Thema „Sexualität im Strafvollzug“ seit 1978 geändert haben. (Fragebogen im Anhang)

 


 

 

8.1      Interviews

 

Die Grundlage für die Bildung der Kategorien, für die Diplomarbeit, stellte der Interviewleitfaden dar. Aus den enthaltenen Fragen wurden Themenschwerpunkte zusammengestellt. Ziel dieser Kategoriebildung war es, die gemeinsamen Aussagen der Experten zusammenzufassen. Dazu wurden die transkribierten Interviews themenspezifisch sortiert, den Kategorien zugeordnet und interpretiert.

Folgende Kategorien wurden gebildet:

·         § 93 Abs. 2 StVG und die Reaktionen auf die Novellierung

·         Entstehung des Rahmenerlasses für LZB und die Reaktionen auf diesen

·         Bedeutung von LZB, von Sexualität im Strafvollzug und die damit zusammenhängende Resozialisierung

·         Aufgabe der Justizsozialarbeit – Kompetenzbereich und Zukunftsvisionen

·         Erfahrungen mit Familienbesuchsräumen – Reaktionen und Argumente bei Nichtumsetzung

 

Die Auswertung basiert auf den Aussagen der befragten Experten, den Interpretationen und zusätzlichen Theorieeinschüben.

 

Kategorie 1: § 93 Abs. 2 StVG und die Reaktionen auf die Novellierung

 

Zu Beginn eines jeden Interviews interessierte mich, wie viel die Experten über die Existenz des § 93 Abs. 2 StVG wissen und ob sie in Bezug auf Besuche und der Novellierung des § 93 Abs. 2 StVG im Jahr 1993 Veränderungen im Strafvollzug bemerkten. Der Großteil meiner Interviewpartner wusste nicht genau worum es im § 93 Abs. 2 StVG geht und ob dieser sich auf den Vollzug auswirkt. Ein Experte erzählte davon, dass es den Paragrafen in der Zeit als er als Justizsozialarbeiter arbeitete (1979 – 1991) noch nicht gab, er verfolgte jedoch die Berichte über die Einrichtung dieses Paragrafen. Als er noch im Strafvollzug arbeitete, wurde dieses Thema zwar schon von sozialarbeiterischer Seite diskutiert und forciert, es gab aber damals keine Bereitschaft, seitens der Justiz, Intimkontakte möglich zu machen. Auf die Frage nach Veränderungen seit der Einführung des § 93 Abs. 2 StVG meinte er, dass sich die Justiz zwar ein Stück weit daran gewöhnt hat, es aber trotzdem wichtigere Themen als die Sexualität gibt. Weiters wurde mir erzählt, dass es schon Paarseminare in einer JA gibt.

 

Das heißt, wo Insassen und Partnerinnen, ich war selbst Berater, jetzt machen es eine Kollegin und ein Kollege, die machen jetzt ein Paarseminar. Wo es jetzt aber nicht die Möglichkeit gibt, also es geht nicht um Intimbesuche, sondern das ist ein Seminar, wo die Paare ihre Probleme besprechen können, die sie zum Beispiel im Besuch nie besprechen. Also es geht um Arbeit mit den Paaren. Das ist neu, ob das damals erlaubt wurde wegen dieses Paragraphen das weiß ich gar nicht, aber ich vermute, dass es schon eine Rolle gespielt hat, weil auch der damalige Anstaltsleiter es genehmigt hat. Seit drei Jahren haben auch wir von der Seelsorge, wir nennen es Familientreffen, das heißt, wo Insassen Angehörige einladen können, meisten machen wir das in der Ferienzeit, also Weihnachtsferien und Sommerferien, dass die Kinder auch mit kommen können. Da können sie Angehörige, Freunde, Freundinnen, Menschen, die ihnen wichtig sind, einladen und ganz unkompliziert bei einem Kaffee beisammen sitzen und reden. Das hat als Hintergrund, dass der jetzige Anstaltsleiter es erlaubt hat, denn Intimräume will er nicht, offiziell sagt er das nicht, aber im Grunde, also wir haben eh dieses Paarseminar und das Familientreffen. Das heißt, Familien haben einmal die Möglichkeit, länger mit den Insassen zusammen zu sein. Aber das ist natürlich noch nicht das, was vorgesehen ist.“ (Interview II, Zeile: 15 – 32)

 

Immer wieder wird die Auslegung des § 93 Abs. 2 StVG erwähnt, dazu meinte ein Interviewpartner:

 

„Das ist ein österreichisches Phänomen, vielleicht überhaupt auch außerhalb der Justiz, das ist immer so wie ist es gemeint und wie steht es drinnen. Und je nachdem, welche Leute gerade in Leitungspositionen sind, können sie mehr achten auf das Inhaltliche oder sie werden mehr achten auf das Formale. Wir hatten im letzten Jahr einen Überhang von den Leuten, die auf das Formale achten. Also Leute, die schauen, ob der Vollzugsparagraf wörtlich genommen wird und dann wird interpretiert, wie das gemeint sein könnte und solange die Interpretation unklar ist, bleibt man beim Wörtlichen. […] Gemeint war es natürlich so, dass Leute zusammen kommen können und für einen bestimmten Zeitraum ein eheähnliches, eheähnliche Begegnung leben können […] das war allen klar, die diesen Paragrafen gemacht haben. [War es nicht klar], dann müsste man in den Paragrafen dezidiert hineinschreiben, wofür ist es nicht gedacht [ist], oder man will es haben, dann schreibt man es rein. Warum haben sie es nicht hinein geschrieben, weil sie gedacht haben, es kommt ein Aufschrei der Bevölkerung und dann zu sagen, den halt ich aus, den Aufschrei der Bevölkerung, weil ich kann nachweisen, dass es in Wahrheit der Resozialisierung dient und dem Abbau der Gefährlichkeit, und dann steh ich das durch.“ (Interview VI, Zeile: 78 – 98)

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Kenntnis der gesetzlichen Lage bezüglich Besuchsregelungen im Strafvollzug nicht sehr hoch ist. Meiner Meinung nach ist hier noch mehr Öffentlichkeitsarbeit nötig. Denn das Bundesministerium für Justiz und der Nationalrat legten bei der Ausarbeitung und beim Beschluss des § 93 Abs. 2 StvG ein hohes Maß an Zurückhaltung an den Tag, da es nach jahrzehntelangen heftigen Diskussionen mehrere fehlschlagende Anläufe gab. (vgl. Gratz 2007, S. 103f.)

 

 

Kategorie 2: Entstehung des Rahmenerlasses für LZB und die Reaktionen auf diesen

 

Die Einführung des Rahmenerlasses für die Durchführung von Langzeitbesuchen ist allen interviewten Experten bekannt. Die Reaktionen darauf waren sehr unterschiedlich, aber großteils positiv. Die Interviewpartner sind der Ansicht, dass es eine sehr fortschrittliche Maßnahme ist, Gefangenen persönlichen Kontakt zu PartnerInnen und Angehörigen zu ermöglichen, obwohl die Umsetzung sehr schleppend vorangeht. Die Experten meinten immer wieder, dass die Position der Anstaltsleiter sehr wesentlich für die Umsetzung der Besuchsräume ist. Familienbesuche erzeugen in der ersten Zeit nach der Umsetzung Ungleichheiten. Es gibt Justizanstalten, in denen sie möglich sind und andere, in denen sie nicht möglich sind. Auch der Erlass wird nicht erreichen können, dass alle Anstaltsleiter gleichförmig entscheiden. (vgl. Gratz 2007, S. 111)

 

Naja, nachdem der Chef, der Anstaltsleiter, dahinter steht, war es nicht so schwierig. Die Insassen haben es natürlich positiv aufgenommen, sie nutzen das auch und von der Belegschaft her waren am Anfang schon Unsicherheiten, aber der Anstaltsleiter hat dann den Auftrag gegeben an einen leitenden Beamten, ein Konzept zu entwerfen, wie das über die Bühne gebracht werden kann, danach hat es eine Besprechung gegeben und dann ist das einfach umgesetzt worden. Das war eigentlich kein großer Aufwand.“ (Interview III, Zeile: 30 – 36)

 

Nach der Einführung des Rahmenerlasses war zu klären, wer die Besuche nutzen darf, für wen sie gedacht sind. Auch in dieser Frage waren sich die Interviewpartner einig. Sie waren der Meinung, dass die Besuche nicht auf verheiratete Paare beschränkt werden sollte.

 

„Das ist genau der springende Punkt. Das war gleich, nachdem wir diese Idee aufgebracht haben, war das gleich, also, für wen soll das gelten und wenn dann auf gar keinen Fall. Also, ich finde das absolut lächerlich, ich meine, es ist vielleicht nicht ganz vergleichbar, aber es ist ja ähnlich mit der Sexualität in Altersheimen. Das ist auch ein mindest ebenso großes Tabu. Heute ist man wenigstens soweit, dass man Ehepaare in Doppelzimmern unterbringt, dass man auch vielleicht Leute, die sich finden als späte Lebenspartnerschaft, unterbringt, aber es gibt im Ausland bereits Fälle, wo Prostituierte ins Altersheim gebracht werden, um dort den Männern die sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Und die Frage ist, warum soll das im Strafvollzug nicht auch sein? Ich finde, dass es nicht davon abhängig gemacht werden sollte, in welcher Beziehung jemand lebt, sondern, dass man es davon abhängig machen sollte – es hängt natürlich immer mit der Führung zusammen, alles, was im Strafvollzug ist, auch wenn ich auf etwas einen Rechtsanspruch habe, dann kann es unter Umständen durch schlechte Führung verwehrt werden.“ (Interview VIII, Zeile: 81 – 94)

 

„ […] das heißt, es soll nicht davon abhängig gemacht werden, in welcher Beziehung jemand lebt, sondern es sollte davon abhängig gemacht werden, welchen Nutzen es für die Resozialisierung – obwohl ich finde, dass das Wort relativ problematisch ist – also welchen Nutzen [.] für sein späteres Fortkommen, sein späteres Leben daraus gezogen werden kann. Ich meine, warum sollte jemand, der verlobt war, bei seiner Einlieferung oder seiner Straftat, jetzt diese Möglichkeit nicht haben, seine Beziehung weiter zu pflegen oder sogar auszubauen, um dann, wenn er raus kommt, zu heiraten.“ (Interview VIII, Zeile: 94 – 101)

 

Es wird klar, dass die Experten kein Problem darin sehen, wenn auch nicht verheiratete Insassen Besuch empfangen, sofern sie sich Besuche von Prostituierten leisten können. Das einzige Problem, welches hier angesprochen wurde, war die Reaktion der so regressiven österreichischen Bevölkerung und die Tatsache, dass die Familienbesuchsregelung zu sehr pathologisiert wird und es möglicherweise früher oder später nicht mehr um soziale Beziehungen geht, sondern darum, sich körperlich ausleben zu können.

 

Kategorie 3: Bedeutung von LZB, von Sexualität im Strafvollzug und die damit zusammenhängende Resozialisierung

 

Hierzu gab es eine Reihe interessanter Aussagen der Experten. Grundsätzlich wurde das Delikt vom Grundbedürfnis nach Sexualität getrennt. Auch im Hinblick auf die Resozialisierung waren sich die befragten Experten großteils darin einig, dass regelmäßig gewährte Kontakte, auch sexueller Natur, dazu beitragen können, dass Insassen nach der Haft besser in ihr Leben zurück finden. Trotzdem ergaben die Interviews, dass die Experten sehr behutsam auf dieses Thema zugehen und sich trotz grundlegender Haltung oftmals nicht ganz „festnageln“ ließen. Daraus lässt sich schließen, dass das Thema Sexualität in den Justizanstalten nach wie vor ein großes Tabu ist:

 

„Zur Sexualität im Strafvollzug wäre aus meiner Sicht grundsätzlich zu sagen, dass es ein Tabu ist, dass niemand darüber reden will, dass es aber ein wesentlicher Bestandteil des Lebens der Gefangenen ist, das man aber so weit wie möglich ignorieren will. Es kommt natürlich zu verschiedensten Ausprägungen oder Vorfällen, je nachdem, von welcher Seite man das sehen will. Ich habe also in einem gerichtlichen Gefangenenhaus gearbeitet, also in der Justizanstalt xy, wo Männer und Frauen waren, Erwachsene und Jugendliche und, obwohl die Leute in der Regel nicht länger als zwei, zweieinhalb Jahre dort untergebracht waren, weil die, die längere Strafen hatten, kamen ja in die Vollzugsanstalten, ist es natürlich auch dort zu sexuellen Übergriffen oder sexuellen Tätigkeiten gekommen. Also zu Ersatzhomosexualität, auch Vergewaltigung kam einmal vor.“ (Interview VIII, Zeile: 13 – 24)

 

„ […] klarerweise, die sexuelle Spannung muss irgendwo raus, und wenn sie nicht auf natürliche Weise befriedigt werden kann, dann kommt es zu anderen Handlungen, das kann Aggression sein, indem ich jemanden angreife oder dauernd unter Strom stehe und nicht normal reagiere. Es ist sicherlich gut für das Zusammenleben zwischen den Gefangenen, weil es ja dementsprechend ruhiger wird und im Zusammenleben zwischen Wachebeamten und Gefangenen und natürlich auch für das zukünftige Zusammenleben draußen.“ (Interview VIII, Zeile: 71 – 77)

 

Die Resozialisierung durch sexuelle Kontakte betrachteten manche Experten, mit Vorsicht. Sie meinten auf meine Frage: „Glauben Sie, dass Sexualkontakte in Haftanstalten zur besseren Resozialisierung beitragen könnten“, folgendes:

 

