Dr. Helmut Graupner

Das 17-jährige Kind

Jüngste europarechtliche Rahmenbedingungen

für Sexualität in den Neuen Medien

 

Vortrag anlässlich der Fachtagung der Gesellschaft für Sexualwissenschaft e.V. (GSW)
in Zusammenarbeit mit der Klinik und Poliklinik für Hautkrankheiten der Universität Leipzig

Tagungsthema:“Sexualität und Neue Medien”(10.05.2003)
 

Dr. Helmut GRAUPNER

(www.graupner.at)

 

 

Abstract: Kürzlich verabschiedete EU-Gesetzgebung wird Eingriffe in das Sexualleben Jugendlicher bewirken, wie sie bislang kein einziger der EU-Mitgliedstaaten kennt. Der „Rahmenbeschluß zur Bekämpfung sexueller Ausbeutung von Kindern und Kinderpornografie“ verpflichtet alle Mitgliedstaaten zur Schaffung extensiver Tatbestände der „Kinder“-Prostitution und der „Kinder“-Pornografie, wobei als jede Person bis zum 18. Lebensjahr als „Kind“ definiert wird, ohne zwischen 17jährigen Jugendlichen und 5jährigen Kindern zu differenzieren. Diese Tatbestände gehen weit über die Bekämpfung von Kinderpornografie und Kinderprostitution hinaus und deklarieren einen breiten Bereich, bisher in der überwältigenden Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten legalen, jugendlichen Sexualverhaltens zu schweren Delikten. So etwa: Sex zwischen 16jährigen gegen Entgelt, was Einladungen zu einem Kinobesuch oder einem Abendessen beinhaltet; eine 16jährige, die ein erotisches Bild von sich selbst macht und es ihrem 17jährigen Freund zeigt; ebenso ein 15jähriger, wenn er (für sich) von seiner gleichaltrigen Freundin ein Foto im knappen Bikini, der die „Schamgegend“ (wenn auch nicht die Genitalien) erkennen lässt, und in „lasziver“ („aufreizender“) Pose, schießt. Das gleiche gilt für einen 14jährigen, der, im Privaten, eine nackte 17jährige Schönheit in „aufreizender“ Pose auf seinem Computer generiert und dieses Bild nicht durch Passwort schützt oder es einem Freund zeigt. Ebenso 17jährige, die intime Bilder von sich selbst austauschen, oder einander über Webcams betrachten und dabei ihre „Schamgegend“ (oder gar ihre Genitalien) „lasziv“ („aufreizend“) entblößen, ganz zu schweigen, wenn sie einander bei sexuellen Handlungen betrachten; Standardpornografie mit jünger aussehenden 20jährigen DarstellerInnen; ja sogar Bilder des eigenen Ehepartners in „aufreizenden“ Posen, wenn er (für das Gericht) jünger als 18 aussieht. Keine Strafrechtsordnung Europas kennt bislang so restriktive Tatbestände. Die massive Kriminalisierung und die Gleichsetzung von Jugendlichen mit Kindern stieß auf massive Kritik von Expertenseite. Diese Kritik konnte allerdings die Annahme des Rahmenbeschlusses durch den Ministerrat der Europäischen Union nicht verhindern. Der vorliegende Beitrag analysiert den Hintergrund, den Gesetzwerdungsprozess und den Inhalt des Rahmenbeschlusses.

 

 

Keine Sprache der Welt hat den Begriff “Kind” jemals für Personen verwendet, die den frühen Teenagerjahren entwachsen sind (Friedenberg 1974, 21). Jugendliche sind keine „Kinder“ mehr (Baacke 1983, 70; Herbold 1977, 101; Kraemer 1976, 40; Lautmann 1987, 66).[1] Es war die Konvention über die Rechte des Kindes aus dem Jahre 1989,[2] die den Anfang machte in der Auflösung der Unterscheidung zwischen Kindern und Jugendlichen und der unterschiedslosen Bezeichnung aller Personen unter 18 Jahren als „Kind“ (Art. 1).

 

Die Europäische Kommission hat dieses Konzept in das Strafrecht übertragen als sie im Dezember 2000 einen EU-Rahmenbeschluß zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornografie vorgeschlagen hat.[3] Dieser Rahmenbeschluß wird alle Mitgliedstaten der Europäischen Union dazu verpflichten, Verbrechenstatbestände zu schaffen, die weit über das hinausgehen, was irgendeiner der Staaten Europas heute kennt.[4]

 

Der Vorschlag der Kommission definiert als „Kind“ jede Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (Art. 1 lit. a). Sie unterscheidet dabei in keiner Weise zwischen verschiedenen Altersgruppen oder Altersstufen; im besonderen unterscheidet sie nicht zwischen Kindern auf der einen Seite und Jugendlichen auf der anderen. Der Vorschlag der Kommission behandelt einen 17 ½ jährigen jungen Mann in der gleichen Weise wie ein 5jähriges Kind.

 

Diese Gleichsetzung von Kindern und Jugendlichen und die unterschiedslose Anwendung derselben Vorschriften auf diese beiden unterschiedlichen Altersgruppen, zeitigt absurde und gefährliche Folgen.[5]

 

 

Unzureichender Kinderschutz

 

Die Kommission hat in ihrem Vorschlag keine Mindestaltersgrenze für einverständliche sexuelle Kontakte festgelegt, obwohl alle EU-Mitgliedstaaten wie auch alle anderen europäischen und außereuropäischen Staaten solche Mindestaltersgrenzen haben; wobei diese Mindestaltersgrenzen nirgendwo niedriger liegen als 12, in den meisten europäischen Rechtsordnungen bei 14 oder 15 Jahren (Graupner 1997a, 1997b, 2000). Nach dem von der Kommission vorgeschlagenen Rahmenbeschluß, sind die Mitgliedstaaten lediglich verpflichtet, sexuelle Kontakte mit Kindern im Kontext von Pornografie, Prostitution, Gewalt oder Verleitung unter Strafe zu stellen (Art. 2 & 3). Der Entwurf (wie auch die schlussendlich angenommene Endfassung) erfasst aber nicht sexuelle Kontakte mit Kindern, die außerhalb von Pornografie und Prostitution gewaltlos und ohne Verleiten gesetzt werden. Dieses Schutzdefizit erscheint insofern unverständlich als es den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Möglichkeit beließe, sogar pädophile Kontakte zu entkriminalisieren, sofern keine Verleitung und keine Gewalt und keine Einbeziehung in Pornografie oder Prostitution erfolgt.

 

Der Entwurf der Kommission verpflichtet die Mitgliedstaaten lediglich, zu erwägen natürliche Personen von der Ausübung von Tätigkeiten auszuschließen, die Aufsicht über Kinder beinhalten, wenn diese Personen wegen bestimmter Delikte vorbestraft sind (Art. 5 Abs. 5).[6] Daß das keine absolute Verpflichtung ist, verblüfft. Wie es auch der Umstand tut, dass nur privatrechtliche – nicht aber öffentlichrechtliche – juristische Personen für (die Ermöglichung) einschlägige(r) Delikte verantwortlich gemacht werden können (Art. 1 lit. d, Art. 6 & 7).

 

Diese ungenügenden und halbherzigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern stehen in offenem Gegensatz zu den geradezu drakonischen Einschränkungen, die für das Sexualleben von Jugendlichen vorgeschrieben werden. Beides ist die Folge desselben Grundfehlers: der Gleichsetzung von Kindern und Jugendlichen.

 

 

Drakonische Eingriffe in jugendliches Sexualverhalten

 

Der Rahmenbeschluß definiert als „Kinder“-Pornografie alle bildlichen Darstellungen eindeutig sexueller Handlungen unter Einbeziehung einer Person unter 18 Jahren; diese Einbeziehung kann direkt oder indirekt sein (Art. Lit. b). Eindeutig sexuelle Handlungen inkludiert dabei sogar „aufreizende Zuschaustellung der Geschlechtsorgane oder der Schamgegend“;[7] wohlgemerkt: nicht nur der Genitalien, sondern auch bereits bloß der „Schamgegend“.[8] Diese Formulierung wurde, wie die gesamte Definition von „Kinder“-Pornografie, wortwörtlich aus dem § 2256 des US-amerikanischen Federal Criminal Code übernommen. Wie extensiv diese Formulierungen sind kann man an der Entwicklung in den USA ersehen. 1994 hat der Kongress in Reaktion auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA ausdrücklich erklärt dass er bei der Beschlussfassung des Gesetzes[9] beabsichtigte, dass der Anwendungsbereich der Wendung ‚Zurschaustellung der Genitalien oder der Schamgegend’ nicht auf Nacktbilder beschränkt sein sollte oder auf Abbildungen auf denen die Genitalien unter Kleidung erkennbar sind; bei Videoaufnahmen sollte es, um unter diese Bestimmung zu fallen, außerdem nicht notwendig, dass die Genitalien oder die Schamgegend auf dem Video zu sehen ist oder dass die minderjährige Person lasziv handelt oder posiert.[10] Die nunmehr in das europäische Recht übernommene Formulierung erfasst also alle denkbaren Arten erotischer Darstellungen von Personen unter 18 Jahren; sogar solche, auf denen der junge Mann oder die junge Frau voll bekleidet ist.