„Also, das wäre mir zu dünn. Sex reduziert den Rückfall, Sex ermöglicht Integration, das wäre mir zu einfach. Das glaube ich nicht, also, ich bin kein Sexualwissenschaftler, ich glaube, dass dies nicht einmal wissenschaftlich in der Form so haltbar ist. Dass Sexualität so als Praxis zum Aggressionsabbau führen kann, das ist mir schon bewusst, aber ich glaube das […] Also ich denke, soweit ich das verstanden habe, geht es ja nicht nur darum, dass man ja nicht nur der Sexualität oder des Sexwillens rein geht, sondern es geht um die Pflege der sozialen Beziehung zu meiner Partnerin und da kann die Sexualität sozusagen ein unterstützendes Element zur Resozialisierung sein, weil ich ja so meinen Kontakt zu meiner Partnerin pflegen kann. Und so ein fließender Übergang in die Freiheit passiert. Aber da spielen dann die anderen Beziehungsfaktoren wie bei jedem anderen auch eine Rolle. Von daher ist das ein Teil, der das unterstützt, aber nichts Besonderes. Also, ich würde dem da nicht so die große Aufmerksamkeit zumessen, sondern das gehört dazu. Aus meiner Sicht halte ich es für gelungen. Ich kann mich an einige Fälle erinnern, wo es gelungen ist, während der Haft eine Beziehung aufzubauen, damals natürlich ohne Sexualität, oder wo dann im Bereich des Freigangs solche Sachen möglich werden. Dass das in der Regel eher fördernd und stützend war. Okay, da hab ich dann jemanden dem ich vertrauen kann, wo ich mich fallen lassen kann, der mich stützt, unter dem Aspekt ist diese Bildersprache der Sexualität einfach fördernd.“ (Interview I, Zeile: 171 – 192)

 

Ein weiterer Experte, der hauptsächlich mit Haftentlassenen arbeitet, äußerte sich dazu folgendermaßen:

 

„[…] dass es Leute gibt, denen das sehr wohl hilft bei der Resozialisierung, denen es hilft in Richtung Veränderung für ihr Leben nach der Entlassung, wo es zu einer Stabilisierung von Beziehungen oder sozialen Netzen kommt. Ich kenne aber genau das umgekehrte Beispiel. Wo es zu einer Unruhe kommt, zu einer Destabilisierung bei den Leuten, dadurch, dass man jemanden sieht beim Besuch und dann kommt er wieder nicht, also diese Ungewissheit, wie lang sitze ich noch, was bei Maßnahmenleuten ganz schwierig ist, und mit dem umgehen zu lernen, ich will nur raus, und da gibt es jetzt diese Leute zu denen ich will, und die sehe ich nur so selten. Das heißt, ich glaube, dass man da keine generelle Antwort darauf finden kann. Weil das auch so individuelle Reaktionen hervorrufen kann. Ich denke, natürlich ist es gut, soziale Kontakte zu pflegen, im höchstmöglichen Rahmen.“ (Interview V, Zeile: 20 – 30)

 

Die Experten waren der Meinung, dass „das Verbot von sexuellen Kontakten eine bedeutende Rolle spielt. Die Umstände belasten die Beziehungen auf das Äußerste.“ (Gratz 2007, S. 110)

 

Naja, ich denke mal, wenn man es so verstehen kann, ist es ja nicht der Langzeitbesuch mit dem Ziel, dass Familien die, wo jemand in Haft kommt, meistens der Mann, nicht auseinander fallen sollen, weil ja die Rückkehr in die Familie meistens der bessere Resozialisierungsschritt ist, vorausgesetzt, das Delikt hat nicht in der Familie stattgefunden. Nun wissen wir, bei einer längeren Haft ist die Gefahr, dass die Familie sich distanziert, sich neue Beziehungen bilden, möglicherweise gerade auf Grund der fehlenden Kontakte, so dass man sagen kann, wenn dieser Kontakt gehalten wird, ist es möglicherweise eine tolle Möglichkeit, Familienerhalt zu fördern.“ (Interview VI, Zeile: 9 – 17)

„Ja, das glaube ich sicher. Weil einer hat mir das einmal erzählt: jetzt ist er das erste Mal draußen, das heißt, er hat das erste Mal draußen übernachten dürfen, ich weiß nicht, war er zwei Tage bei seiner Frau oder Freundin. Als ich ihn fragte, wie es war, antwortete er, ja es war eh ganz schön, aber in der Sexualität hat es nicht so ganz hingehauen. Und das ist mir völlig klar, dass dieser Bereich, wahrscheinlich von beiden Seiten mit hohen Erwartungen und Ängsten verbunden ist, und ich denke, wenn ich herinnen schon was anderes leben kann, wenn ich merke, da gibt es eine Möglichkeit zur Annäherung, da geht es ja nicht sofort um Sexualität, aber wenn man auch einmal in einem anderen Rahmen beisammen sein kann und vielleicht auch einmal Sexualität leben kann, dann merkt man, ich meine, das braucht ja Zeit, und dass das dann den Druck nehmen würde und sich positiv auf Beziehungen auswirken könnte. Da bin ich mir sicher. Was ich sehr sinnvoll halten würde, dass man zum Beispiel, ich meine, man kann niemanden verpflichten, aber wenn die zum Beispiel hier ein Wochenende herinnen miteinander verbringen, dass man sie zum Beispiel anhalten würde, mit dem Psychologen oder so zu reden, wie es war. Dass man denjenigen dann unterstützt, wenn der erzählt, was waren die Probleme und so. Für die Frau wäre es auch spannend, wie war für sie das. Was ich immer wieder höre, ich weiß nicht, ob das stimmt, dass die Frauen das nicht wollen. Was ich mir vorstellen kann.“ (Interview II, Zeile: 113 – 131)

 

Zusammenfassend ist die Durchführung von Langzeitbesuchen zum Zweck der Aufrechterhaltung von sozialen Beziehungen und zur aktiven Sexualität zu befürworten und flächendeckend umzusetzen. Denn nicht nur für die Insassen ist die Zeit der Haft schwierig, sondern auch für die Partnerinnen die „draußen“ ihr Leben ohne ihren Mann meistern müssen.

 

Kategorie 4: Aufgabe der Justizsozialarbeit – Kompetenzbereich und Zukunftsvisionen

 

Zum Aufgabenbereich der Justizsozialarbeit äußerten sich die Experten sehr unterschiedlich. Einige waren der Meinung, es sei ganz eindeutig die Aufgabe der Justizsozialarbeit, Insassen zu begleiten und die Pflege sozialen Beziehungen zu ihren Angehörigen zu unterstützen.


Dazu gehören auch sexuelle Beziehungen. Andere waren wiederum der Ansicht, dass die Justizsozialarbeit nicht alleine dafür zuständig ist, sondern das gesamte Vollzugsteam.

 

„Das ist so eine Geschichte, in der Betreuung, bei uns gibt es eben die Sonderdienste, psychologischer Dienst, sozialer Dienst, und da ist das eine Sache des Vertrauens. Je nachdem, wie der Kontakt zu den Klienten ist. Wenn der intensiver ist, kann ich es mir schon vorstellen, dass das angesprochen wird, auch bei der Sozialarbeit. Oder wenn ein regelmäßiger, intensiver Kontakt besteht, ebenfalls zum Psychologischen Dienst. Da es was sehr Intimes und Persönliches ist, sollten auch die Chemie und der Draht passen. Denn das spricht man halt nicht bei jedem an.“ (Interview III, Zeile: 112 – 119)

 

„[…] [was] ich leider kaum in der Realität erlebt habe ist, dass man in der gemeinsamen Sache interdisziplinär gemeinsam daran arbeitet. Dass ein Sozialarbeiter genauso wie Psychologen, wie Seelsorger, wie ein Arzt – ist ja auch eine wichtige Geschichte - wie Sicherheitsbeamte, die gemeinsam da arbeiten und jeder seine Perspektive dazu einbringt und man möglichst professionell daran arbeitet. Es kann in einzelnen Fällen so sein, dass es auch Sache des Seelsorgers ist […]. Das habe ich immer wieder erlebt, dass Angehörige vor allem den Seelsorger gesucht haben. Hängt vielleicht mit der Person zusammen. Für mich ist es schon bezeichnend […]. Ich kenne einen Verein in Wien, der eine Angehörigen-Arbeit macht. Wer hat das initiiert? Ein evangelischer Seelsorger, der alleine für – weiß nicht für wie viele – Gefängnisse zuständig ist. Und ich weiß nicht, wie viel in der Josefstadt Sozialarbeiter sind – fünf oder noch mehr? Könnten die auf die Idee kommen, so was zu machen? Ich glaube, dass das höchst wichtig ist dass die Angehörigen unterstützt werden und dass die eine Möglichkeit der Aufarbeitung von deren Geschichten haben. Ich finde das höchst wichtig und dass kann […] zutiefst zur Sozialarbeit gehören wenn jemand anderer mehr Beziehung zu den Angehörigen hat […] oder da sein Talent entwickelt hat, dann soll es so einen Sinn machen. Also, von der Profession passt das zehnmal. Ich hab dann Sozialarbeiter erlebt, die dann so kalt und bürokratisch vorgegangen sind, dass das nicht viel gebracht hat. […]“ (Interview VII, Zeile: 161 – 187)

 

Einige Experten waren der Ansicht, dass nicht Justizsozialarbeiter alleine für die Betreuung bei Besuchen zuständig seien.

Es gab auch die Meinung, dass jeder Bedienstete im Strafvollzug diese Aufgabe habe. Jeder habe die Aufgabe, erziehend auf den Gefangenen hinzuwirken. Das sollte sich auch auf die Sexualität eines Gefangenen beziehen. (vgl. Interview VIII, Zeile: 148 – 152)

Ein Interviewpartner teilte die Zuständigkeiten, die beim Thema Familienbesuch auftreten, auf folgende Professionen der Vollzugsanstalten auf:

 

„Die Aufgabe der Sozialarbeit ist also in erster Linie mal eine diagnostische, nämlich eine Klärung, ist das überhaupt eine Familie, wo ein Familienerhalt wahrscheinlich ist, wo diese Maßnahme des verlängerten Besuches auch diesem Ziel dient, möchte die Frau das überhaupt, wie schaut die Familie aus bezüglich Resozialisierungsschritt, denn es sollte nicht dafür verwendet werden, dass die Frau etwas macht was sie eigentlich gar nicht will. [Möglicherweise] möchte sie sich trennen und wird dann gezwungen was zu tun. Das wäre sozusagen ein erster Schritt, mit diesem Schritt [muss man sich] natürlich [.] dann auch kurzschließen mit anderen Berufsgruppen, um zu überprüfen, ob es Einwände gibt dagegen, die aus psychiatrischer Sicht oder psychologischer Sicht sein könnten. Ich sehe die psychiatrische Sicht hier stärker, die psychologische weniger in Bezug auf seine Krankheitsstörung, die letztendlich zum Nachteil dieser Familie sein könnte, wo man sagen muss, das und das muss man berücksichtigen. Vorausgesetzt, dieser Besuch dient als Start, sollte er sozialarbeiterisch so weit begleitet werden, […] ich glaube, dass solche Besuche einen starken Einschnitt bedeuten können, in alle Richtungen und ich kann nicht eine Befürwortung seitens der Sozialarbeit, die ich einmal gegeben habe, für alle Zeiten geben.“ (Interview VI, Zeile: 17 – 34)

Also die Begleitung heißt Nachgespräche mit beiden Seiten. Damit bekommt die Sozialarbeit eine Aufgabe, die heikel ist, nämlich nicht nur die Betreuung des Insassen in der Anstalt, sondern eigentlich auch eine Mitbetreuung des Partners draußen und der Familie, zumindest soweit Mitbetreuung, dass diagnostisch gesichert werden kann, es ist noch immer die gleiche Richtung der Resozialisierung. Das sehe ich als Hauptaufgabe der Sozialarbeit, eine andere kann ich derzeit nicht sehen, weil die Vernetzung zu den anderen Berufsgruppen die Einwände oder nicht Einwände haben, gemacht werden muss, aber letztendlich die Sozialarbeit auf den sozialen Kontext schaut und nicht auf die Persönlichkeitseigenschaften. (Interview VI, Zeile: 39 – 48)

 


Durch die Befragung ergab sich auch ein Zusammenhang zwischen Sozialarbeit und Resozialisierung.

 

„Aber wie gesagt, das Ziel ist ja Resozialisierung, Erhalt von Familie und Beziehung und die Aufgabe der Sozialarbeit ist zu sagen, ja ist das überhaupt ein Ziel und wenn ja, wird, solange die Besuche stattfinden, diesem Ziel auch gedient […].“ (Interview VI, Zeile: 52 – 55)

„Und natürlich ist die Sozialarbeit in den Justizanstalten, wenn sie mager ausgestattet ist, auch damit okkupiert, die Menschen haben alle Hände voll zu tun, so dass darüber hinausreichende Sachen kürzer kommen als sie sollten. Also, wenn die Sozialarbeit besser ausgestattet wäre, wäre es sicher mehr Thema und auch ganz dringend. Da ist sicher nicht nur die Frage, was können die Leute für den Arbeitsmarkt, oder Behandlung von psychischen Schäden und Krankheiten, sondern da geht es schon um die Frage der sozialen Beziehungen und Netzwerke und die Erhaltung. Die Frage ist natürlich auch, wie viele Beziehungen bei Langstrafigen überleben.“ (Interview IV, Zeile: 86 – 94)

 

Immer wieder kamen in den Gesprächen die Angehörigen vor und dass auch sie unter der Trennung leiden, weil es zum Entzug eines geliebten Menschen kommt. Der Partner „draußen“ muss ertragen, vom geliebten Menschen fernzubleiben. Die Angehörigen, im speziellen die Partnerinnen werden mitbestraft.