 

 Nach dem Vorschlag der Kommission sind auch fiktive Darstellungen erfasst; wie etwa Comics, Zeichnungen und Gemälde, sogar wenn diese vollkommen unrealistische Darstellungen beinhalten (Art. 3).[11] Zudem, soll es nicht notwendig sein das wahre Alter der abgebildeten Personen festzustellen; es soll genügen, dass sie dem Betrachter wie unter 18 Jahre erscheinen.[12] Vergegenwärtigt man sich die mögliche Bandbreite in der Alterseinschätzung und beachtet man, dass angesichts dieser großen Bandbreite möglicher Schätzungen nahezu jede Person von 18, 19 oder Anfang 20 als unter 18 eingeschätzt werden kann, ist es leicht nachzuvollziehen, dass unter den neuen Bestimmungen ein guter Teil der handelsüblichen Standardpornografie der Gefahr ausgesetzt ist, zum Gegenstand polizeilicher Ermittlungen und Maßnahmen sowie strafrechtlicher Anklagen zu werden.

 

Der Vorschlag der Kommission zielte aber nicht nur eine massive Ausdehnung der Strafbestimmungen im Bereich der Pornografie. Er wollte die Mitgliedstaaten auch verpflichten, sexuelle Kontakte mit Personen unter 18 zu kriminalisieren, wenn sie – nicht nur gegen Geld oder andere Dinge von wirtschaftlichem Wert sondern sogar - gegen „sonstige“, also nicht-ökonomische, Vergütung erfolgen (Art. 2 lit. b ii), was das auch immer sein mag. Damit noch nicht genug, sollte auch die „Verleitung“ von jungen Männern und Frauen unter 18 zu sexuellen Handlungen zum Sexualverbrechen werden (Art. 2 lit. b ii). Die Kommission definierte „Verleitung“[13] nicht und gab nicht die geringste Begründung für diese vorgeschlagene Kriminalisierung aller Sexualkontakte von Jugendlichen, die nicht sie selbst, sondern ihre Partner, initiiert haben.[14]

 

Der Vorschlag (wie der endgültige Text) beinhaltet keine Ausnahme für jugendliche Täter; dh sogar Jugendliche selbst können Täter dieser Delikte sein. Und die Strafen, die die Kommission vorschlägt, sind drakonisch: die Höchststrafe muß mindestens vier Jahre betragen, ohne Differenzierung zwischen jugendlichen und erwachsenen Tätern (Art. 5). Als Opfer werden Jugendliche sohin mit Kindern, und als Täter mit Erwachsenen gleichgesetzt.

 

Nach dem  Vorschlag der Kommission wäre in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein 15jähriger mit Freiheitsstrafe bis zu mindestens vier Jahren bedroht, wenn er von seiner gleichaltrigen Freundin ein Foto im knappen Bikini, der die „Schamgegend“ (wenn auch nicht die Genitalien) erkennen lässt, und in erotischer (oder in den Worten des Entwurfs: „aufreizender“) Pose, schießt. Das gleiche gilt für einen 14jährigen, der, im Privaten, eine nackte junge Schönheit in „aufreizenden“ Posen zeichnet. Ebenso für 17jährige, die intime Bilder von sich selbst austauschen, oder einander über webcams betrachten und dabei ihre „Schamgegend“ (oder gar ihre Genitalien) „aufreizend“ entblößen, ganz zu schweigen, wenn sie einander bei sexuellen Handlungen betrachten („webcam-sex“). Auch Jugendliche, die andere Jugendliche um Sex fragen, würden eine Anklage riskieren, schließlich „verleiten“ sie ja ein „Kind“ zu Sex. Das gilt umso mehr, wenn sie dem anderen Jugendlichen irgendeinen Vorteil für den Fall versprechen, dass sie erhört werden.

 

 Das Europäische Parlament hat den Vorschlag der Kommission mit überwältigender Mehrheit von 446 gegen 16 Stimmen begrüßt; und forderte sogar noch Verschärfungen. So verlangte es, die Kriminalisierung von „fahrlässiger“ Produktion von „Kinder“-Pornografie und die Kriminalisierung auch von Audio-Material, von gesprochenem und textlichem Material, das sexuelle Kontakte mit Personen unter 18 Jahren verteidigt.[15] Die Parlamentarier wollten auch Abbildungen von Erwachsenen sogar dann kriminalisiert sehen, wenn bewiesen ist, dass die jugendlich aussehende Person zum Zeitpunkt der Aufnahme tatsächlich über 18 Jahre alt war.[16][17]

 

 

Breite Expertenkritik

 

Unter Experten allerdings löste der Entwurf heftige Kritik aus. Im besonderen haben der Weltverband für Sexologie (WAS),[18] die Österreichische Gesellschaft für Sexualforschung (ÖGS)[19]und alle drei deutschen sexualwissenschaftlichen Vereinigungen[20] als auch die Europäische Region der International Lesbian and Gay Asociation (ILGA-Europe)[21] und der deutsche Lesben- und Schwulenverband (LSVD)[22] diese weitgehende Kriminalisierung jugendlicher Sexualität entschieden abgelehnt. Die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS) sprach sogar von „moralischem Kolonialismus“, ist doch die Definition von „Kinder“-Pornografie wortwörtlich aus § 2256 des US Federal Criminal Code übernommen worden.[23] In einer öffentlichen Expertenanhörung des österreichischen Parlaments krisierten die gehörten Sachverständigen (aus den Bereich der Rechtswissenschaft, der Kinder- und jugendpsychiatrie, der Psychotherapie und der sexuellen Ausbeutung von Kindern) einhellig den Rahmenbeschluß und die zur Umsetzung desselben geplanten österreichischen Strafbestimmungen für ihre extensive und überbordende Kriminalisierung.[24]

 

Die genannten Vereinigungen forderten die Respektierung der sexuellen Autonomie Jugendlicher durch Senkung der Altersgrenze von 18 Jahren, und, vor allem, durch differenzierte Regelungen für Kinder auf der einen und Jugendliche auf der anderen Seite. Sie verlangten den völligen Entfall des Tatbestandes der „Verleitung“ von Personen unter 18 Jahren zu Sex und die Streichung der Tatbestandes sexueller Kontakte gegen nicht ökonomische Vergütungen. Darüber hinaus wiesen sie darauf hin, dass die Gewährung eines Entgelts nicht notwendigerweise  Prostitution bedeutet, sondern auch die Einladung zu einem Kinobesuch oder Abendessen bedeuten kann;[25] Die Vereinigungen gaben auch zu bedenken, dass die kriminalstrafrechtlichen Ermittlungen und Untersuchungen, ob ein Vorteil nun kausal für intime Kontakte war oder nicht, mehr Schaden als Nutzen stiften würde. Sogar im Bereich der wirklichen Jugendprostitution würde die Kriminalisierung gerade die Sozialarbeit mit jugendlichen Prostituierten erheblich beeinträchtigen, die sich als die einzige wirksame Unterstützung und Hilfe für sie erweist.[26]

 

Diese Bedenken, die auch von einigen Mitgliedstaaten erhoben worden sind, haben bis zu einem gewissen Grad in die Beratungen des Ministerrates Eingang gefunden, der über den Rahmenbeschluß zu entscheiden hat. Das Delikt der „Verleitung“ von Personen unter 18 Jahren zu sexuellen Kontakten und die Bezugnahme auf nichtökonomische Vergütungen sind bereits in den ersten Beratungen des Ministerrats gestrichen worden.[27] Und das Delikt sexueller Kontakte gegen Entgelt wurde abgeändert,[28] sodaß die Vergütung oder Gegenleistung dafür geboten werden muß, dass sich das „Kind“ (also die Person unter 18 Jahren) zu den sexuellen Kontakten bereit findet.[29] Diese Formulierung scheidet jene Fälle aus der Verpflichtung zur Strafbarkeit aus, in denen die Jugendlichen den Kontakt selbst initiieren oder bereitwillig auf ein Angebot eingehen. Aus unbekannten Gründen ist die englische (und die italienische) Fassung des Textes wieder zu der ursprünglichen Formulierung zurück gekehrt, die wieder alle Fälle sexueller Kontakte gegen Entgelt zu erfassen scheint.[30] Die deutsche,[31] die französische,[32] die spanische,[33] die portugiesische[34] und die niederländische[35] Sprachfassung beinhalten allerdings nach wie vor ein Element der Verführung.[36]

 

Was Pornografie anbelangt wurden verschiedene Ausnahmen geschaffen, die die Mitgliedstaaten vorsehen können, aber nicht müssen.