 

„Was mir an diesem Aspekt noch so wichtig ist, dass die Angehörigen mitbestraft sind. Ich hab das immer wieder erlebt und gehört, dass die Angehörigen sich selbst diskriminiert fühlen, dass sie selbst straffällig geworden sind, dass das eine Prozedur ist, da rein zu gehen und sich immer wieder dem stellen zu müssen, dass man schief angeschaut wird, dass da auch immer ein Verdachtsmoment ist „ich mach was Illegales“, „dass ich zu dem gehöre, dass sagt ja schon alles“, [die ständige]  Rechtfertigung, das ist eine ganz irre Geschichte. Es gibt Untersuchungen, […] dass Beziehung vor allem auch Ehe gelebt werden kann unter der Zeit der Haftierung […]. Und das hängt natürlich auch mit dieser Besuchssituation zusammen. Das ist eine ganz wesentliche Facette. Eine andere ist, dass die in unterschiedlichen Welten leben und die Entfremdung passiert. Natürlich kann eine gute Besuchssituation das Thema ein bisschen gegensteuern, aber […] dann kommt natürlich hinzu, und das muss man den Gefangenen sagen, dein Selbstmitleid ist manchmal so arg, dass es die Frau viel ärger hat draußen, den Überlebenskampf draußen und dann jammert beim Besuch der Mann vor, wie arm er ist. Der zwar Diskriminierung erlebt und Unfreiheit, aber er hat ein gemachtes Nest.“ (Interview VII, Zeile: 125 – 142)

 

Auch die Vorbereitung und Reflektion der Besuche ist für manche Experten wichtig und sollte nicht vergessen werden. Sowohl mit den Insassen als auch mit den Besuchern:

 

„[…] und vor allem auch, wie werde ich von anderen gesehen. Wie begegnen mir die. Also meiner Meinung nach ist das zu wenig, einfach zu sagen, das bauen wir und dann können die es nutzen. Weil ich denke, diese Besuch, machen was mit den Leuten. Das wäre Aufgabe der Sozialarbeiter, da zu reflektieren. Aber auch mit den Frauen, denen müsste das auch angeboten werden. Das halte ich für ganz wichtig. Die Justiz ist ja so absolut männerdominiert, und an so was denken Männer normalerweise nicht so. Ich bin halt wahrscheinlich durch meine Tätigkeit als Berater sensibilisiert dafür. Denn was in der Zeit des Besuches passiert, ist unheimlich viel Erfahrungsmaterial mit dem man arbeiten kann. Das wäre Aufgabe auch der Sozialarbeiter. Auch die Vorbereitung. Dass man über Erwartungen und Befürchtungen redet. Wie geht man mit dem um im Haus. Kann sein dass man mit Neid konfrontiert ist. Das ist, denke ich, eine riesige Chance am Leben der Leute arbeiten zu können.“ (Interview II, Zeile: 134 – 147)

 

Auf die Frage, welche Unterstützung Sozialarbeiter in Justizanstalten in Zukunft helfen würde, bekam ich leider nicht die von mir erhofften Vorschläge. Viele der Experten teilten die Meinung, dass die Unterstützung von „oben“, sprich vom Ministerium, und im weiteren Sinne von den Anstaltsleitungen kommen sollte, dass diese jedoch im österreichischen Rechtsstaat sehr zögerlich ist. Ein Interviewpartner äußerte ganz konkret, was noch wichtig wäre, damit Familienbesuchsräume in ganz Österreich umgesetzt werden könnten:

 

„Eine eindeutige Einstellung der Vollzugsdirektion und des BMJ, das heißt, einen eindeutigen Weg, dass das durchzusetzen ist. Anstaltsleiter sind sehr autoritätsgläubig, sehr hierarchisch denkend, in Österreich nicht so kreativ, dass sie selber was gestalten, mit wenigen Ausnahmen, das heißt, wenn von oben gesagt wird, sie haben das durchzusetzen innerhalb von sechs Wochen, egal wie, dann wird das gemacht. Solange das so flau daherkommt und die dann die Chance haben zu sagen‚ „naja, wir haben aber nicht und das ist mühsam“, dann wird man es scheitern lassen.“ (Interview VI, Zeile: 132 – 139)

 

Ansonsten waren die Interviewpartner mit der Arbeit der derzeitigen Justizsozialarbeit zufrieden. Auch die Meinung, dass Sozialarbeiter gut ausgebildet sind und genügend Kompetenz aufweisen, um sich dem Thema Sexualität im Strafvollzug zu stellen, teilten die Experten.

 

„Es ist einfach so, dass es zum Teil, hängt natürlich wahrscheinlich auch von den SozialarbeiterInnen ab, wie weit sie Kompetenz vermitteln können, und sich ihren Platz im Vollzug erkämpfen können. Es kommt sicherlich nicht von selber, allein den Posten zu haben genügt nicht, man muss sich sicherlich beweisen müssen, dass man Kompetenz hat. Wenn man sie aber hat, dann glaube ich, sind die Möglichkeiten ausreichend.“

(Interview VIII, Zeile: 196 – 201)

 

„Naja, ich glaube so, dass die Sozialarbeiter in ihrer Ausbildung sicher so diese Bandbreite dessen lernen und sich aneignen, was sie brauchen, um einen Menschen in seiner Ganzheitlichkeit zu begleiten oder zu betreuen. Wo es sozusagen um die psychologischen Dimensionen geht, wo es um die sozialen Dimensionen geht.“ (Interview I, Zeile: 104 – 107)

 

Naja, so wie es jetzt läuft bei uns bin ich eigentlich zufrieden. Es funktioniert. Die Insassen beantragen den Besuch, dann gehen wir das Prozedere durch, führen Gespräche mit den Besuchern und den Insassen, halten das fest und geben es weiter in das Kommando und dann wird es bewilligt. Das ist ganz unspektakulär. Das hat sich schon sehr gut eingespielt. Es war auch nie eine große Sache, dadurch dass der Chef dahinter stand. Ich wüsste jetzt spontan nicht, was man verändern könnte, denn es läuft ja. Es gibt das jetzt circa. ein Jahr und es wurde noch nie missbraucht.“ (Interview III, Zeile: 144 – 150)

 

Die einzige konkrete Verbesserung, die angesprochen wurde, war das Personal.

 

„Ja, weil wenn ich mir meinen Kollegen anschaue, der war zehn Jahre im Maßnahmenvollzug in der Karlau und war für 270 Insassen zuständig. Da denke ich mir, bleibt sehr sehr viel von dem auf der Strecke, was man eigentlich als Sozialarbeiter auch in der Justizanstalt machen kann. Also ich glaube, dass es wirklich an den Ressourcen fehlt. Das glaube ich sehr wohl.“ (Interview V, Zeile: 95 – 99)

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Begleiten und Unterstützen der Insassen bei ihren Besuchen, die gemeinsame Reflektion der Erfahrungen und das Sprechen über ihre Bedürfnisse ein wesentlicher Teil der Justizsozialarbeit ist, und dass die Dringlichkeit der Besuche auch bei Entscheidungspositionen Anklang finden sollte.

 

Kategorie 5: Erfahrungen mit Familienbesuchsräumen – Reaktionen und Argumente bei Nichtumsetzung

 

In dieser Kategorie wurden die Experten gefragt, wie sie die Erfahrungen mit Familienbesuchsräumen bewerten und warum sie glauben, dass die Umsetzung in Österreich so schleppend vorangeht. Denn Erfahrungsberichte zeigen, dass diese oder ähnliche Formen des humanitären Strafvollzuges zum Beispiel in skandinavischen Ländern bereits funktionieren.

 

„Wir schauen da immer/eher zu, wir, die Österreicher, sind nicht sonderlich initiativ, sind sonderlich ambitioniert etwas zu verändern und belächeln gerne die Sozialromantik der [Länder] im Norden von Europa, die da so humane Geschichten machen. Jetzt schauen wir uns das nicht sehr seriös an, und schauen sich vor allem auch nicht, im Sinne von Selbstkritik, die Praxis im eigenen Land an. (Interview VII, Zeile: 73 – 78)

„Eine weitere Geschichte ist, ich glaube, das ist heute genauso wie damals, wie ich aktiv im Gefängnis gearbeitet habe, da war offizielle Meinung zur Öffentlichkeitsarbeit, ja nicht zu viel Öffentlichkeitsarbeit machen, das ist kontraproduktiv, weil wir sind viel humaner als die österreichische Seele das ist und wenn wir das in die Öffentlichkeit bringen, ist das kontraproduktiv, dann wird des abgestellt, von der Gesellschaft gewünscht, dass diese Form der Humanität runtergestürzt wird. Für mich ist das ein bisschen Selbstbetrug, […] man kann ja sehr wohl den Versuch wagen, etwas gut begründet offensiv der Gesellschaft zu vermitteln, es muss ja nicht als dieser Streichelzoo oder so dargestellt werden, dieser Kuschelkurs mit den Gefangenen oder diese Softis. Ich möchte, dass vermittelt wird, die Institution arbeitet professionell und sie arbeitet in ihren Möglichkeiten möglichst zielorientiert daran, dass die Vorgaben dieses Gesetzes, die auch resozialisierend seien sollen, umgesetzt werden sollen. Dann kann man ja auch vermitteln, die wichtigsten Kooperationspartner für uns sind die Angehörigen. Wenn da ein Netz ist von Angehörigen, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass da eine Integration nachher möglich ist, wesentlich höher.“ (Interview VII, Zeile: 106 – 121)

 

Weiters wurde in einem Interview zum Thema Strafvollzug in Österreich erwähnt:

 

„Mein Standpunkt in diese Richtung ist der, dass Österreich sowieso eine sehr repressive Gesellschaft ist. Österreich – ich weiß nicht wie es jetzt ist, aber es war, glaub ich Anfang oder Mitte der 90er Jahre, hat Österreich im europäischen Vergleich die meisten Personen in Absonderungen gehabt, also in Gefängnissen, in Altersheimen, in Erziehungsheimen, also wir tendieren generell dazu, Probleme hinter Mauern abzuschotten und uns nicht damit auseinander zu setzen. Ich glaube, dass es, vor allem was den Strafvollzug betrifft und überhaupt das Justizsystem in Österreich, dass eine verdeckte faschistoide Tendenz in diesem System ist, und dass durch die Regierungskoalition im Jahr 2000 zwischen ÖVP und FPÖ sich diese Tendenz leichter Raum schaffen hat können. Und dass in dieser Zeit – also für mich war es kein Wunder, nach zwei oder drei Jahren sind die Häftlingszahlen immens gestiegen, aber nicht, weil soviel mehr passierte, sondern weil die Leute länger gesessen sind, weniger bedingt entlassen wurden, länger in U-Haft waren, längere Strafen bekamen, und klarerweise ist das Justizsystem ein Spiegel der Gesellschaft und die österreichische Gesellschaft ist nicht tolerant und ist nicht liberal. […] Meiner Meinung nach, ist die Aufgabe der Regierung und des Parlaments, nicht mit gesellschaftspolitischen Entwicklungen hinten nach zu hinken, indem man sagt, die Bevölkerung will das nicht, sondern Gesetze zu schaffen, die die Gesellschaft vorwärts bringen. Das ist also im Strafvollzug, ich meine natürlich die Kronenzeitung hat also eine ungeheure Macht in Österreich und jeder schielt natürlich zumindest mit einem halben Auge auf die Schlagzeilen der Kronenzeitung und dann hat man natürlich eine gute Ausrede, ja, die Bevölkerung will das ja gar nicht und warum sollen wir dann das Gesetz machen.“ (Interview VIII, Zeile:112 – 127)

Die Argumente der Justizvollzugsanstalten auf die Frage, warum die Umsetzung der Familienbesuchsräume nicht erfolgt, lauten immer wieder, dass es baulich nicht möglich sei oder weil es keine Nachfrage gibt. Wie kann man jedoch Nachfrage nach etwas haben, das es nicht gibt? Die Experten unterstützen diese Argumente nicht und berufen sich auch weiterhin auf vorbildhafte Beispiele aus dem Ausland. Folgende Kommentare beschreiben das Unverständnis gegenüber dem österreichischen Justizministerium gut:

 

„Das ist ein Unsinn der Sonderklasse. Erstens baulich würde ich ja nicht viel brauchen. Ich brauche nur einen Raum. Ich meine, ich weiß, als ich früher noch am XY war, das ist jetzt schon 15 Jahre her, aber dieses Gesetz gibt es ja schon viel länger, dass […] damals das bereits durchgeführt wurde. XY war immer eine Anstalt, die einiges probiert hat, bevor die anderen nachgedacht haben. Was Vor- und Nachteile hat, wir waren einerseits Vorreiter aber andererseits eine Gruppe die hochdramatisch auch von der Bevölkerung begutachtet wurde. Letztendlich war es damals schon möglich, also bei „Good will“, also ich brauche keinen Raum oder ich brauche kein Wellnessbett, ich brauche einen Ort wo die sich zurückziehen können, wo ich eine Liege habe, sodass sie das ausleben können, worum es geht. Aber wieder, ich kann formal etwas nehmen, um mich inhaltlich dem nicht stellen zu müssen. Wenn ich sage, ich habe keinen Raum, dann brauche ich nicht weiter darüber nachdenken. Das ist klassisch, wir sind, wie gesagt, in diesem Land, Insel der Seligen, sind wir ein Land wo wir eine unglaubliche Fähigkeit haben, Probleme nicht zu lösen und anstatt dessen Probleme zu machen. Das ist eine sehr mitteleuropäische Art, wenn etwas nicht läuft, dann den Schuldigen zu suchen mit der Annahme, wenn ich einen Schuldigen gefunden habe, ist das Problem gelöst. Ich bin aufgewachsen in einer Tradition wo, wenn ein Problem da ist, man sich fragt wer löst das Problem, wer schuldig ist interessiert mich nicht. Das ist eine ganz unterschiedliche Sichtweise. Also die Fragestellung wäre hier „wo ist das Problem und wie löse ich es und nicht wie löse ich es nicht“, und ich habe selbst in meiner Zeit häufig erlebt, dass neue Ideen daran gescheitert sind, dass die meisten die beteiligt sind, sich Gedanken darüber gemacht haben warum es nicht funktioniert und nicht Gedanken gemacht haben warum es funktioniert oder warum es sinnvoll wäre wenn es funktioniert.“ (Interview VI, Zeile: 105 – 130)

 

„Meiner Meinung nach waren das Ausreden, weil, wie gesagt, wir haben Beispiele gehabt. Ich war selber einmal dabei bei einer Exkursion in den schweizer Strafvollzug, wo wir in einer Anstalt solche Räume besichtigt haben. Ich weiß, dass es in Rumänien so was gab. Das ist immer das gleiche in Österreich, ganz egal um welches Gebiet es sich handelt, speziell gesellschaftspolitisch, wir müssen das Rad immer neu erfinden. Wir können uns nie auf Erfahrungen im Ausland stützen. In Österreich ist das immer anders und wir müssen da immer eigene Wege gehen und das Rad neu erfinden. […] Also die Familienbesuchsräume sind nur innerhalb der Arbeitsgemeinschaft der SozialarbeiterInnen diskutiert worden, aber nicht offiziell im Strafvollzug. Also wir haben immer bei Tagungen oder Seminaren, von Vertretern des Justizministeriums gehört: „Nein, das ist in Österreich nicht durchführbar, wir haben das Personal nicht, oder die Räume nicht“, und in die Richtung.“ (Interview VIII, Zeile: 54 – 61)

 

Ebenso kritisch sehen die Experten die gesellschaftliche Einstellung in Österreich gegenüber den Familienbesuchsräumen.

 

„Ich glaube nämlich auch, dass sich die Justiz sehr schwer tut, so eigenständig vorzupreschen, wenn die Gesellschaft nicht dahinter steht. Ich denke, dass viel zu wenig PR gemacht wird für diese Dinge, irgendwann steht es in der Kronenzeitung, am besten gleich vorne drauf, „Schwerste Sexualstraftäter dürfen jetzt im Knast vögeln!“; oder was auch immer und das war es. Es wird nicht recherchiert, es wird nicht erklärt, warum das gemacht wird, wofür es gut sein soll und der „Hausmeister auf der 5-er Stiege“ übernimmt natürlich das, was er in der Österreich, Heute, Kronenzeitung, was weiß ich wo liest und stößt dann ins selbe Horn „Auf meine Steuergelder dürfen die… die haben eine Fitnesskammer, die haben einen Fernseher, usw.“ und da kommen dann die Kuschelzellen auch dazu, wo man dann sagt „Boah, das ist ja keine Strafe mehr“ und so. Ich denke, da muss sich die Gesellschaft ändern und ich denke die Gesellschaft wird sich von alleine nicht ändern. Das ist schon ein Auftrag an die Politik, an Entscheidungsträgern, das so zu verpacken, zu transportieren, zu kommunizieren, dass es auch der einfachste Mensch versteht, warum das des jetzt gut ist, dass man das tut. […] Ich glaube auch, dass der Zusammenhang zwischen Täterarbeit und Opferschutz, das ist was, was kaum propagiert wird, ja auf Fachtagungen ist das immer Thema. Darum gehe ich fallweise schon nicht mehr hin, weil wir wissen das ja. Dann hat man irgendwo einen kleinen Artikel: hat stattgefunden. Da stimmt die PR nicht. Ich denke, es wird halt von Medien und Lobbies propagiert, dass jeder, der irgendwann einmal eine strafbare Handlung setzt, dass der zumindest gevierteilt, gehängt, ermordet, in die Gaskammer oder sonst wohin gehört, auf jeden Fall lebenslang eingesperrt, am besten mit Brot und Wasser drei mal die Woche, in einem tiefen Loch ohne Fenster, und das wird ständig propagiert, ununterbrochen, und das übernimmt die Gesellschaft. Alles, was mit Annehmlichkeiten oder sogar Luxus zutun hat, in den Augen gewisser Gruppierungen und in den Augen der 08/15-Bürger da draußen, die keine Ahnung haben, wird abgelehnt. Das ist ganz klar. In Zeiten wie diesen überhaupt, wo es wirtschaftlich jedem immer schlechter geht. Und dann liest man halt, dass es in xy einen Fitnessraum gibt, und dann denkt sich halt der Ottonormalverbraucher, ich kann mir das Fitnesscenter nicht leisten, warum dürfen die. Oder er muss sich durchwurschteln mit seiner Frau und seinen Kindern und findet keine Zeiten mit seiner Frau in Ruhe zu kuscheln, weil ihm seine Kinder ständig auf den Geist gehen. „Ja, warum darf dann der das im Gefängnis? Der hat jemanden vergewaltigt, hat jemanden am Körper verletzt, hat irgendeinen Einbruch begangen. Ich bin so brav, ich bezahle meine Steuern, ich finanziere das für den und wer finanziert das für mich?“ Neid kommt da auf. In Zeiten wie diesen, wo es für jeden immer enger wird, wird die Aufregung immer größer. Also das merke ich.“ (Interview V, Zeile: 119 – 159)

 

„Naja, das zeigt, dass die Leute eigentlich keine Ahnung haben. Das ist halt das gesellschaftliche Schwarz-Weiß-Denken. Da drinnen sind die Bösen und heraußen sind die Guten und die Bösen müssen bestraft werden. Das ist also immer dieser Straf-Rache-Gedanke, dem muss man möglichst viel Leben entziehen, das ist der Straf-Rache-Gedanke, statt das man Menschen resozialisiert, so dass sie in ihr normales Leben hineinfinden, da würden genau Beziehungen und Glück in sexuellen Beziehungen dazugehören.“ (Interview II, Zeile: 104 – 110)

 

Die Umsetzung scheitert laut Experten nicht nur am Justizministerium, sondern, wie der folgende Kommentar zeigt, offensichtlich auch des öfteren an der Anstaltsleitung und –führung.

 

„Ich denke, das liegt an der Hausstruktur, das liegt an der Führung. Das ist meine Hypothese. Das ist schwierig. Also, bei uns war der Anstaltsleiter sehr aufgeschlossen und hat das umgesetzt.“ (Interview III, Zeile: 82 – 84)

Ein häufiges Argument für die schleppende Umsetzung von Familienbesuchsräumen ist laut Experten die Angst vor Konflikten und dabei entstehende Gewalttätigkeiten während des Besuches. (vgl. Interview II, Zeile: 95) Ein weiteres Argument ist, dass das Thema Sexualität in der Prioritätenliste der Justizanstalten noch sehr weit hinten liegt, da sie vermehrt mit hohem Ausländeranteil oder Sicherheitsmaßnahmen zu tun haben. (vgl. Interview I, Zeile: 135 – 137)

Somit kristallisiert sich anhand der Expertenaussagen ein klarer Auftrag an die Politik heraus, mehr Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben und der österreichischen Gesellschaft die Wichtigkeit und die genauen Umstände des Familienbesuches zu vermitteln.

 

Zur intensiveren Auseinandersetzung mit dem Thema Sexualität und dem entstehenden Widerstand bei Behörden und der Bevölkerung wird im Folgenden das Interview mit der Psychoanalytikerin und Psychotherapeutin einer Sexualberatungsstelle Mag.a Ulrike Hutter zusammengefasst. Vor allem auch um das Thema von einer anderen Seite zu betrachten:

 

Hutter zuerst den Kontrast zwischen der Sexualität, die ein triebliches Geschehen ist und dem Strafvollzug als Regelungsgeschehen an. Sie ist der Ansicht, dass diese beiden Dinge unvereinbar sind, denn es gibt keine befriedigende Sexualität ohne Enthemmung, also ohne ein Stück triebliches Geschehen zuzulassen. Der Strafvollzug ist allerdings ein Regelungsinstitut indem Triebhemmung herrscht. Daher ist es ihrer Meinung nach sehr schwierig, eine Verbindung herzustellen, auch wenn das den Insassen gut tun würde. (vgl. Interview IX, Zeile: 57 – 66) Für sie ist auch wichtig, in „Wohnungen“ in denen Besuche stattfinden, Sexualität dem eigentlichen Zweck dieser Räume unterzuordnen. Sie vergleicht das mit dem Buchen eines Hotelzimmers. Man bucht ein Hotelzimmer, um in erster Linie darin schlafen zu können, trotzdem können darin sexuelle Handlungen stattfinden. Jedoch ist es nicht der eigentliche Zweck eines Hotels, außer es ist ein Stundenhotel. (vgl. Interview IX, Zeile: 90 – 101)

Hutter sieht die Möglichkeit von Besuchen in dafür eingerichteten Wohnungen als Lösung, weil es nicht leistbar ist und es gegen das Regelungsbedürfnis der Gesellschaft wäre, Räumlichkeiten für jeden Häftling zu installieren, in denen dieser das Leben von außen mit hinein nehmen kann. (vgl. Interview IX, Zeile: 111 – 116)

 

 „Aus psychoanalytischer Sicht ist dieser Widerspruch zwischen Regelung und Strafauftrag der Justiz und damit Triebhemmung und dem ureigensten der Sexualität, der Triebenthemmung, der ist nicht auflösbar.“ (Interview IX, Zeile: 121 – 123)

 

Sie spricht darüber hinaus die Gefahr an, dass Paare, denen Besuche ermöglicht werden, eine Koalition gegen den Vollzug bilden und damit viel Macht bekommen. Sie vergleicht dieses Phänomen mit einem Familiensystem:

 

„Immer mehr Eltern erlauben, dass die Freunde/Freundinnen ihrer Kinder mit leben, aber damit werden kleine Ehen installiert, also diese Beziehungen sind dann fixe Paarbeziehungen. Wenn man es hierarchisch sieht, gibt es oben das Elternpaar, die sind aber eigentlich das dominante Paar, weil die Kinder sind ja, solange sie daheim wohnen, großteils den elterlichen Auffassungen von Leben ausgeliefert. Also, man muss das tun, was die Eltern erwarten […] Also, die haben eine Regelungsmacht. Wenn ich jetzt unterhalb dieser Ebene die Tochter mit dem Freund wohnen lasse, dann installiere ich ja ein Paar. […] Sozusagen die Sexualität und eine Paarbeziehung zu machen, macht einen ein Stück zu einem erwachsenen Menschen und plötzlich ist man aber wieder im Regelungsbereich der Eltern, […] und das sehe ich vergleichbar mit der Justiz. Mit der Problematik, die Eltern, sozusagen die Justiz, die wollen regeln, was Mann oder Frau oder der Inhaftierte drinnen tun darf und jetzt soll auf einmal ein Bereich raus genommen werden, wo der „Papa“ Justiz nicht mehr sagen darf, wir kontrollieren aber was du da tust.“ (Interview IX, Zeile: 130 – 152)

 

Es ist zu beachten, ob Resozialisierung, mit dem Ziel, Rückfälle zu vermindern oder Integration zu ermöglichen, gegeben ist, oder ob es eine Art der Enthemmung gibt, die kontraproduktiv ist. Denn, ein sexuelles Paar ist mächtig. (vgl. Interview IX, Zeile: 153 – 163) Auch auf die Frage, wem diese Art von Besuchen ermöglicht wird, antwortete Hutter nicht eindeutig, sondern betrachtete beide Seiten, sei es die Inhaftierten und deren Bedürfnisse und die Justiz mit ihrem Auftrag und ihrer Verantwortung – auch der Gesellschaft gegenüber. Sie verglich diese Situation mit der Adoptivproblematik:

 

„Ja, da fällt mir dazu ein, dass es ja vergleichbares gibt beim Denken in Bezug auf Adoptivproblematik, wer darf ein Kind adoptieren, der Staat regelt das und sagt, es dürfen keine Singles Kinder adoptieren, weil, die Begründung kommt nicht ganz unschlau aus einer Beziehungskonstanz, die man einer Ehe eher unterstellt als einer Nicht-Ehe zum Beispiel, also nicht Verheiratete, was natürlich auch eine willkürliche Grenze ist, weil Ehen sind heute genau so anfällig, geschieden zu werden, wie Paare, die unverheiratet zusammen leben, und der Gesetzgeber geht davon aus, das Einzellebende Menschen mit Kindern sozusagen die zweite geschlechtliche Hälfte der Menschheit vorenthalten, wenn da, sozusagen, adoptiert werden könnte. Was auch wieder die Realität ausklammert […], man geht von einem Optimierungsanliegen aus. Optimal für Kinder nimmt man an, sind beide Eltern, optimal ist eine längere Beziehung und dahinter vermutet man, das ist die Unterstellung, die der Gesetzgeber macht, stabilere Menschen. Persönlichkeitsstrukturen, denen man was zumuten kann und die sorgsam umgehen. Und einem Häftling kann man natürlich, und das ist nicht nur dumm, kann man natürlich unterstellen, dass derjenige, der eine aufrechte Beziehung hat, sozusagen, in der Entregelungssituation besser umgehen kann damit, als einer, der alleine lebt und keine Beziehung hat. Was natürlich im Einzelfall zu entscheiden ist, denn es gibt Menschen, die haben Beziehung und sind gewalttätig, oder verrückt, oder schwer pathologisch innerhalb der Beziehung und einzelne Menschen, die gerade keine Beziehung haben. Das hängt, finde ich, von der Persönlichkeitsstruktur ab, die jemand hat, damit man weiß, was hat das für Auswirkungen, denn auf die, glaube ich, kommt es an. Ist die Auswirkung, die sie prognostizieren, gut, dass es dem Menschen dienlich ist, dass er seinen Druck abbauen kann, oder ein Stück normales Leben auch im Strafvollzug haben kann, oder ist es kontraproduktiv. Auch das gibt es. Ich verstehe schon den Gesetzgeber, der sagt, wenn wir uns das anfangen, mit Prostituierten, dann haben wir einen Entregelungsfaktor drinnen, den wir nicht mehr steuern können. Das muss nicht sein, aber es ist eine Gefahr und ich habe das Gefühl, der Gesetzgeber kommt in eine Rolle, wo er die Gefahren vorher abschätzen muss, weil er ja gesellschaftlich sofort an den Pranger kommt, wenn das Projekt schief läuft.“ (Interview IX, Zeile: 177 – 208)