 

 

Ungenügende Ausnahmen

 

Während nach dem Vorschlag der Kommission die Strafbarkeit immer durch den Beweis ausgeschlossen werden konnte, dass die abgebildete Person über 18 Jahre alt war (Art. 3 Abs. 2), hat der Rat diese Ausnahme in das Belieben der Mitgliedstaaten gestellt (Art. 3 Abs. 2 lit. a). Diese können auch vorsehen, dass der bloße Eindruck eines Alters unter 18 Jahren für eine Verurteilung reicht, ohne dass der Gegenbeweis zulässig ist. Einige Mitgliedstaaten wollten weiter gehen, die Ausnahme völlig streichen und so die Mitgliedstaaten zu verpflichten, auch Abbildungen (nachweisbar) erwachsener Personen unter Strafe zu stellen, die wie unter 18 aussehen.[37] Das ungeachtet des Umstands, dass der Oberste Gerichtshof der USA kürzlich entschieden hat, dass die Kriminalisierung von fiktiver oder virtueller Kinderpornografie das Grundrecht auf Informationsfreiheit verletzt (Ashcroft vs. Free Speech Coalition 2002). Angesichts der Übernahme der Definition von „Kinder“-Pornografie aus dem US-amerikanischen Recht hätte man erwarten können, dass ein solches grundlegendes höchstgerichtliches Urteil Auswirkung hätte. Es hatte nicht.

 

Eine weitere Ausnahme, die der Rat einfügte, besteht darin, dass die Mitgliedstaaten von der Strafbarkeit ausnehmen können (aber wieder: nicht müssen) die Produktion und den Besitz von Abbildungen von Personen oberhalb des sexuellen Mündigkeitsalters, sofern die Bilder mit ihrem Einverständnis und ausschließlich zu ihrer persönlichen Verwendung hergestellt oder besessen werden (Art. 3 Abs. 2 lit. b). Diese Ausnahme ist viel zu eng. Sie nimmt nur Herstellung und Besitz[38] von Abbildungen aus, die ausschließlich der Verwendung durch den abgebildeten Jugendlichen dienen. Es erscheint daher höchst fraglich, ob andere Personen als bloße Fotografen oder Verwahrer ohne Eigeninteresse an dem Bild von dieser Ausnahme profitieren können. Kann dies etwa ein 15jähriger, der ein „anstößiges“ Bild seiner Freundin zum gemeinsamen (!) Gebrauch  mit ihr besitzt oder als Erinnerungsfoto für seinen Nachttisch? Oder ein (sogar selbst jugendlicher) „Webcamsex-Partner“ eines/einer Jugendlichen, auf dessen Computer das Bild des/der Jugendlichen angezeigt wird, primär zu seiner Verwendung, und erst in zweiter Linie zur Verwendung des Jugendlichen, der das Bild hauptsächlich deshalb schickt, um seinerseits den anderen über die Cam betrachten zu können. In all diesen Fällen wird das Bild nicht ausschließlich (!) zur Verwendung durch den Jugendlichen hergestellt oder besessen.[39] Mit Sicherheit außerhalb der Ausnahme ist ein Jugendlicher, der ein „anstößiges“ Bild von sich selbst jemand anders übergibt oder auch nur zeigt; ein 15- oder 16jähriger, der dies tut, muß mit Freiheitsstrafe bedroht werden, weil er „Kinder“-Pornografie verbreitet bzw. zugänglich macht. Auch nicht unter die Ausnahme fallen zwei 17jährige, die intime Bilder von sich tauschen,[40] geschweige denn, wenn sie diese Bilder Freunden zeigen.

 

Italien hat sogar gegen diese außerordentlich enge Ausnahme anhaltenden Widerstand geleistet.[41] Es wurde daher schlußendlich, als Kompromiß,[42] ein Absatz eingefügt, der besagt, dass „[e]ine Zustimmung [...] auch dann, wenn sie nachweislich erteilt wurde, nicht als gültig betrachtet [wird], wenn beispielsweise höheres Alter, Reife, Stellung, Erfahrung oder Abhängigkeit des Opfers vom Täter zur Einholung der Zustimmung missbraucht worden sind“ (Art. 3 Abs. 2 lit. b). Es ist nicht schwer, sich zu vergegenwärtigen, dass in jeder zwischenmenschlichen Beziehung zumindest eines dieser Elemente vorliegt: entweder einer der Partner ist älter als der andere, oder reifer, oder in höherer Stellung, oder er hat mehr Erfahrung als der andere. Auf diese Weise, unter Berücksichtigung der Unbestimmtheit des Begriffs „Missbrauchen“, wird die Anwendung dieser für Jugendliche essentiellen Ausnahme, die ohnehin bereits extrem eng formuliert ist, in das freie Ermessen der Polizei- und Anklagebehörden und der Gerichte gelegt, ohne jede Rechtssicherheit für die Jugendlichen und ihre Partner.

 

Die dritte Ausnahme betrifft fiktive und virtuelle Bilder. Der Rat (anders als die Kommission) beschränkte den Anwendungsbereich des Rahmenbeschlusses auf fiktive Darstellungen, die „realistisch“ sind,[43] und bestimmte, dass die Mitgliedstaaten Hersteller und Besitzer von der Strafbarkeit ausnehmen können (wieder: nicht müssen), wenn Herstellung und Besitz ausschließlich zur persönlichen Verwendung des Herstellers dienen (Art. 3 Abs. 2 lit. c). Auch hier hatte das erwähnte Urteil des US-amerikanischen Obersten Gerichtshofs keinen, oder nur begrenzte, Auswirkung. Der vorhin erwähnte 14jährige, darf nun (wenn sein Mitgliedstaat diese Ausnahme überhaupt übernimmt) die nackte junge Schönheit in „anstößiger“ Pose zwar zeichnen, macht sich aber des Zugänglichmachens von „Kinder“-Pornografie strafbar, wenn er diese Zeichnung einem Freund zeigt. Italien hat auch gegen diese Ausnahme anhaltend opponiert.[44] Und auch hier wurde, als Kompromiß, die Ausnahme noch weiter eingeengt.[45] Die Ausnahme wurde[46] von der Bedingung abhängig gemacht,dass zur Herstellung der virtuellen Darstellung keine Abbildung einer realen Person (unter 18jähige oder über 18jährige, die wie unter 18 aussieht) verwendet wurde und dass mit der Herstellung und dem Besitz keine Gefahr der Verbreitung des Materials verbunden ist (Art. 3 Abs. 2 lit. c). Eine 17jährige darf sohin (wenn ihr Mitgliedstaat diese Ausnahme überhaupt übernimmt)[47] auf ihrem Computer eine „aufreizende“ virtuelle Animation eines Jugendlichen generieren und diese abspeichern, sie macht sich jedoch der Herstellung von „Kinder“pornografie  strafbar, wenn sie der Animation ein Bild ihres 16jährigen Freundes zu Grunde legt oder die Animationsdatei nicht mit einem Passwort sichert.

 

All das erscheint absurd. Wie es absurd erscheint, 17jährige als „Kinder“ zu behandeln und jemand zu bestrafen, weil er ein erotisches („aufreizendes“) Bild einer 17 ½ jährigen voll entwickelten jungen Frau oder eines 17 ½ jährigen voll entwickelten jungen Mannes erwirbt oder besitzt.

 

Das gilt umsomehr als der Ministerrat eine Bestimmung in den Rahmenbeschluß eingefügt hat, die es den Mitgliedstaaten verbietet, die strafrechtlichen Ermittlungen oder die Strafverfolgung von der Anzeige oder Anklage durch den Jugendlichen oder dessen gesetzlichen Vertreter abhängig zu machen (Art. 9 Abs. 1).[48]

 

Daß, wie der Europäische Menschenrechtsgerichtshof Anfang 2003 festgestellt hat, über 14jährige Jugendliche einen grundrechtlich verbürgten Anspruch auf sexuelle Selbstbestimmung mit PartnerInnen ihrer Wahl haben (Österreich mußte einem Jugendlichen Schadenersatz leisten, weil es ihm dieses Recht nicht gewährt hat),[49] lässt der Rahmenbeschluss außer Acht.

 

Um es mit Nachdruck deutlich zu machen. Der Kampf gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern ist von größter Bedeutung. In diesem Sinne ist der kommende Rahmenbeschluß zu begrüßen. Wie eingangs geht aber in diesem Bereich nicht weit genug. Er geht allerdings auf der anderen weit über die Bekämpfung der Kinderpornografie und der Kinderprostitution hinaus und greift tief in das Sexualleben der Menschen ein. Insoweit ist er zu kritisieren und abzulehnen.

 

Zu Beginn der Beratungen haben sechs Mitgliedstaaten Bedenken gegen die unterschiedslose Altersgrenze von 18 Jahren angemeldet.[50] Es ist unverständlich, daß sie nachgegeben haben.[51] Am 22. Dezember 2003 hat der Ministerrat der Europäischen Union den Rahmenbeschluß formell angenommen. Am 21. Jänner 2004 ist dieser Rahmenbeschluß in Kraft getreten.[52]

 

 

Helmut GRAUPNER (geb. 1965) spondierte 1989 zum Magister iur., promovierte 1996 zum Dr. iur. und ist seit 2000 als Rechtsanwalt in Wien tätig (www.graupner.at). Er ist seit 1991 Präsident des von ihm mitbegründeten Rechtskomitees LAMBDA (RKL), der österreichischen Rechtshilfeorganisation für homo- und bisexuelle Frauen und Männer (www.RKLambda.at), sowie seit 1992 Co-Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Sexualforschung (ÖGS) (www.oegs.net, www.courage-beratung.at). 1995 & 2003 Experte im Justizausschuß des österreichischen Nationalrates zu Fragen des Sexualstrafrechts. Mitglied der 1996 vom Bundesminister für Justiz eingesetzten Expertenarbeitsgruppe zur Revision des österreichischen Sexualstrafrechts. Seit 1999 Mitglied der World Association for Sexology (WAS) (http://www.tc.umn.edu/nlhome/m201/colem001/was). Seit 2000 Mitglied des Editorial Board des “Journal of Homosexuality” (Haworth Press: New York) (www.haworthpressinc.com) sowie Vice-President for Europe der International Lesbian and Gay Law Association (ILGLaw). Seit 2001 Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des  Forschungsinstitut für rechtsvergleichende Studien über sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität, Turin (www.cersgosig.informagay.it). 2002 Lehrauftrag an der Universität Innsbruck („Sexualität & Recht“). Mitglied der im Oktober 2002 von der Europäischen Kommission eingesetzten „EU-Expertengruppe zur Bekämpfung der Diskriminierung auf Grund sexueller Orientierung" (http://www.meijers.leidenuniv.nl/index.php3?m=10&c=98). 2001 Gay and Lesbian Award (G.A.L.A.) der österreichischen Lesben- und Schwulenbewegung (http://www.hosilinz.at/presse/2001/011013_gala2001.html). Vertretung führender menschenrechtlicher Fälle vor den österreichischen Höchstgerichten und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (u.a. S.L. v. Austria 2003, L. & V. v. Austria 2003).

 

 

Zitierte Judikatur:

Ashcroft vs. Free Speech Coalition, United States Supreme Court, opinion 16.04.2002, 535 U.S., No. 00-795, http://www.supremecourtus.gov

L. & V. v. Austria, ECtHR (39392/98, 39829/98), judg. 09.01.2003, http://hudoc.echr.coe.int

S.L. v. Austria, ECtHR (45330/99), judg. 09.01.2003

United States vs. Knox, United States Supreme Court, No. 92-183, 1992

 

Literatur:

American Psychiatric Association (APA), Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (Fourth Edition), DSM-IV, USA 1994, http://www.psych.org/public_info/dsm.pdf

Baacke, Dieter, Die 13- bis 18jährigen, Einführung in die Probleme des Jugendalters, Weinheim/Basel 1983

Bleibtreu-Ehrenberg, Gisela, Der pädophile Impuls – Wie lernt ein junger Mensch Sexualität?, Der Monat neue Folge, 294, 175ff, 1984

Eich, Holger, Der Kuß der Macht, Zur kindlichen und erwachsenen Wahrnehmung von Sexualität, in: Perner, Zuliebe, Zuleibe, S. 50ff, Bad Sauerbrunn 1991

Friedenberg, Edgar Z., The Vanishing Adolescent, NY/USA 1974

Graupner, Helmut, Sexualität, Jugendschutz & Menschenrechte - Über das Recht von

Kindern und Jugendlichen auf sexuelle Selbstbestimmung, 2 Volumes, Peter Lang,

Frankfurt, M/Berlin/Bern/New York/Paris/Vienna, 1997a

Graupner, Helmut, Sexuelle Mündigkeit - Die Strafgesetzgebung in europäischen

und außereuropäischen Ländern, Zeitschrift für Sexualforschung 10(4), 281-310, Stuttgart, 1997b

Graupner, H., Sexual Consent – The Criminal Law in Europe and Overseas, Archives

of Sexual Behaviour, Vol. 29, No. 5, 415-461, 2000

Graupner, Helmut, Sex in the Böhmdorfer-City, Der Standard, 39, 11.12.2003

Herbold, H., Einige delikttypische Veränderungen bei sexuellem Mißbrauch von Kindern (§ 176 StGB) in den letzten Jahren, Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform (MschrKrim), 60, 90f, 1977

Kraemer, W., The Forbidden Love: the Normal and Abnormal Love of Children, London 1976

Lautmann, Rüdiger, Die heterosexuelle Verführung – sexuelle Interaktion und Kriminalisierung bei § 182 StGB, in: Jäger, H. & Schorsch, E., Sexualwissenschaft und Strafrecht, S. 54ff, Stuttgart 1987

Maier, Erne, Sexualerziehung und Jugendschutz, Unsere Jugend 5, 9, 385ff, 1953

Müller-Luckmann, Elisabeth, Über die Glaubwürdigkeit kindlicher und jugendlicher Zeuginnen bei Sexualdelikten, Stuttgart 1959

Peters, J., Children Who are Victims of Sexual Assault and the Psychology of Offenders, American Journal of Psychotherapy, 398ff, 1976

Reinhardt, Heinz, Die Bestrafung der Unzucht mit Kindern unter besonderer Berücksichtigung des Verhaltens und der Persönlichkeit des Opfers, Berner kriminologische Untersuchungen 4, Bern 1967

Schultz, L. G., Sexual Emancipation – An Introduction, in: Schultz, L. G., The Sexual Victimology of Youth, p. 355f, Springfield/Illinois/USA 1980

World Health Organisation (WHO), International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, 10th Revision, 1992,http://www.who.int/whosis/icd10/ 

Wyatt, G. E. & Powell, G. J., Lasting Effects of child sexual abuse, Newburry Park et al. 1988

 

 

Anmerkungen:



[1] „Geschlechtsreife Menschen sind keine Kinder mehr sondern potentielle Eltern“ (Eich 1991, 55); „Eine Reihe von Schwierigkeiten ergeben sich daraus, daß der Jugendliche weniger ein noch werdender als ein bereits Gewordener ist […] Er kann nicht mehr als Kind behandelt werden und darf es auch nicht dulden, wenn es geschieht“ (Maier 1953, 398). „Mit zwölf Lenzen, berichtet Eugen Verhellen von der Universität Gent, Belgien, über psychologische Studien, unterscheiden sich ‚die Kinder in ihrer sozialen Kompetenz nicht nachweisbar von den Erwachsenen‘“ (profil 39/1993, 87, www.profil.at). „Both the court and legislature ultimately must come to grips with the fact that the basic intellectual capacities are present very young and that complex moral and political reasoning can take place least by age twelve or fourteen“ (Schultz 1980, 366, unter Berufung auf Governor’s Special Commission on the Age of Majority, Summary, 1971, at 2, State of Michigan/USA; E. Boulding, Childrens Rights, Society, 15 (1):40, 1977). „Kontakte zwischen – kulturspezifisch als solche definierten – ‚Erwachsenen‘ mit ‚Kindern‘ aber werden hier dann nicht unter den Begriff der Pädophilie subsumiert, falls beide Partner die Pubertät bereits erreicht haben, denn dann handelt es sich lediglich um Kontakte zwischen Erwachsenen verschiedenen Alters“ (Bleibtreu-Ehrenberg 1984, 175). Auch die American Psychiatric Association (APA) und die World Health Organisation (WHO) qualifizieren sexuelle Kontakte mit Personen nach der frühen Pubertätsphase bzw. ab der Geschlechtsreife nicht als “pädophil” (WHO 1992: ICD 10: F65.4; APA 1994: “diagnostic criteria for 302.20 pedophilia”).