Im Vergleich zu anderen Ländern war Hutter derselben Meinung wie der Rest der befragten Interviewpartner. Auch sie sieht das österreichische öffentliche Meinungsgeschehen als ziemlich primitiv strukturiert. Wenn bei uns etwas versucht wird, muss es hundertprozentig sicher sein. Sonst steht man sofort am Pranger. Das heißt, die Justiz hält sich sehr bedeckt, weil gesellschaftlich polarisiert wird. In skandinavischen Ländern beispielsweise erlebt man weniger Spaltung, weniger Anfeindung, wenn Dinge schief gehen, sondern mehr Verständnis. Auch Interviews einfach abzulehnen erinnert schon leicht an autoritäre Regime. Das findet Hutter sehr bedenklich und meint, dass das eigentlich an die Justiz zurück gemeldet werden müsste. Klar ist, dass es einen hierarchischen Lauf geben muss und die Instanzen schon wissen müssen, was gefragt wird. Es jedoch grundsätzlich nicht zu erlauben ist zu kritisieren. Für Hutter stellt sich überhaupt die Frage, was mit dem Anliegen des Strafvollzuges und der Idee der Gesellschaft ist, dass Häftlinge nicht verwahrt werden sollen, sondern dass mit dem „Wegsperren“ die Menschen gebessert werden sollten. Das heißt Rückfälle vermeiden, neue Taten verhindern usw., gibt es dieses Anliegen noch? (vgl. Interview IX, Zeile: 211 – 245)

Aus psychoanalytischer Sicht sind die Intimbesuche zwar zu ermöglichen, jedoch sollte man sehr vorsichtig sein, damit die Justiz der Gesellschaft gegenüber ihr „Gesicht wahren“ kann. Es ist gute, aufklärende Öffentlichkeitsarbeit nötig, um das Verständnis der Gesellschaft zu wecken und ein Umdenken zu bewirken.

 

 

8.2      Fragebogen

 

Zur Auswertung der Fragebögen gibt es verschiedene Programme. Für diese Auswertung wurden die Programme Microsoft Excel und SPSS verwendet. Im ersten Arbeitsschritt wurden die Daten codiert. Als nächstes mussten die codierten Variablen der Fragebögen in das Excel übertragen werden, anschließend wurden sie in die Computersoftware SPSS (= Statistical Product and Service Solution) importiert um die statistische Datenauswertung zu machen. Mit dieser Auswertung wurden die Daten in Form von Diagrammen und Tabellen veranschaulicht. Der Fragebogen dient zur Beurteilung von sexuellen Kontakten zwischen Insassen und Partnerinnen im Strafvollzug. Da Gerhild Heuer im Jahr 1978 21 Sonderdienste zu diesem Thema befragte, verwendete ich den selbigen, um die Ergebnisse gut vergleichen zu können. Es wurden ebenfalls 21 Sonderdienste befragt. Es gilt herauszufinden, wie diese Professionen die sexuelle Enthaltsamkeit im Strafvollzug einschätzen und wie sie die möglichen Besuche in den so genannten „Besuchsräumen“ beurteilen.

Tabellen und Diagramme von Heuer wurden mit H1978 gekennzeichnet, Tabellen und Diagramme aus der aktuellen Erhebung wurden mit P2009 gekennzeichnet.

 


Die Einstiegsfrage lautet: „Wie beurteilen Sie den Mangel an Möglichkeiten zu sexuellen Kontakten?“ Die befragten Sonderdienste beurteilen den Mangel an Möglichkeiten für sexuelle Kontakte nach wie vor als belastend. Jedoch antworteten im Jahr 1978 noch 61,9 % mit „sehr belastend“, bei der neuen Erhebung lag die Mehrheit (55 %) bei „als belastend, aber auszuhalten“. Auffallend ist, dass bei der neuen Erhebung des Fragebogens niemand der Ansicht war, dass dieser Mangel an Möglichkeiten für sexuelle Kontakte „kaum auszuhalten“ ist. (n = 21)

 

 

als belastend, aber auszuhalten

28,58 %

unbedeutend

4,76 %

sehr belastend

61,90 %

kaum auszuhalten

4,76 %

gesamt

100 %

Tabelle 1: Mangel an Möglichkeiten für sexuelle Kontakte (H 1978)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abbildung 1: Mangel an Möglichkeiten für sexuelle Kontakte (H 1978)

 

als belastend, aber auszuhalten

55 %

unbedeutend

5 %

sehr belastend

40 %

kaum auszuhalten

0,0 %

gesamt

100 %

Tabelle 2: Mangel an Möglichkeiten für sexuelle Kontakte (P 2009)

 

 

 

 

 

 

 

 

Abbildung 2: Mangel an Möglichkeiten für sexuelle Kontakte (P 2009)

 


In der zweiten Frage des Fragebogens wurde gefragt: „Wer leidet Ihrer Meinung nach bei festen Bindungen (Ehe, Verlobung, Freundschaft) am meisten unter der zwangsweisen Trennung?“ Hier ist interessant, dass die im Jahr 2009 befragten Sonderdienste nahezu derselben Ansicht sind, wie 1978. 66,7 % denken immer noch, dass „beide in gleichem Maße“ an der zwangsweisen Trennung leiden. Zu bemerken ist, dass im Vergleich zu damals (14,29%) bei der erneuten Befragung nur noch 4,7 % der befragten Sonderdienste der Ansicht sind, dass die weiblichen Partnerinnen nicht am meisten unter der Trennung leiden, wenn man davon ausgeht, dass der weibliche Partner jener ist, der nicht Haft ist. Dass jedoch die Partner und Partnerinnen außerhalb der Institution zur sexuellen Abstinenz gezwungen werden bleibt unberücksichtigt. (n = 21)

 

der weibliche Partner

14,29 %

der männliche Partner

19,04 %

beide in gleichem Maße

66,67 %

gesamt

100 %

Tabelle 3: Leid an zwangsweiser Trennung (H 1978)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                            Abbildung 3: Leid an zwangsweiser Trennung (H 1978)

 

der weibliche Partner

4,7 %

der männliche Partner

28,6 %

beide in gleichem Maße

66,7 %

gesamt

100 %

Tabelle 4: Leid an zwangsweiser Trennung (P 2009)

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                            Abbildung 4: Leid an zwangsweiser Trennung (P 2009)


Der Vergleich zur Frage: „Ist die Lage Ihrer Meinung nach für den in der Vollzugsanstalt Lebenden schwieriger als für den Partner außerhalb der Anstalt?“ liefert sehr unterschiedliche Ergebnisse. Vor 31 Jahren haben noch 76,19 % der befragten Sonderdienste die Frage mit „Ja“ beantwortet. Abbildung und Tabelle 6 zeigen, dass bei der erneuten Erhebung die befragten Sonderdienste sich nicht mehr so sicher waren, sondern 38,1 % meinten, dass der im Vollzug Lebende nicht mehr leidet als der Partner außerhalb der Anstalt. Anzumerken ist hier auch, dass sich die Zahl jener die denken, dass „beide in gleichem Maße“ leiden, sich nicht drastisch erhöht hat. (n = 21)

 

 

Ja

76,19 %

Nein

4,76 %

für beide in gleichem Maße

19,05 %

gesamt

100 %

Tabelle 5: Schwierigkeit der Lage (H 1978)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                                    Abbildung 5: Schwierigkeit der Lage (H 1978)

 

Ja

33,3 %

Nein

38,1 %

für beide in gleichem Maße

28,6 %

gesamt

100 %

Tabelle 6: Schwierigkeit der Lage (P 2009)

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                                    Abbildung 6: Schwierigkeit der Lage (P 2009)


Die befragten Sonderdienste entschieden anhand folgender Frage „Beurteilen Sie die Beeinträchtigung des Gefangenen-Sexuallebens als strafverschärfend?“, sehr wohl, dass die Beeinträchtigung des Sexuallebens strafverschärfend ist. In Tabelle 7 und Tabelle 8 ist zu sehen, dass die Zahl von 90,48 % nur auf 70 % gesunken ist. (n = 21)

 

 

Ja

90,48 %

Nein

9,52 %

gesamt

100 %

Tabelle 7: Beeinträchtigung des Gefangenen-Sexuallebens (H 1978)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                        Abbildung 7: Beeinträchtigung des Gefangenen-Sexuallebens (H 1978)

 

 

 

Ja

70 %

Nein

30 %

gesamt

100 %

Tabelle 8: Beeinträchtigung des Gefangenen-Sexuallebens (P 2009)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                        Abbildung 8: Beeinträchtigung des Gefangenen-Sexuallebens (P 2009)

 

 


Bei der nächsten Frage geht es darum, ob es in Bezug auf das Sexualleben in der Haft einen Unterschied zum Leben in anderen Institutionen (zB Marine, Klöster, Kasernen, Internate oder Fürsorgeheimen gibt. Auch hier waren und sind sich die befragten Sonderdienste damals wie heute einig. Im Jahr 1978 waren 81 % der Meinung, dass es einen Unterschied gibt und 13 % waren der Ansicht, dass dies „nur bedingt“ der Fall sei.

Bei der erneuten Erhebung befürworten zwar nur noch 66,7 % dafür, dass es einen Unterschied zum Leben in anderen Institutionen gibt, jedoch immer noch mehr als die Hälfte. 23,8 % waren der Ansicht, dass dies „nur bedingt“ der Fall ist und 9,5 % meinten, dass es keinen Unterschied zwischen der Haft und anderen Institutionen gibt, wenn es um das Sexualleben geht. (n = 21)

 

Ja

81 %

Nein

0,0 %

nur bedingt

13 %

gesamt

94 %[5]

Tabelle 9: Unterschied zu anderen Institutionen (H 1978)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                                    Abbildung 9: Unterschied zu anderen Institutionen (H 1978)

 

Ja

66,7 %

Nein

9,5 %

nur bedingt

23,8 %

gesamt

100 %

Tabelle 10: Unterschied zu anderen Institutionen (P 2009)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                                    Abbildung 10: Unterschied zu anderen Institutionen (P 2009)

Nicht mehr so einig ist man sich allerdings dann, wenn es um die Überbetonung des Sexuallebens durch die Haftsituation geht. (n = 21) Die Frage: „Entsteht Ihrer Meinung nach durch die Haftsituation eine Überbetonung des Sexuallebens?“, beantworteten damals 76,13 % der befragten Sonderdienste mit „Ja“ und nur 23,87 % waren nicht dieser Meinung. Bei der erneuten Befragung klaffte das Ergebnis nicht mehr so auseinander, denn bei der erneuten Erhebung beantworteten exakt die Hälfte (50 %) der befragten Sonderdienste die Frage mit „Ja“ und 50 % waren nicht der Ansicht. (n = 21)

 

Ja

76,13 %

Nein

23,87 %

gesamt

100 %

Tabelle 11: Überbetonung des Sexuallebens in Haft (H 1978)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                        Abbildung 11: Überbetonung des Sexuallebens in Haft (H 1978)

 

Ja

50 %

Nein

50 %

gesamt

100 %

Tabelle 12: Überbetonung des Sexuallebens in Haft (P 2009)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                        Abbildung 12: Überbetonung des Sexuallebens in Haft (P 2009)

 

Die Frage: „Welche Möglichkeiten sexueller Befriedigung während der Haft stehen Ihrer Meinung nach im Vordergrund?“, lieferte folgende Ergebnisse: Damals wie heute, waren die Sonderdienste der Meinung, dass Selbstbefriedigung als sexuelle Befriedigung im Vordergrund steht. Überraschend jedoch ist das Ergebnis zur „homosexuellen Betätigung“. Die Sonderdienste waren mit 38,1 % der Ansicht, dass sowohl Selbstbefriedigung, als auch homosexuelle Betätigung Möglichkeiten der Befriedigung sind. Homosexuelle Handlungen stehen nicht mehr definitiv im Vordergrund. (n = 21)

 

beides

14,29 %

homosexuelle Betätigung

9,52 %

Selbstbefriedigung

76,19 %

gesamt

100 %

Tabelle 13: Möglichkeiten sexueller Befriedigung (H 1978)

 

 

 

 

 

 

 

                                                                              Abbildung 13: Möglichkeiten sexueller Befriedigung (H 1978)

 

 

 

beides

38,1 %

homosexuelle Betätigung

0,0 %

Selbstbefriedigung

61,9 %

gesamt

100 %

Tabelle 14: Möglichkeiten sexueller Befriedigung (P 2009)

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                                        Abbildung 14: Möglichkeiten sexueller Befriedigung (P 2009)

 

 

 

 

 

 

Äußerst überraschend ist das Ergebnis zur Frage: „Sehen Sie „sexuelle Nötigung“ als ein Haftproblem an?“. Vergleicht man hier die Ergebnisse der beiden Befragungen, ist nichts mehr so wie damals. Mit ganz eindeutiger Mehrheit (71,43 %) waren die befragten Sonderdienste 1978 der Meinung, dass „sexuelle Nötigung“ kein Haftproblem ist, wobei 2009 die Befragten mit 76,2 % sehr wohl der Ansicht sind, dass „sexuelle Nötigung“ ein Problem in Haft sei.