vgl. zur Schweizer Strafrechtsgeschichte: „Auf die Veröffentlichung des Vorentwurfs 1908 gingen wiederum zahlreiche die Sittlichkeitsdelikte betreffende Eingaben beim Eidg. Justiz- und Polizeidepartement ein. In den meisten, die hauptsächlich aus Frauenkreisen oder von religiösen Vereinigungen stammten, wird nachdrücklich eine Erhöhung des Schutzalters auf 18 Jahre gefordert. Denn die Mädchen besässen mit 16 Jahren die nötige Reife noch nicht, die Bedeutung des Geschlechtsaktes zu ermessen, und ausserdem sei die Erhöhung der Altersgrenze als Vorbeugung gegen die Prostitution angezeigt. Im Gegensatz dazu vertritt Wilhelm in einer Besprechung der Sittlichkeitsdelikte die Ansicht, dass ein gleichmässiger Kinderschutz bis zum 16. Lebensjahr unzweckmäßig sei, könne man doch bei Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren nicht mehr von ‚Kindern‘ sprechen und diese beispielsweise mit Achtjährigen auf eine Stufe stellen […] Gegen eine Erhöhung des Schutzalters auf 18 Jahre sprechen sich Zürcher, Gautier, Thormann und Calame aus, weil Kinder über 16 Jahren schon eine gewisse charakterliche Reife besitzen sollten und ein Mädchen zwischen 16 und 18 Jahren nicht mehr als Kind angesehen werden könnte“ (Reinhardt 1967, 31ff)

[2] General Assembly resolution 44/25 (20 November 1989), in Kraft seit 02.09.1990, www.unhchr.ch

[3] COM [2000] 854, OJ C 62  E/327-330, 27.02.2001,  http://europa.eu.int/prelex/apcnet.cfm?CL=de

[4] Vgl.  Graupner 1997a, 1997b, 2000. Etwa die Hälfte der europäischen Strafrechtsordnungen läßt einvernehmliche sexuelle Kontakte mit 14jährigen Jugendlichen straffrei, nahezu 2/3 mit 15jährigen. In einer Mehrheit auch dann, wenn die Initiative vom älteren Partner ausgeht und auch wenn die Initiative das Angebot eines Entgelts beinhaltet. In nahezu allen europäischen Strafrechtsordnungen sind solche Beziehungen ab dem 16. Lebensjahr straffrei. Fast alle Rechtsordnungen Europas sehen für das Abbilden sexueller Handlungen dieselbe Altersgrenze vor wie für die sexuellen Handlungen selbst. Nur Estland, Frankreich (Art. 227-23 CC), Italien (Art. 600ter CC; beschränkt auf Ausbeutung bei der Abbildung), Lettland (Art. 165 CC) , Spanien (Art. 189 CC) and Schweden (Ch. 6 § 7 (2) CC; beschränkt auf Verführung zur Abbildung) haben Altersgrenzen für das Abbilden sexueller Handlungen, die höher sind als die generelle Mindestaltersgrenze für sexuelle Handlungen. Und keines dieser Länder hat eine auch nur annähernd so restriktive Gesetzgebung wie sie der Rahmenbeschluß nun vorschreibt.  Auch die Cybercrime-Convention des Europarates (ETS 185, 23.11.2001; http://conventions.coe.int) und das  Optional Protocol zur UN-Kinderrechtskonvention “on the sale of children, child prostitution and child pornography” (General Assembly resolution A/RES/54/263 of 25 May 2000, in Kraft seit 18.01.2002, www.unhchr.ch) verlangen nicht so extensive Tatbestände. Beide verlangen nicht die Kriminalisierung des privaten Besitzes und von virtuellen Darstellungen oder von Darstellungen Erwachsener, die wie unter 18 aussehen. Und die Cybercrime-Convention verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht, Abbildungen von Personen über 16 Jahren zu kriminalisieren.

[5] Sowohl Jugendliche wie auch Erwachsene erfahren die Altersgruppe der 13 bis 18jährigen im wesentlichen als eine „sinnliche Einheit“ (Baacke 1983, 22). Hinzu kommt, daß durch die in den letzten Jahren stattgefundene „Annäherung zwischen den Generationen“ junge Jugendliche Erwachsene heute weitgehend nicht mehr „anders ein­schätz[en] als sich selbst […] Man verfährt mit ih[nen] genau wie mit einem Angehörigen der eigenen Altersklasse“ (Müller-Luckmann 1959, 85). „There are real friendships between adolescents and adults in contemporary society, especially in America; it is taken for granted that there should be“ (Friedenberg 1974, 24). „Shortly before physical onset of puberty, a different quality of feeling suffuses one’s perception of certain other individuals. They are loved. Children and juveniles do not love in this sense, because they are rarely interested in the complete personalities of other persons“ (Friedenberg 1974, 47). „Intimität bedeutet eine enge Beziehung über einen längeren Zeitraum und die Möglichkeit, persönliche Informationen auszutauschen, getragen von dem Gefühl des gegenseitigen Verständnisses. Diese Erlebnisstruktur tritt ungefähr im Alter von 12 bis 13 Jahren erstmalig auf“ (Keller in Bundesratsanhörung 1992, 122). Vgl. auch Peters (1976, 413: „thirteen as a cut-off-point“); Wyatt & Powell (1988, 12, „Children age 12 and under often do not have the cognitive processes to understand the severity of the incidents“).„Prinzipiell läßt sich sagen, daß die noch von Erwachsenen geführte Diskussion, ob Jugendliche Geschlechtsverkehr haben dürfen oder nicht, von den Jugendlichen selber schon lange und eindeutig entschieden ist […] Fragt man nun die 16- und 17jährige Schüler und Schülerinnen, von wann ab ein Junge bzw. ein Mädchen Geschlechtsverkehr haben darf, meint die Mehrzahl entweder: ‚sobald man das Verlangen hat‘ oder ‚sobald man reif ist‘ oder spätestens mit 15 Jahren“ (Sigusch in Sonderausschuß 1970, 864). „[Es] finden sich auch schon bezogen auf den ersten Geschlechtsverkehr jene Beziehungsformen, die für das Sexualverhalten der Erwachsenen typisch sind“ „Die Jugendlichen bestimmen über ihr Sexualleben – wie auch Erwachsene – in hohem Maß nach persönlichen und individuellen Gesichtspunkten“ (Dür 1990, S. 8). „They want participation not protection. The sexually emancipated minor is here now“ (Schultz 1980, 368). Weitere Nachweise in Graupner 1997a (insb. Vol. 1, 260ff). 

[6] Auch der Endtext des Rahmenbeschlusses verlangt nur “gegebenenfalls” den Ausschluß von Tätern von der berufsmäßigen Beaufsichtigung von Kindern (Art. 5 par. 3).

[7] In den Beratungen des Rates haben Belgien und Frankreich erfolglos versucht, den Terminus in “eindeutig sexuelle Stellung” zu ändern (Rat der Europäischen Union, Gruppe „Materielles Strafrecht“, 8112/01, DROIPEN 35, MIGR 36, 27.04.2001, http://register.consilium.eu.int)

[8] MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT - Bekämpfung des Menschenhandels und Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie, S. 23, 22.01.2001, http://europa.eu.int/eur-lex/de/com/pdf/2000/de_500PC0854_01.pdf

[9] Diese Gesetzgebung wurde 1978 mit einer Altersgrenze von 16 Jahren eingeführt (Pub.L. 95-225, § 2(a), Feb. 6, 1978, 92 Stat. 7, 8). 1984 ist die Altersgrenze dann auf 18 angehoben worden (Pub.L.98-292, §§ 4, 5, 7(2), May 21, 1984, 98 Stat. 204, 205, 206).