(n =21)

 

 

Ja

28,57 %

Nein

71,43 %

gesamt

100 %

Tabelle 15: Sexuelle Nötigung als Haftproblem (H 1978)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                        Abbildung 15: Sexuelle Nötigung als Haftproblem (H 1978)

 

 

Ja

76,2 %

Nein

23,8 %

gesamt

100 %

Tabelle 16: Sexuelle Nötigung als Haftproblem (P 2009)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                                Abbildung 16: Sexuelle Nötigung als Haftproblem (P 2009)

 

 

 

Wenn man sich vor Augen hält, dass im Jahr 2009 die befragten Sonderdienste der Meinung sind, dass „sexuelle Nötigung“ ein Haftproblem ist, so ist sehr interessant, dass diese Sonderdienste der Ansicht sind, dass man Inhaftierte davor am besten „durch Verlegung in eine andere Zelle bzw. an einen anderen Arbeitsplatz“ schützen kann. Aus Erfahrung kann gesagt werden, dass Verlegungen schwierig sind und Insassen sexuelle Nötigung oft nicht als Verlegungsgrund angeben wollen, wodurch die Dringlichkeit oft nicht mehr gegeben ist. Die Ergebnisse von 1978 zu den Fragen: „Wie kann man sich Ihrer Meinung nach vor „sexueller Nötigung“ schützen?“ und „Ist sexuelle Nötigung ein Haftproblem“, zeigen ein anderes Bild. Damals waren die befragten Sonderdienste mit 80,95 % der Meinung, dass man sich am besten „durch Abwehr“ vor sexueller Nötigung schützen kann. Sexuelle Nötigung wurde noch nicht als Haftproblem gesehen. (n =21)

 

durch Abwehr

80,95 %

durch Verlegung in eine andere Zelle bzw. an einen anderen Arbeitsplatz

14,29 %

kein genereller Schutz möglich

4,76 %

gesamt

100 %

Tabelle 17: Schutz vor sexueller Nötigung (H 1978)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                                    Abbildung 17: Schutz vor sexueller Nötigung (H 1978)

 

durch Verlegung in eine andere Zelle bzw. an einen anderen Arbeitsplatz

52,9 %

kein genereller Schutz möglich

47,1 %

durch Abwehr

0,0 %

gesamt

100 %

Tabelle 18: Schutz vor sexueller Nötigung (P 2009)

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                                    Abbildung 18: Schutz vor sexueller Nötigung (P 2009)

Am Ergebnis der beiden Erhebungen lässt sich deutlich sehen, dass die „haftbedingte Homosexualität“ damals wie heute ein sehr präsentes Thema ist. Die Zahl jener die finden, dass es haftbedingte Homosexualität gibt, ist von 80,95 % auf 95,2 % gestiegen. Dieses Ergebnis sollte ein weiterer Grund sein, der für Familienbesuche und im Speziellen für Intimkontakte mit Partnern und Partnerinnen spricht.(n =21)

 

 

Ja

80,95 %

Nein

19,05 %

gesamt

100 %

Tabelle 19: Haftbedingte Homosexualität (H 1978)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                        Abbildung 19: Haftbedingte Homosexualität (H 1978)

 

 

 

Ja

95,2 %

Nein

4,8 %

gesamt

100 %

Tabelle 20: Haftbedingte Homosexualität (P 2009)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                        Abbildung 20: Haftbedingte Homosexualität (P 2009)

 

 

Auf die Frage: „Mit wem könnte man während der Haft am ehesten über sexuelle Probleme sprechen?“, zeigt sich im Vergleich, dass die Meinungen gleich geblieben sind. Interessant ist, dass die „Mitgefangenen“ an Bedeutung verloren haben, jedoch die Angehörigen der Sonderdienste an Bedeutung zugenommen haben. Dieses Ergebnis ist sehr erfreulich und mag daran liegen, dass heute mehr Sonderdienste in Justizanstalten arbeiten, aber auch daran, dass Insassen immer mehr auf Sonderdienste vertrauen. Insassen vertrauen sich Vollzugsbediensteten weniger an, wenn es um sexuelle Probleme geht.

(n =21)

 

mit Vollzugsbediensteten

9,52 %

mit Angeh. der Sonderdienste

9,52 %

mit Mitgefangenen

80,96 %

gesamt

100 %

Tabelle 21: Gesprächspartner bei sexuellen Problemen (H 1978)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                                    Abbildung 21: Gesprächspartner bei sexuellen Problemen (H 1978)

 

mit Vollzugsbediensteten

5,9 %

mit Angeh. der Sonderdienste

58,8 %

mit Mitgefangenen

35,3 %

gesamt

100 %

Tabelle 22: Gesprächspartner bei sexuellen Problemen (P 2009)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                                    Abbildung 22: Gesprächspartner bei sexuellen Problemen (P 2009)

 


Dieses Ergebnis führt zur nächsten Frage, bei der es um die Möglichkeiten zur Minderung von sexuellen Bedürfnissen während der Haft geht. Bei beiden Erhebungen meinten die meisten Sonderdienste, dass Sport die geeignetste Möglichkeit sei, um sexuelle Bedürfnisse zu mindern. Interessant ist jedoch, dass die Unterschiede zunahmen. So sind bei der Erhebung 2009 schon 60 % für Sport. Bemerkenswert ist, dass die Ansicht, Medikamente könnten helfen, auf 0 % zurückgegangen ist. (n =21)

 

 

Sport

38,1 %

Arbeit

33,33 %

Freizeitbeschäftigungen

23,81 %

Medikamente

4,76 %

gesamt

100 %

Tabelle 23: Möglichkeiten der Minderung sexueller Bedürfnisse (H 1978)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                        Abbildung 23: Möglichkeiten der Minderung sexueller Bedürfnisse (H 1978)

 

Sport

60 %

Arbeit

13,3 %

Freizeitbeschäftigungen

26,7 %

Medikamente

0,0 %

gesamt

100 %

Tabelle 24: Möglichkeiten der Minderung sexueller Bedürfnisse (P 2009)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                        Abbildung 24: Möglichkeiten der Minderung sexueller Bedürfnisse (P 2009)

Die Beurteilung der Besuchsräume ist eine zentrale Frage: „Wie beurteilen Sie die Einrichtungen so genannter „Besuchsräume“, in denen sexuelle Kontakte möglich sind?“ Vor 30 Jahren vertraten noch 71,43 % der befragten Sonderdienste die Meinung, dass Besuchsräume für sexuelle Kontakte eher negativ zu beurteilen sind, da diese Regelung unzumutbar ist. Wie aber aus der Abbildung 26 zu entnehmen ist, sind bei der Erhebung 2009 90,5 % der Meinung, dass diese Regelung positiv ist, da dadurch eine sexuelle Beziehung mit dem erwünschten Partner aufrechterhalten werden kann. Dieses Ergebnis zeigt auch, dass viele Sonderdienste der Ansicht sind, dass Besuchsräume sehr wichtig sind. (n =21)

 

negativ, weil diese Regelung unzumutbar ist

71,43 %

positiv, weil dadurch eine sexuelle Beziehung mit dem erwünschten Partner

aufrechterhalten werden kann

28,57 %

gesamt

100 %

Tabelle 25: Beurteilung der „Besuchsräume“ (H 1978)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                           Abbildung 25: Beurteilung der „Besuchsräume“ (H 1978)

 

 

negativ, weil diese Regelung unzumutbar ist

9,5 %

positiv, weil dadurch eine sexuelle Beziehung mit dem erwünschten Partner

aufrechterhalten werden kann

90,5 %

gesamt

100 %

Tabelle 26: Beurteilung der „Besuchsräume“ (P 2009)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                                    Abbildung 26: Beurteilung der „Besuchsräume“ (P 2009)

 

Die Frage: „Wer sollte Ihrer Meinung nach bei vorhandenen Besuchsräumen o. ä. Besuchserlaubnis erhalten?“ ist ebenfalls wichtig. Der Rahmenerlass für die Durchführung von Langzeitbesuchen sieht für die Besuche nur verheiratete Paare oder Paare mit einer Lebensgemeinschaft von mindestens einem Jahr vor. Das Ergebnis der Befragungen zeigt, dass damals wie heute die Sonderdienste der Meinung sind, dass jeder, der als Partner gewünscht wird, zum Besuch zugelassen werden sollte. (n =21)

 

nur Verheiratete bzw. Verlobte

33,33 %

jeder, der als Partner gewünscht wird

66,67 %

gesamt

100 %

Tabelle 27: Personen mit Erhalt von Besuchserlaubnis in Besuchsräumen (H 1978)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                   Abbildung 27: Personen mit Erhalt von Besuchserlaubnis in Besuchsräumen (H 1978)

 

 

nur Verheiratete bzw. Verlobte

40 %

jeder, der als Partner gewünscht wird

60 %

gesamt

100 %

Tabelle 28: Personen mit Erhalt von Besuchserlaubnis in Besuchsräumen (P 2009)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                    Abbildung 28: Personen mit Erhalt von Besuchserlaubnis in Besuchsräumen (P 2009)

 

 

 

Zur Frage: „Wie sehen Sie die derzeit gehandhabte Ausgangs- bzw. Urlaubsgewährung?“, hat sich bei den Sonderdiensten die Meinung von 1978 bis 2009 sehr geändert. Waren bei der damaligen Erhebung noch mehr als die Hälfte (52,38 %) der Ansicht, dass die Ausgangs- bzw. Urlaubsgewährung eine „ausreichende Maßnahme“ ist, sind die Sonderdienste heute der Meinung, dass dies eher als „Notlösung“ gesehen werden soll. Dies zeigt wieder, dass Langzeitbesuche gewünscht sind und die Pflege von Kontakten zu Angehörigen unterstützen. (n =21)

 

 

als Notlösung

47,62 %

als ausreichende Maßnahme

52,38 %

gesamt

100 %

Tabelle 29: Ausgangs- bzw. Urlaubsgewährung (H 1978)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                     Abbildung 29: Ausgangs- bzw. Urlaubsgewährung (H 1978)

 

 

 

als Notlösung

65 %

als ausreichende Maßnahme

35 %

gesamt

100 %

Tabelle 30: Ausgangs- bzw. Urlaubsgewährung (P 2009)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                     Abbildung 30: Ausgangs- bzw. Urlaubsgewährung (P 2009)

 

Unerwartet ist der Ergebnisvergleich zur Frage: „Glauben Sie, dass jemand nach längerer Haftzeit (ab 2 Jahre) wieder ein normales Sexualleben führen kann?“ 1978 waren 66,67 % der Sonderdienste der Ansicht, dass  nach längerer Haftzeit „nur allmählich“ wieder ein normales Sexualleben möglich ist. Heute sind die Befragten mit 61,9 % der Meinung, dass nach längerer Haftzeit ein normales Sexualleben geführt werden kann. (n =21)

 

 

Ja

23,81 %

Nein

9,52 %

nur allmählich

66,67 %

gesamt

100 %

Tabelle 31: Normales Sexualleben nach Haft (H 1978)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                                Abbildung 31: Normales Sexualleben nach Haft (H 1978)

 

 

Ja

61,9 %

Nein

0,0 %

nur allmählich

38,1 %

gesamt

100 %

Tabelle 32: Normales Sexualleben nach Haft (P 2009)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                                Abbildung 32: Normales Sexualleben nach Haft (P 2009)

 

 

 

 


Zusätzlich zu den Fragen von Heuer 1978 wurde die folgende Frage gestellt: „Sehen Sie die Motivierung, Unterstützung und Förderung von Insassen zum Erhalt von Langzeitbesuch als Aufgabe des sozialen Dienstes?“

Dieses Ergebnis ist sehr erfreulich. Denn 76,2 % der bei der erneuten Erhebung befragten Sonderdienste haben die Frage mit „Ja“ beantwortet. Dieses Ergebnis bekräftigt auch die Ergebnisse der Interviewauswertung. (n = 21)

 

 

Ja

76,2 %

Nein

23,8 %

gesamt

100 %

Tabelle 33: Aufgabe des Sozialen Dienst (P 2009)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                            Abbildung 33: Aufgabe des Sozialen Dienst (P 2009)


 

 

Gefängnis, Wegsperren, Strafe: das Leben so unerträglich machen wie nur möglich. Damit verbindet die österreichische Gesellschaft den Strafvollzug. Jeder Luxus oder Lockerungsversuch wird heftig diskutiert und den Häftlingen missgönnt. Sei es ein Fernseher, regelmäßige Ausgänge oder wie jetzt neu, die Familienbesuche, um mit Angehörigen Zeit zu verbringen oder mit Partnerinnen sexuelle Begegnungen zu pflegen. Das wird von der Bevölkerung nicht gerne gesehen, denn „mit welchem Recht, haben Häftlinge das verdient?“

 

Die Experteninterviews ergaben, dass es aufgrund der regressiven Haltung der österreichischen Gesellschaft sehr schwierig ist, hierzulande Neues zu versuchen und Pilotprojekte zu starten. In Österreich wird erwartet, dass alles immer zu 100 Prozent funktioniert. In den skandinavischen Ländern passiert weniger Anfeindung, wenn Dinge schief gehen! In Österreich ist, so die Experten, „nichts Liberales“ möglich. So ist es zu verstehen, wenn die Justiz sehr zurückhaltend ist mit der Installation neuer Regelungen und sehr vorsichtig an das Thema herangeht.

Der kleine Fortschritt der letzten 15 Jahre ist auch der Sozialarbeit zu verdanken. Einerseits durch die Einreichung des Forderungskataloges in den 1980er Jahren, der schon die Forderung nach Möglichkeit zur Sexualität im Strafvollzug enthielt und andererseits durch die Kommentierung des StVG im Jahr 1996. Darauf kam es im Jahr 2008 zum Erlass des LZB, den jede JA in Österreich umzusetzen hat.

Die Umsetzung passiert viel zu schleppend. Immer wieder ergaben die Befragungen, dass die Umsetzung an der Anstaltsleitung scheitert. Wäre die Leitung aufgeschlossener für dieses Thema und würde das auch auf die Belegschaft transportiert, wäre die Installation von Familienbesuchsräumen weniger problematisch. Ist dies jedoch nicht der Fall, kommt es immer wieder zu Ausreden, beispielsweise aufgrund von baulichen Schwierigkeiten. Aus den Erfahrungen der Justizanstalten, in denen die Familienbesuchsräume schon installiert wurden, lässt sich schließen, dass diese Besuche sehr positiv auf das Zusammenleben in Haft wirken und die Resozialisierungschancen erhöhen. Die Familienbesuchsräume ermöglichen auch Intimkontakte, welche dazu beitragen, dass Partnerschaften währen der Haft aufrechterhalten werden können und dadurch eine Rückkehr in das „alte“ Leben nach der Haft möglich wird.

Bei dieser Umsetzung und vor allem der Durchführung von Familienbesuchen kann nicht nur die Justizanstalt ihren Beitrag leisten. Die Experten waren auch der Meinung, dass die Begleitung und Unterstützung der Insassen, soziale Kontakte zu Angehörigen zu pflegen, eine Aufgabe der Justizsozialarbeit ist, das betrifft vor allem die Vorbereitung auf den Besuch und dessen Reflektion.

 

Zusammenfassend steht fest, dass die befragen Experten die Durchführung von Familienbesuchen, auch für sexuelle Begegnungen befürworten, wenn auch eine gewisse Vorsicht mitschwingt.

Der Vergleich der beiden Fragebogenergebnisse zeigt, dass im Jahr 2009 mehr Sonderdienste der Ansicht sind, dass der Mangel an Möglichkeiten für sexuelle Partnerschafts-Kontakte in Haft sehr belastend sein können, nicht nur für die Insassen, sondern auch für die Partner außerhalb der Haftanstalt. Durch diesen Mangel kommt es verstärkt zu Ersatzhandlungen, am häufigsten Selbstbefriedigung und homosexuelle Betätigungen. Durch die haftbedingte Homosexualität sind vermutlich viele Insassen beschämt und daher ist es umso erfreulicher, dass viele Insassen ihre sexuellen Probleme mit Sonderdiensten besprechen. Die haftbedingte Homosexualität unterstützt eine äußerst positive Beurteilung der Besuchsräume. Auch die Sonderdienste in den Justizanstalten sind der Meinung, dass durch diese eine Partnerschaft aufrechterhalten werden kann.

Ebenso erfreulich ist, dass sowohl die interviewten Experten als auch die Sonderdienste in Justizanstalten der Meinung waren, dass die Motivierung, Unterstützung und Förderung von Insassen zum Erhalt von LZB Aufgabe des sozialen Dienstes ist.

 

Aufgrund des Ergebnisses meiner empirischen Erhebung denke ich, dass Justizsozialarbeit oft wegen des reglementierten Rahmens im Vollzug, sowie aufgrund dessen, dass Sozialarbeiter sehr oft andere Ansichten über den Umgang mit dem Menschen in Haft vertreten als die übrige Belegschaft in einer Justizanstalt an Grenzen in der ganzheitlichen Arbeit stößt. Sozialarbeiter wagen sich das Thema Sexualität mit den Insassen zu besprechen. Doch wie können Justizsozialarbeiter den allgemeinen Widerstand zu diesem Thema und möglicherweise auch den eigenen Widerstand bearbeiten?

Ich denke, dass die Beschäftigung mit der „sexuellen Frage“ für Sozialarbeiter schon in der Ausbildung beginnen sollte. Das beschränkt sich nicht nur auf den Strafvollzug, sondern gilt für jegliche Form der Sozialarbeit im Zwangskontext, wie zum Beispiel in Altersheimen, Behinderteneinrichtungen, psychiatrischen Anstalten, geschlossenen Einrichtungen der Jugendwohlfahrt und vielen mehr. Nach meiner Meinung, würde es Sozialarbeitern leichter fallen, mit Klienten über deren Sexualität zu sprechen, hätten sie sich im Rahmen des Studiums mit dem Thema befasst. Ist das nicht der Fall, sind Fortbildungen sinnvoll, die speziell auf den Umgang mit Klienten und deren Sexualität im Zwangskontext abzielen. Auch müsste dieses heikle Thema im Reglement der Haftanstalt enthemmt werden, sodass sich Sozialarbeiter auch gefestigter fühlen und sicher mit dem Thema umgehen können. Es ist sehr schwierig für Sonderdienste in einer so starren Institution wie dem Strafvollzug neue Ideen vorzubringen, noch schwieriger wird es, wenn die Leitung nicht aufgeschlossen dafür ist! Diese Grenze der Justizsozialarbeit bestehe generell. Man kann alleine, ohne Sicherung und Halt durch einen Partner keinen Berg erklimmen. Ich befürchte, dass die Justizsozialarbeit aufgrund dieser Widerstände zum Teil resigniert hat es aufgibt zu Kämpfen. Der Kampf für die Rechte der Insassen wird oft derart erschwert, dass man früher oder später aufgibt, bevor man wahrscheinlich selbst daran zerbricht.

 

Abschließend ist zu sagen, dass die Familienbesuchsräume zum Erhalt von sozialen und sexuellen Beziehungen wünschenswert und wichtig sind!

 

Doch eine theoretische Auseinandersetzung mit Sexualität im Strafvollzug ist in Österreich notwendig, denn die Quellenlage ist bis auf alte amerikanische und vereinzelt deutsche Literatur dürftig. (zB Nicola Döring in Zeitschrift für Sexualforschung, 2006, S. 19, 315 – 333)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                Abbildung 34: selbstgefertigte Puppe (aus: Bilder-Lexikon Kulturgeschichte, Verlag für Kulturforschung Wien/Leipzig, 1928, S. 865)

 

Auf dem dargestellten Bild ist eine von einem Insassen selbst gefertigte Puppe zu sehen, mit der dieser den Coitus vollzog. Das ist nur eine von vielen „kreativen“ Möglichkeiten für Ersatzhandlungen zur sexuellen Befriedigung.

(Text in der Mitte des Bildes: „Diese Puppe hatte sich ein Gefangener gefertigt, um mit ihr den Coitus zu vollziehen. (Art Pygmalionismus)

 

Eine Frage sollte sich nun jeder stellen: Will man Menschen eine solche Art der sexuellen Befriedigung zumuten, oder sollte man Insassen nicht im Hinblick darauf, dass Sexualität eine menschenwürdige Möglichkeit der sexuellen Zweisamkeit anbieten?


 

 

Aufgrund des vorgegebenen Rahmens, konnte ich mich leider nicht näher mit weiteren Aspekten, die in diesem Zusammenhang noch interessant gewesen wären, auseinandersetzen. Man könnte an dieser Stelle noch Probleme im Frauenvollzug diskutieren oder noch genauer auf die Anliegen und Bedürfnisse der Angehörigen von Insassen eingehen. Für mich war es jedoch wichtig, einen Einblick in dieses Thema zu geben und grundsätzlich aufzeigen wie man in Österreich mit den Tabuthemen Sexualität und Strafvollzug umgeht. Ich hoffe, das ist mir gelungen und vielleicht kann ich mit meiner Auseinandersetzung mit dem Thema Familienbesuche etwas bewegen.


 

 

„Was ich damit sagen will ist Folgendes:

Viele, die im Knast sind, haben ‚Gefühle’;

wir sind nicht alle schlechte Menschen

und wir wollen normal leben.“

(T. Rath 2000, S. 7)


 

 

Bojack B. (2007): Familiäre und soziale Beziehungen im Strafvollzug – Ihre Bedeutung für die Resozialisierungschancen, in: Theorie und Praxis der sozialen Arbeit 6

 

Borneman E. (1984): Lexikon der Liebe – Materialien zur Sexualwissenschaft, Hannibal Verlag, Wien

 

Caruso I.A. (1983): Die Trennung der Liebenden – Eine Phänomenologie des Todes, Fischer, Frankfurt am Main

 

Corilon J. (2000): Alltag im Gefängnis, in: Deisenberger H., Drexler Ch (Hg.): Alltag im Gefängnis, Verlagsatelier Dr. Helmut Wagner, Linz

 

Dressler, S./Zink, C. (2003): Pschyrembel Wörterbuch Sexualität, Walter de Gruyter, Berlin und New York

 

Gratz W. (2007): Im Bauch des Gefängnisses, Beiträge zur Theorie und Praxis des Strafvollzuges aus: Schriftenreihe der Vereinigung Österreichischer StrafverteidigerInnen, Band 7, Wien/Graz

 

Gödl W./Deißenberger J. (2007): Strafvollzugsgesetz – Eine Informationsbroschüre des Bundesministeriums für Justiz, 8. Auflage, Wien

 

Heuer, G. (1978): Problem Sexualität im Strafvollzug, 1. Auflage, Verlagsgemeinschaft Ernst Klett, Stuttgart

 

Holzbauer, A/Brugger, S. (1996): Strafvollzugsgesetz, Verlag Österreich, Edition juristische Literatur, Wien

 

Holzbauer, A (2009): Kommentar zu § 56 StVG, im Druck

 

Mayer, H. O. (2004): Interview und schriftliche Befragung – Entwicklung, Durchführung und Auswertung, 2. Auflage, München/ Wien

 

Mayr (1935): Verhütung und Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, in: Arzt-Zieler, Die Haut- und Geschlechtskrankheiten Bd. V, Wien

 

Mayring, P. (2002): Einführung in die qualitative Sozialforschung – Eine Anleitung zu qualitativem Denken, 5. Auflage, Weinheim/ Basel

 

Mock, J. (2008): Eröffnung des Familien- und Langzeitbesuchsbereich der JA Wels, Intranet des Strafvollzugs, Stand: 23.7.2008

 

Niedermeyer A. (1949): Handbuch der speziellen Pastoralmedizin, Band 1, Herder, Wien

 

o.V. (o.J.): Aufgaben des Arbeitsplatzes; unveröffentliches Skriptum

 

o.V. (2006): Sex im Gefängnis – nach fünf Stunden ist Schluss, Luzerner Zeitung 7. April 2006

 

Rath T. (2000): Alltag im Gefängnis, in: Deisenberger H., Drexler Ch (Hg.): Alltag im Gefängnis, Linz

 

Republik Österreich (2008): Rahmenerlass für die Durchführung von Langzeitbesuchen, BMJ-VD43201/0006-VD 2/2008, Wien

 

Resperger F, (2008): Hochkonjunktur in der Kuschelzelle, in: Kurier 1.9.2008

 

Ruschitzka W. (1956/57): Das Sexualproblem in der Haft, in: Mitteilungen aus gerichtlicher Medizin und Psychiatrie, Gefängnismedizin und –psychologie, Kriminologie, Strafrecht und Strafvollzug 4

 

Schroven G./Maelicke B./Bammann K. et. al. (2008): Liebe, Freundschaft, Sexualität, in: Forum Strafvollzug – Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe 6, Wiesbaden

 

Zink Ch. (1986): Pschyrembel klinisches Wörterbuch, 255. Auflage, Verlag Walter de Gruyter, New York

 

Internetquellen:

 

Haeberle, E.J. (2001): Zur Förderung sexueller Gesundheit – Handlungsempfehlungen, Bericht einer Regionalkonsultation der WHO und der PAHO, Guatemala,

in: http://www.sexarchive.info/GESUND/ARCHIV/DEUTSCH/PAHODE.HTM, Stand: 11.2.2009

 

http://services.langenscheidt.de/fremdwb/fremdwb.html, Stand: 20.3.09

 

o.V. o.J.: Der Völkerbund, in:

http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/aussenpolitik/voelkerbund/index.html,

Stand: 19.4.2009

 

o.V. (2007): Enthaltsamkeit, allgemein, in:

www.onmeda.de/lexika/sexualitaet/enthaltsamkeit.html, Stand: 26.12.08

VwGH Erkenntnis 21.6.2009, GZ 2005/06/0034 in: www.ris.bka.gv.at, Stand: 19.4.2009


 

 

ABGB_____________________________ Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch

BWH______________________________ Bewährungshilfe

EMRK_____________________________ Europäische Menschenrechtskonvention

FORAM____________________________ forensische Ambulanz

HEH______________________________ Haftentlassenenhilfe

JA________________________________ Justizanstalt

LZB_______________________________ Langzeitbesuch

PAHO_____________________________ Pan American Health Organisation

StPO______________________________ Strafprozessordnung

StVG______________________________ Strafvollzugsgesetz

VwGH_____________________________ Verwaltungsgerichtshof

WAS______________________________ World Association for Sexology

WHO______________________________ World Health Organisation


 

 

Die in der Arbeit enthaltenen Interviews, die Transkripte sind auf der CD im Anhang wieder zu finden, wurden mit folgenden Experten geführt:

 

·         Mag. (FH) Karl Hofinger, Sozialarbeiter in der JA Suben von 1979 – 1991 und Sprecher der Arbeitsgruppe der Justizsozialarbeiter & Ergotherapeuten in Österreich, am 12.2.2009

·         Mitarbeiter der Gefängnisseelsorge, am 13.2.2009

·         Mitarbeiterin der FORAM Linz, am 18.2.2009

·         Univ.-Doz. Dr. Arno Pilgram, Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie, am 23.2.2009