[10] §§ 2251-2256 Federal Criminal Code; Confirmation of Intent of Congress in Enacting Section 2252 and 2256 (Section 160003 of Pub.L. 103-322)

[11] MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT - Bekämpfung des Menschenhandels und Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie, S. 24, 22.01.2001, http://europa.eu.int/eur-lex/de/com/pdf/2000/de_500PC0854_01.pdf

[12] MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT - Bekämpfung des Menschenhandels und Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie, S. 23, 22.01.2001, http://europa.eu.int/eur-lex/de/com/pdf/2000/de_500PC0854_01.pdf

[13] In einigen Sprachfassungen war “Verleitung” sogar als “Überreden” übersetzt, während es in der französischen und spanischen Fassung überhaupt fehlte.

[14] MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT - Bekämpfung des Menschenhandels und Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie, S. 23f, 22.01.2001, http://europa.eu.int/eur-lex/de/com/pdf/2000/de_500PC0854_01.pdf

[15] Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornografie (KOM(2000) 854 - C5-0043/2001 - 2001/0025(CNS)), A5-0206/2001, 12.06.2001, http://www.europarl.eu.int (Abänderung 42: „ermutigen,. Suggerieren, anstiften“

[16] Abänderung 10.

[17] Im Rat hat “keine Delegation angesichts dieser Stellungnahme eine Änderung des entwurfs für erforlderlich” gehalten” (Rat der Europäischen Union, Gruppe „Materielles Strafrecht“, 7536/02 DROIPEN 18 MIGR 20, 27.03.2002; Rat der Europäischen Union, COREPER, 8135/02 DROIPEN 26 MIGR 35, 19.04.2002; http://register.consilium.eu.int.

[18] Brief an die Europäische Kommission (17.09.2001), http://www.rklambda.at/eu_plan_en.htm

[19] Brief an die Europäische Kommission (29.05.2001), http://www.rklambda.at/eu_plan_en.htm

[20] Deutsche Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung (DGSS), Brief an die Europäische Kommission (27.06.2001); Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS), Brief an die Europäische Kommission (Juli 2001); Deutsche Gesellschaft für Sexualwissenschaft (GSW), Brief an die Europäische Kommission (06.11.2001); alle drei auf  http://www.rklambda.at/eu_plan_en.htm

[21] “Combating sexual exploitation of children”, Ilga-Europe-Newsletter, vol. 1, issue 3, 15f, November 2001, www.ilga-europe.org

[22] Brief an die Europäische Kommission (03.08.2001), http://www.rklambda.at/eu_plan_en.htm

[23] Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS), Brief an die Europäische Kommission (Juli 2001); http://www.rklambda.at/eu_plan_en.htm

[24] Österreichischer Nationalrat, Justizausschuß, öffentliche Expertenanhörung, 11.12.2003 (Protokoll demnächst auf  http://www.rklambda.at/eu_plan.htm).

[25] Aus diesem Grund hat Dänemark förmlich erklärt, die Bestimmung nur auf Kontakt mit Prostituierten anzuwenden (“Person unte r18 Jahren, die ihren Lebensunterhalt ganz oder teilweise durch Prostitution verdient“: Anlagen zu Rat der Europäischen Union, COREPER 29.11.2001, 148647/01 DROIPEN 104 MIGR 93,  ADD 1, 05.12.2001; und zu Gruppe „Materielles Strafrecht“, 7536/02 DROIPEN 18 MIGR 20, 27.03.2002, http://register.consilium.eu.int).

[26] Vgl. ausführlich und eingehend hiezu Graupner (1997a, vol. 1, 260-308, 357-414)

[27] Rat der Europäischen Union, Gruppe „Materielles Strafrecht“, 8112/01, DROIPEN 35, MIGR 36, 27.04.2001, http://register.consilium.eu.int

[28] Vornehmlich auf Grund von Vorbehalten Frankreichs. Siehe Rat der Europäischen Union, Gruppe „Materielles Strafrecht“, 8112/01, DROIPEN 35, MIGR 36, 27.04.2001, http://register.consilium.eu.int

[29] Rat der Europäischen Union, Gruppe „Materielles Strafrecht“, 10458/01, DROIPEN 59, MIGR 58, 02.07.2001, http://register.consilium.eu.int (“Vergütungen oder Gegenleistungen dafür geboten werden, dass sich das Kind zu den sexuellen Handlungen bereitfindet“); Rat der Europäischen Union, Vorsitz, 10854/01, DROIPEN 68, MIGR 61, 13.07.2001, http://register.consilium.eu.int (“Vergütungen oder Gegenleistungen dafür geboten werden, dass sich das Kind zu den sexuellen Handlungen bereitfindet“); Rat der Europäischen Union, Vorsitz, 11311/01, DROIPEN 72, MIGR 66, 30.07.2001, http://register.consilium.eu.int (“Vergütungen oder Gegenleistungen dafür geboten werden, dass sich das Kind zu den sexuellen Handlungen bereitfindet“).

[30] Council of the European Union, COREPER, 14864/01, DROIPEN 104, MIGR 93, 04.12.2001; Council of the European Union, Council (06./07.12.2001), 5298/02, DROIPEN 2, MIGR 4, 17.01.2002; Council of the European Union, Working Party on Substantive Criminal Law, 7536/02, DROIPEN 18, MIGR 20, 27.03.2002, http://register.consilium.eu.int; Council Framework Decision 2004/68/JHA, OJ 13  L/44-48, 20.01.2004, http://europa.eu.int/eur-lex/it/archive/2004/l_01320040120it.html („dia in pagamento denaro, o ricorra ad altre forme di remunerazione o compenso in cambio del coinvolgimento del bambino in attività sessuali“); http://europa.eu.int/eur-lex/en/archive/2004/l_01320040120en.html („given as payment in exchange for the child engaging in sexual activities”).

[31] Rat der Europäischen Union, Gruppe „Materielles Strafrecht“, 7536/02, DROIPEN 18, MIGR 20, 27.03.2002, http://register.consilium.eu.int (“Geld oder sonstige Vergütungen oder Gegenleistungen dafür geboten werden, dass sich das Kind zu den sexuellen Handlungen bereit findet“); Rahmenbeschluß des Rates 2004/68/JHA, ABl 13  L/44-48, 20.01.2004, http://europa.eu.int/eur-lex/de/archive/2004/l_01320040120de.html („Geld oder sonstige Vergütungen oder Gegenleistungen dafür geboten werden, dass sich das Kind an den sexuellen Handlungen beteiligt“).

[32] Council Framework Decision 2004/68/JHA, OJ 13  L/44-48, 20.01.2004, http://europa.eu.int/eur-lex/fr/archive/2004/l_01320040120fr.html(„en offrant de l'argent ou d'autres formes de rémunération ou de paiement pour les activités sexuelles auxquelles se livre l'enfant“).

[33] Council Framework Decision 2004/68/JHA, OJ 13  L/44-48, 20.01.2004, http://europa.eu.int/eur-lex/es/archive/2004/l_01320040120es.html („ofrecer al niño dinero u otras formas de remuneración o de atenciones a cambio de que se preste a practicar actividades sexuales“).

[34] Council Framework Decision 2004/68/JHA, OJ 13  L/44-48, 20.01.2004, http://europa.eu.int/eur-lex/pt/archive/2004/l_01320040120pt.html („se ofereça dinheiro ou outras formas de remuneração ou pagamento, em troca da prática de actividades sexuais pela criança“).

[35] Council Framework Decision 2004/68/JHA, OJ 13  L/44-48, 20.01.2004, http://europa.eu.int/eur-lex/nl/archive/2004/l_01320040120nl.html(„geld of andere vormen van beloning of vergoeding, aangeboden in ruil voor seksuele gedragingen van het kind“).

[36] Die dänische, schwedische, finnische und griechische Sprachfassung hat der Autor nicht geprüft.

[37] Die Niederlande, Belgien, Portugal und Deutschland. Siehe Rat der Europäischen Union, Gruppe „Materielles Strafrecht“, 8112/01, DROIPEN 35, MIGR 36, 27.04.2001; Rat der Europäischen Union, Gruppe „Materielles Strafrecht“, 10458/01, DROIPEN 59, MIGR 58, 02.07.2001; Rat der Europäischen Union, Vorsitz, 10854/01, DROIPEN 68, MIGR 61, 13.07.2001, http://register.consilium.eu.int.

[38] Griechenland, Österreich und Finnland wollten auch “Verschaffen” in die Ausnahme übernehmen, aber waren nicht erfolgreich. Siehe Rat der Europäischen Union, Vorsitz, 10854/01, DROIPEN 68, MIGR 61, 13.07.2001; Rat der Europäischen Union, Vorsitz, 11311/01, DROIPEN 72, MIGR 66, 30.07.2001, http://register.consilium.eu.int

[39] Anfänglich war die Ausnahme nicht auf die ausschließliche Verwendung durch den (mit)abgebildeten Minderjährigen beschränkt. Erst im Oktober 2002 wurde die Ausnahme, auf Grund des anhaltenden Widerstandes Italiens gegen diese Ausnahme, so verengt (Rat der Europäischen Union, Gruppe „Materielles Strafrecht“, 10458/01, DROIPEN 59, MIGR 58, 02.07.2001 [”sofern alle Beteiligten die sexuelle Mündigkeit erreicht und ihre Zustimmung zu der Herstellung gegeben haben und die Bilder ausschließlich zur persönlichen Verwendung der beteiligten Personen bestimmt sind und nur so verwendet werden”]; Rat der Europäischen Union, Vorsitz, 10854/01, DROIPEN 68, MIGR 61, 13.07.2001 [“die abgebildeten Personen die sexuelle Mündigkeit erreicht haben und ihre Zustimmung zu der Herstellung und dem Besitz der Bilder gegeben haben und sofern die Bilder ausschließlich zu ihrer persönlichen Verwendung bestimmt sind“]; Rat der Europäischen Union, Vorsitz, 11311/01, DROIPEN 72, MIGR 66, 30.07.2001 [“die abgebildeten Personen die sexuelle Mündigkeit erreicht und ihre Zustimmung zu der Herstellung und dem Besitz der Bilder gegeben haben und die Bilder ausschließlich zu ihrer persönlichen Verwendung bestimmt sind“]; Rat der Europäischen Union, Gruppe „Materielles Strafrecht“, 7536/02 DROIPEN 18 MIGR 20, 27.03.2002, [“die abgebildeten Personen die sexuelle Mündigkeit erreicht und ihre Zustimmung zu der Herstellung und dem Besitz der Bilder gegeben haben und die Bilder ausschließlich zu ihrer persönlichen Verwendung bestimmt sind”]; Rat der Europäischen Union, COREPER, 8135/02 DROIPEN 26 MIGR 35, 19.04.2002 [“die abgebildeten Personen die sexuelle Mündigkeit erreicht und ihre Zustimmung zu der Herstellung und dem Besitz der Bilder gegeben haben und die Bilder ausschließlich zu ihrer persönlichen Verwendung bestimmt sind”]; Rat der Europäischen Union, Council, 9140/1/02 DROIPEN 32 MIGR 43, 27.05.2002 [“die abgebildeten Personen die sexuelle Mündigkeit erreicht und ihre Zustimmung zu der Herstellung und dem Besitz der Bilder gegeben haben und die Bilder ausschließlich zu ihrer persönlichen Verwendung bestimmt sind”]; Rat der Europäischen Union, Vorsitz, 12413/02, DROIPEN 68 MIGR 92 07.10.2002, [”die abgebildeten Kinder die sexuelle Mündigkeit erreicht und ihre Zustimmung zu der Herstellung und dem Besitz der Bilder gegeben haben und die Bilder ausschließlich zu ihrer persönlichen Verwendung bestimmt sind“], http://register.consilium.eu.int).

Die niederländische Sprachfassung des Endtextes beschränkt die Ausnahme nach wie vor nicht auf die ausschließliche Verwendung durch den (mit)abgebildeten Minderjährigen (Council Framework Decision 2004/68/JHA, OJ 13  L/44-48, 20.01.2004, http://europa.eu.int/eur-lex/nl/archive/2004/l_01320040120nl.html(„indien die afbeeldingen met instemming van de betrokkenen en uitsluitend voor persoonlijk gebruik worden vervaardigd en in bezit worden gehouden“). 

[40] Merkwürdigerweise fallen die beiden Jugendlichen aber dann unter die Ausnahme, wenn sie beide auf den Bildern, die sie tauschen, abgebildet sind. Denn dann werden die Bilder ja ausschließlich für die Verwendung abgebildeter „Kinder“ hergestellt und besessen. Ein 17jähriger macht sich also strafbar, wenn er ein “aufreizendes” Bild seiner 17jährigen Freundin auf seinem Nachttisch aufstellt, aber er würde nicht mit dem Strafgesetz in Konflikt kommen, wenn auf dem Bild auch er “aufreizend” posiert. Aber auch in letzterem Fall dürfte er das Bild niemandem andern zeigen als seiner Freundin. Wenn er nicht die Gefahr völlig ausschließt, dass irgendjemand (und seien es nur seine Eltern) die in sein Zimmer kommen, das Bild sehen könnte, so macht  er sich wegen Zugänglichmachens von „Kinder“pornografie strafbar.

[41] Rat der Europäischen Union, Rat (06./07.12.2001), 5298/02, DROIPEN 2, MIGR 4, 17.01.2002; Rat der Europäischen Union, Gruppe „Materielles Strafrecht“, 7536/02 DROIPEN 18 MIGR 20, 27.03.2002; Rat der Europäischen Union, COREPER, 8135/02 DROIPEN 26 MIGR 35, 19.04.2002; Rat der Europäischen Union, Council, 9140/1/02 DROIPEN 32 MIGR 43, 27.05.2002; http://register.consilium.eu.int.

[42] Rat der Europäischen Union, Vorsitz, 12413/02, DROIPEN 67, MIGR 86, 02.10.2002, http://register.consilium.eu.int.

[43] Die Einschränkung auf “realistische” Darstellungen gilt nur für die Abbildung nicht existenter Personen (Art. 1 lit. b iii). Der Rahmenbeschluß verpflichtet die Mitgliedstaaten, Abbildungen existierender Jugendlicher auch dann zu kriminalisieren, wenn diese Abbildung unrealistisch ist (wie Gemälde, Malereien, Zeichnungen, Comicstrips etc.) (Art. 1 lit.b ii).  

[44] Siehe Rat der Europäischen Union, Gruppe „Materielles Strafrecht“, 7536/02 DROIPEN 18 MIGR 20, 27.03.2002; Rat der Europäischen Union, COREPER, 8135/02 DROIPEN 26 MIGR 35, 19.04.2002; Rat der Europäischen Union, Rat, 9140/1/02 DROIPEN 32 MIGR 43, 27.05.2002; http://register.consilium.eu.int.

[45] Interessanterweise hat Italien anfänglich, wie Dänemark und Finnland, gegen die Kriminalisierung virtueller Pornographie Vorbehalte angemeldet und diesbezügliche Ausnahmen gefordert (Rat der Europäischen Union, Gruppe „Materielles Strafrecht“, 8112/01, DROIPEN 35, MIGR 36, 27.04.2001; Rat der Europäischen Union, Gruppe „Materielles Strafrecht“, 10458/01, DROIPEN 59, MIGR 58, 02.07.2001; Rat der Europäischen Union, Vorsitz, 10854/01, DROIPEN 68, MIGR 61, 13.07.2001, http://register.consilium.eu.int). 

[46] Im Mai 2002. Siehe Rat der Europäischen Union, Rat, 9140/1/02 DROIPEN 32 MIGR 43, 27.05.2002; http://register.consilium.eu.int.

[47] Fünf Mitgliedstaaten (Vereintes Königreich, Belgien, Deutschland, Irland, Griechenland) haben anläßlich der Annahme des Rahmenbeschlusses offiziell erklärt, daß sie “keinen Unterschied zwischen echten und virtuellen Kinderbildern” sehen und “ihrer Auffassung nach (…) in beiden fallen strenge Sanktionen ergriffen werden” sollten. Sie werden daher die Ausnahme des Art. 3 par. 2 lit. c nicht anwenden. Portugal hingegn hat erklärt, daß “es nicht hinnehmbar (sei), dass durch die Gleichstellung mit virtuellen Abbildungen der Schutz des Kindes an Bedeutung einbüßt”, es  wird daher “alle Handlungen mit Kindern ode rsonstigen Personen schärfer ahnden als Fälle virtueller Pornografie” (Rat der Europäischen Union, Meeting 22.12.2003, Anhang zum Protokoll Rat der Europäischen Union, Sekretariat, 15992/03, DROIPEN 87 MIGR 110, 12.12.2003, http://register.consilium.eu.int).   