·         Mitarbeiterin aus einer Nachsorgeeinrichtung für ehemalige Insassen, am 23.2.2009

·         Dr. Patrick Frottier, Psychiater, am 23.2.2009

·         Mag. Hermann Deisenberger, Seelsorger und Leiter der Gefangenenpastoral, am 26.2.2009

·         Ernst Strohmeyer, ehemaliger Justizsozialarbeiter, am 6.3.2009

·         Mag.a Ulrike Hutter, klinische und Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin und Psychoanalytikerin im SAP, der Sexualberatungsstelle in Salzburg, am 12.3.2009


 

 

Abbildungen

 

Abbildung 1: Mangel an Möglichkeiten für sexuelle Kontakte (H 1978)

Abbildung 2: Mangel an Möglichkeiten für sexuelle Kontakte (P 2009)

Abbildung 3: Leid an zwangsweiser Trennung (H 1978)

Abbildung 4: Leid an zwangsweiser Trennung (P 2009)

Abbildung 5: Schwierigkeit der Lage (H 1978)

Abbildung 6: Schwierigkeit der Lage (P 2009)

Abbildung 7: Beeinträchtigung des Gefangenen-Sexuallebens (H 1978)

Abbildung 8: Beeinträchtigung des Gefangenen-Sexuallebens (P 2009)

Abbildung 9: Unterschied zu anderen Institutionen (H 1978)

Abbildung 10: Unterschied zu anderen Institutionen (P 2009)

Abbildung 11: Überbetonung des Sexuallebens in Haft (H 1978)

Abbildung 12: Überbetonung des Sexuallebens in Haft (P 2009)

Abbildung 13: Möglichkeiten sexueller Befriedigung (H 1978)

Abbildung 14: Möglichkeiten sexueller Befriedigung (P 2009)

Abbildung 15: Sexuelle Nötigung als Haftproblem (H 1978)

Abbildung 16: Sexuelle Nötigung als Haftproblem (P 2009)

Abbildung 17: Schutz vor sexueller Nötigung (H 1978)

Abbildung 18: Schutz vor sexueller Nötigung (P 2009)

Abbildung 19: Haftbedingte Homosexualität (H 1978)

Abbildung 20: Haftbedingte Homosexualität (P 2009)

Abbildung 21: Gesprächspartner bei sexuellen Problemen (H 1978)

Abbildung 22: Gesprächspartner bei sexuellen Problemen (P 2009)

Abbildung 23: Möglichkeiten der Minderung sexueller Bedürfnisse (H 1978)

Abbildung 24: Möglichkeiten der Minderung sexueller Bedürfnisse (P 2009)

Abbildung 25: Beurteilung der „Besuchsräume“ (H 1978)

Abbildung 26: Beurteilung der „Besuchsräume“ (P 2009)

Abbildung 27: Personen mit Erhalt von Besuchserlaubnis in Besuchsräumen (H 1978)

Abbildung 28: Personen mit Erhalt von Besuchserlaubnis in Besuchsräumen (P 2009)

Abbildung 29: Ausgangs- bzw. Urlaubsgewährung (H 1978)

Abbildung 30: Ausgangs- bzw. Urlaubsgewährung (P 2009)

Abbildung 31: Normales Sexualleben nach Haft (H 1978)

Abbildung 32: Normales Sexualleben nach Haft (P 2009)

Abbildung 33: Aufgabe des Sozialen Dienst (P 2009)

Abbildung 34: selbstgefertigte Puppe (entnommen aus: Bilder-Lexikon Kulturgeschichte, Verlag für Kulturforschung Wien/Leipzig, 1928, S. 865)

 


Tabellen

 

Tabelle 1: Mangel an Möglichkeiten für sexuelle Kontakte (H 1978)

Tabelle 2: Mangel an Möglichkeiten für sexuelle Kontakte (P 2009)

Tabelle 3: Leid an zwangsweiser Trennung (H 1978)

Tabelle 4: Leid an zwangsweiser Trennung (P 2009)

Tabelle 5: Schwierigkeit der Lage (H 1978)

Tabelle 6: Schwierigkeit der Lage (P 2009)

Tabelle 7: Beeinträchtigung des Gefangenen-Sexuallebens (H 1978)

Tabelle 8: Beeinträchtigung des Gefangenen-Sexuallebens (P 2009)

Tabelle 9: Unterschied zu anderen Institutionen (H 1978)

Tabelle 10: Unterschied zu anderen Institutionen (P 2009)

Tabelle 11: Überbetonung des Sexuallebens in Haft (H 1978)

Tabelle 12: Überbetonung des Sexuallebens in Haft (P 2009)

Tabelle 13: Möglichkeiten sexueller Befriedigung (H 1978)

Tabelle 14: Möglichkeiten sexueller Befriedigung (P 2009)

Tabelle 15: Sexuelle Nötigung als Haftproblem (H 1978)

Tabelle 16: Sexuelle Nötigung als Haftproblem (P 2009)

Tabelle 17: Schutz vor sexueller Nötigung (H 1978)

Tabelle 18: Schutz vor sexueller Nötigung (P 2009)

Tabelle 19: Haftbedingte Homosexualität (H 1978)

Tabelle 20: Haftbedingte Homosexualität (P 2009)

Tabelle 21: Gesprächspartner bei sexuellen Problemen (H 1978)

Tabelle 22: Gesprächspartner bei sexuellen Problemen (P 2009)

Tabelle 23: Möglichkeiten der Minderung sexueller Bedürfnisse (H 1978)

Tabelle 24: Möglichkeiten der Minderung sexueller Bedürfnisse (P 2009)

Tabelle 25: Beurteilung der „Besuchsräume“ (H 1978)

Tabelle 26: Beurteilung der „Besuchsräume“ (P 2009)

Tabelle 27: Personen mit Erhalt von Besuchserlaubnis in Besuchsräumen (H 1978)

Tabelle 28: Personen mit Erhalt von Besuchserlaubnis in Besuchsräumen (P 2009)

Tabelle 29: Ausgangs- bzw. Urlaubsgewährung (H 1978)

Tabelle 30: Ausgangs- bzw. Urlaubsgewährung (P 2009)

Tabelle 31: Normales Sexualleben nach Haft (H 1978)

Tabelle 32: Normales Sexualleben nach Haft (P 2009)

Tabelle 33: Aufgabe des Sozialen Dienst (P 2009)


 

Ich, Katrin Pendlmayr, erkläre hiermit an Eides statt, diese Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Behelfe verfasst, andere als die angegebenen Hilfsmittel nicht benützt und die in den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht zu haben.

 

Hagenberg, im April 2009


 

 

Interviewleitfaden für externe Experten:

 

1.    Rahmenerlass und Gesetz

-       Inwieweit ist das Gesetz §93 StVG (Besuche) bekannt und wieweit wird, Ihrer Meinung nach, danach gehandelt?

-       Gab es spürbare Änderungen, als das Gesetz des LZB 1993 kam?

-       Ist bekannt, dass der VwGH 2005 LZB mit Intimkontakten als zulässig erkannt hat?

-       Wie reagierte man in der JA auf den Rahmenerlass der LZB und das Gesetz Ihrer Meinung nach?

-       Denken Sie, dass die Insassen diese Veränderung kennen?

-       Werden in den Justizanstalten LZB in Anspruch genommen? Wie intensiv?

-       Gibt es Familienbesuchsräume in den JAs?

-       Wenn ja, werden diese genutzt?

-       Wenn ja, auch für Sexualkontakte?

-       Wenn nein, warum nicht?

 

2.    Sozialarbeit und Sexualkontakte

-       Inwieweit wird von SozialarbeiterInnen auf dieses Thema eingegangen?

-       Treten Insassen bzgl. dieses Themas an SozialarbeiterInnen heran?

-       Denken Sie, dass es Aufgabe der Justizsozialarbeit ist, Insassen zu begleiten und zu unterstützen, damit diese ihre sexuellen Beziehungen aufrechterhalten können? Wenn nein, warum nicht? Wer sollte sich dieses Themas annehmen?

-       Was bräuchten SozialarbeiterInnen, um sich bei dieser Aufgabe kompetent zu fühlen?

-       Was wünschen sich SozialarbeiterInnen an Unterstützung bei diesem Thema?

-       Gibt es aus Ihrer Sicht Verbesserungsvorschläge bzgl. der Familienbesuchräume und deren Organisation?

-       Warum glauben Sie, werden Intimkontakte in JAs nicht ermöglicht?

 


Fragebogen zum Thema Sexualität im Strafvollzug

(Fragebogen von Gerhild Heuer 1978 in: Problem Sexualität im Strafvollzug)

 

1.    Wie beurteilen Sie den Mangel an Möglichkeiten zu sexuellen Kontakten?

 

1 als belastend, aber auszuhalten

2 unbedeutend

3 sehr belastend

4 kaum auszuhalten

 

2.    Wer leidet Ihrer Meinung nach bei festen Bindungen (Ehe, Verlobung, Freundschaft) am meisten unter der zwangsweisen Trennung?

 

1 der männliche Partner

2 der weibliche Partner

3 beide in gleichem Maße

 

3.    Ist die Lage Ihrer Meinung nach für den in der Vollzugsanstalt Lebenden schwieriger als für den Partner außerhalb der Anstalt?

 

1 ja

2 nein

3 für beide in gleichem Maße

 

4.    Beurteilen Sie die Beeinträchtigung des Gefangenen Sexuallebens als strafverschärfend an?

 

1 ja

2 nein

 

5.    Gibt es Ihrer Meinung nach in bezug [sic!] auf das Sexualleben in der Haft einen Unterschied zum Leben in anderen Institutionen (zB Marine, Klöster, Kasernen, Internate, Fürsorgeheime)?

 

1 ja

2 nein

3 nur bedingt

 

6.    Entsteht Ihrer Meinung nach durch die Haftsituation eine Überbetonung des Sexualleben („sic!“)?

 

1 ja

2 nein

 

7.    Welche Möglichkeiten sexueller Befriedigung während der Haft stehen Ihrer Meinung nach im Vordergrund?

 

1 Selbstbefriedigung

2 homosexuelle Betätigung

3 beides

 

8.    Sehen Sie „sexuelle Nötigung“ als ein Haftproblem an?

 

1 ja

2 nein

 

9.    Wie kann man sich Ihrer Meinung nach vor „sexueller Nötigung“ schützen?

 

1 durch Abwehr

2 durch Verlegung in eine andere Zelle bzw. an einen anderen Arbeitsplatz

3 kein genereller Schutz möglich

 

10. Gibt es Ihrer Meinung nach eine haftbedingte Homosexualität?

 

1 ja

2 nein

 

11. Mit wem könnte man während der Haft am ehesten über sexuelle Probleme sprechen?

 

1 mit Vollzugsbediensteten

2 mit Angehörigen der Sonderdienste

3 mit Mitgefangenen

 

12. Welche der aufgeführten Möglichkeiten kann Ihrer Meinung nach sexuelle Bedürfnisse während der Haft am ehesten mindern?

 

1 Sport

2 Arbeit

3 Freizeitbeschäftigungen

4 Medikamente

 

13. Wie beurteilen Sie die Einrichtungen sogenannter („sic!“) „Besuchsräume“, in denen sexuelle Kontakte möglich sind?

 

1 negativ, weil diese Regelung unzumutbar ist

2 positiv, weil dadurch eine sexuelle Beziehung mit dem erwünschten Partner

aufrechterhalten werden kann

14. Wer sollte Ihrer Meinung nach bei vorhandenen Besuchsräumen o.ä. Besuchserlaubnis erhalten?

 

1 nur Verheiratete bzw. Verlobte

2 jeder, der als Partner gewünscht wird

 

15. Wie sehen Sie die derzeit gehandhabte Ausgangs- bzw. Urlaubsgewährung an?

 

1 als Notlösung

2 als ausreichende Maßnahme

 

16. Glauben Sie, daß („sic!“) jemand nach längerer Haftzeit (ab 2 Jahre) wieder ein normales Sexualleben führen kann?

 

1 ja

2 nein

3 nur allmählich

 

Zusatz:

 

17. Sehen Sie die Motivierung, Unterstützung und Förderung von Insassen zum Erhalt von Langzeitbesuch als Aufgabe des sozialen Dienstes?

 

1 ja

2 nein

                                                                    Vielen Dank für Ihre Mitarbeit!!!

 



[1] In diesen Studien schlug er die Befreiung der sexuellen Handlungen der Menschen vor, die heute unterdrückt und verfolgt werden und ihre Eingliederung in eine Lehre, deren wissenschaftliche und logische Grundlage die Berechtigung und die Freiheit sexueller Handlungen bildet. […] (vgl. Haeberle 1985, S. 568-569)

[2] Der Völkerbund war eine internationale Gemeinschaft mit Sitz in Genf und wurde im Jänner 1920 nach dem Ersten Weltkrieg gegründet um den Frieden dauerhaft zu sichern. Er wurde im April 1946 wieder aufgelöst. Der Völkerbund war Vorläufer der Vereinten Nationen (UNO). (vgl. www.dhm.de/lemo/html/weimar/aussenpolitik/voelkerbund/index.html, Stand: 19.4.2009)

[3] Erläuterung über den Rahmenerlass für die Durchführung von Langzeitbesuchen siehe im Kapitel „Gesetzeslage und Rahmenerlass für Langzeitbesuche“

[4] (lat. appetere, verlangen) fehlendes Verlangen, in diesem Fall nach Sexualität (Pschyrembel kl. Wörterbuch, 1986, S. 780, Walter de Gruyter, 255. Auflage, New York)

[5] Das Ergebnis von 94 % entspricht der Auswertung von Heuer, Gerhild (1978): Problem Sexualität im Strafvollzug, S. 85