[48] Fünf Mitgliedstaaten (Frankreich, Niederlande, Finnland, Spanien, Belgien) sprachen sich gegen dieses Verbot aus. Es wurde daher schlussendlich auf Delikte im Inland beschränkt. Siehe Rat der Europäischen Union, Gruppe „Materielles Strafrecht“, 8112/01, DROIPEN 35, MIGR 36, 27.04.2001, http://register.consilium.eu.int

[49] S.L. vs. Austria 2003 (par. 49, 52); siehe auch L. & V. vs. Austria 2003

[50] In den ersten Beratungen des Rates im April 2001 haben sich 8 Mitgliedstaaten gegen die extensive Weite der Tatbestände ausgesprochen, 6 Mitgliedstaaten erhoben Vorbehalte gegen das unterschiedslose Alter von 18 Jahren (Vereintes Königreich, Österreich, Dänemark, Deutschland, Finnland, Portugal) und 5 Mitgliedstaaten (Finnland, Deutschland und Österreich, aus der Gruppe, die gegen die Altersgrenze von 18 waren, zuzüglich Frankreich und Griechenland) wollten Herstellung (und Besitz) nur „zu Vertriebszwecken“ erfassen. Dänemark sprach sich prinzipiell gegen die Kriminalisierung von “Verschaffen” und “Besitz” aus und Griechenland wollte “Herstellung” und “Besitz2 nur im Zusammenhang mit Computersystemen erfassen. Siehe Rat der Europäischen Union, Gruppe „Materielles Strafrecht“, 8112/01, DROIPEN 35, MIGR 36, 27.04.2001, http://register.consilium.eu.int. Dänemark und Finnland haben sic hgegn die Kriminalisierung von Zeichnungen und ähnlichem Bildmaterial ausgesprochen, in denen der Missbrauch kein echtes Kind betrifft )Rat der Europäischen Union, Gruppe „Materielles Strafrecht“, 8112/01, DROIPEN 35, MIGR 36, 27.04.2001; Rat der Europäischen Union, Vorsitz, 10854/01, DROIPEN 68, MIGR 61, 13.07.2001, http://register.consilium.eu.int.

Frankreich und Deutschland haben anfänglich die Rechtsgrundlage für den Rahmenbeschluß und die Erfüllung des Subsidiaritätsprinzips in Frage gestellt hinsichtlich der Vorschreibung eines Tatbestandes der Ausnutzung von Autoritätsverhältnissen  (Art. 2 lit. b iii) (Rat der Europäischen Union, Gruppe „Materielles Strafrecht“, 8112/01, DROIPEN 35, MIGR 36, 27.04.2001, http://register.consilium.eu.int). Die Europäische Union hat tatsächlich, wie die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS) in seiner Stellungnahme zutreffend ausführt, mit Teilen des Rahmenbeschlusses ihre Kompetenzen überschritten. Art. 29 and 31 des Vertrages über die Europäische Union [EU], auf welche Artikel die Kommission und der Rat den Rahmenbeschluss stützen, erlauben eine Rechtsangleichung materieller Sexualstraftatbestände nur im Falle organisierter Kriminalität Soweit der Rahmenbeschluß Tatbestände im Bereich nicht organisierter Kriminalität vorschreibt, hat er keine Rechtsgrundlage in den Verträgen.

“Unbeschadet der Befugnisse der Europäischen Gemeinschaft verfolgt die Union das Ziel, den Bürgern in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ein hohes Maß an Sicherheit zu bieten, indem sie ein gemeinsames Vorgehen der Mitgliedstaaten im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen entwickelt sowie Rassismus und Fremdenfeindlichkeit verhütet und bekämpft.

Dieses Ziel wird erreicht durch die Verhütung und Bekämpfung der — organisierten oder nicht organisierten — Kriminalität, insbesondere des Terrorismus, des Menschenhandels und der Straftaten gegenüber Kindern, des illegalen Drogen- und Waffenhandels, der Bestechung und Bestechlichkeit sowie des Betrugs im Wege einer

-                      engeren Zusammenarbeit der Polizei-, Zoll- und anderer zuständiger Behörden in den Mitgliedstaaten, sowohl unmittelbar als auch unter Einschaltung des Europäischen Polizeiamts (Europol), nach den Artikeln 30 und 32,

-                      engeren Zusammenarbeit der Justizbehörden sowie anderer zuständiger Behörden der Mitgliedstaaten, auch unter Einschaltung der Europäischen Stelle für justizielle Zusammenarbeit (Eurojust), nach den Artikeln 31 und 32,

-                      Annäherung der Strafvorschriften der Mitgliedstaaten nach Artikel 31 Buchstabe e), soweit dies erforderlich ist.“

 (Art. 29 Vertrag über die Europäische Union [EU])

„(1)   Das gemeinsame Vorgehen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen schließt ein:

a)        die Erleichterung und Beschleunigung der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Ministerien und den Justizbehörden oder entsprechenden Behörden der Mitgliedstaaten, auch unter Einschaltung von Eurojust, wenn sich dies als zweckmäßig erweist, bei Gerichtsverfahren und der Vollstreckung von Entscheidungen;

b)        die Erleichterung der Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten;

c)        die Gewährleistung der Vereinbarkeit der jeweils geltenden Vorschriften der Mitgliedstaaten untereinander, soweit dies zur Verbesserung dieser Zusammenarbeit erforderlich ist;

d)        die Vermeidung von Kompetenzkonflikten zwischen Mitgliedstaaten;

e)        die schrittweise Annahme von Maßnahmen zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen in den Bereichen organisierte Kriminalität, Terrorismus und illegaler Drogenhandel.

 (2)   Der Rat fördert die Zusammenarbeit durch Eurojust auf folgende Weise:

a)        Er ermöglicht Eurojust, zu einer sachgerechten Koordinierung zwischen den für die Strafverfolgung zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten beizutragen;

b)        er fördert die Unterstützung durch Eurojust bei den Ermittlungen in Fällen, die mit schwerer grenzüberschreitender, namentlich organisierter Kriminalität zusammenhängen, insbesondere unter Berücksichtigung von Europol-Analysen;

c)        er erleichtert die enge Zusammenarbeit von Eurojust mit dem Europäischen Justiziellen Netz, insbesondere mit dem Ziel, die Erledigung von Rechtshilfe- und Auslieferungsersuchen zu erleichtern.“

 (Art. 31 Vertrag über die Europäische Union [EU])

„Die Gemeinschaft wird innerhalb der Grenzen der ihr in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse und gesetzten Ziele tätig.

In den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, wird die Gemeinschaft nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können.

Die Maßnahmen der Gemeinschaft gehen nicht über das für die Erreichung der Ziele dieses Vertrags erforderliche Maß hinaus.“

(Art. 5 Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft [EG])  

[51] Deutschland hat sich bis in die Schlußphase des Gesetzgebungsprozesses gegen die unterschiedslose Altersgrenze von 18 Jahren ausgesprochen und wollte der Definition des „Kindes“ in Art. 1 lit. a differenzierte Altersstufen anfügen. Nach den ersten Beratungen im Rat hat aber keine andere Delegation mehr Deutschland in dieser Hinsicht unterstützt. Frankreich, Spanien, Portugal, Belgien und die Kommission haben sich sogar ausdrücklich dagegen ausgesprochen. Siehe Rat der Europäischen Union, Vorsitz, 11622/01 ADD1, DROIPEN 75, MIGR 71, 11.09.2001, http://register.consilium.eu.int. Auch Dänemark hat seinen Widerstand gegen die Kriminalisierung von “Verschaffen” und “Besitz” aufrechterhalten, erhielt aber keine Unterstützung. Finnland, Dänemark und Deutschland haben Frankreich allerdings weiterhin in seinem Anliegen unterstützt, Herstellung und Besitz nur “zu Vertriebszwecken” zu erfassen, aber Irland, die Niederlande, Portugal, Belgien, Spanien und die Kommission haben gegen dieses Ansinnen erfolgreich Widerstand geleistet. Siehe Rat der Europäischen Union, Gruppe „Materielles Strafrecht“, 10458/01, DROIPEN 59, MIGR 58, 02.07.2001; Rat der Europäischen Union, Vorsitz, 10854/01, DROIPEN 68, MIGR 61, 13.07.2001, http://register.consilium.eu.int.

[52] Rahmenbeschluß 2004/68/JHA vom 22 Dezember 2003 zur Bekämpfung sexueller Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornografie, ABl 13  L/44-48, 20.01.2004, http://europa.eu.int/eur-lex/de/archive/2004/l_01320040120de.html.