Die Welt 27.05.13 "Auch der Vatikan ist interessiert" Man mag den unscheinbaren und gesundheitlich angeschlagenen 77-jährigen Mann auf den ersten Blick leicht unterschätzen. Im Gespräch entfaltet er aber seine ganze geistige Energie. Seine akademische Vita am Robert-Koch-Institut und an der Humboldt-Universität ist beendet. Mitunter klingt bei ihm Verbitterung mit. Doch da ist auch ein schelmisches Lächeln. Die Welt: Sie bieten, für die Nutzer kostenlos, im Internet wissenschaftliche Informationen in 14 Sprachen an. Wie kam es dazu, und was denken Sie sich dabei? Erwin Haeberle: Seit 1994 konnte ich, ermuntert von der Leitung am Robert-Koch-Institut, ein Archiv für Sexualwissenschaft aufbauen. Bei meiner Pensionierung 2001 hatte ich dort aber keinen Nachfolger, denn das Institut sollte sich dann wieder auf seine ursprüngliche Aufgabe konzentrieren – die Erforschung von Bakterien und Viren. Man empfahl mir deshalb, mein Projekt an der Humboldt-Universität fortzusetzen, wo mich der damalige HU-Präsident Mlynek auch willkommen hieß und mir die nötigen Räume zur Verfügung stellte. Aber diese Verbindung gibt es jetzt auch nicht mehr? Nur noch teilweise. Mein Archiv bestand ja aus einem gedruckten und einem elektronischen Teil. Es waren also eigentlich zwei verschiedene Archive, die sich gegenseitig ergänzten. Das auf Papier gedruckte Archiv – also meine Bibliothek und meine Sammlung historischer Dokumente – habe ich 2004 der Universitätsbibliothek geschenkt, wo es nun als Haeberle-Hirschfeld-Archiv in den allerbesten Händen ist. Mit Drucksachen und Papier weiß man dort eben umzugehen. Völlig anders ist es aber mit meinem Online-Archiv, das ich nun in meiner Wohnung fortführe und das mittlerweile erhebliche Dimensionen angenommen hat. Unter anderem biete ich nun eine große, ständig wachsende Online-Fachbibliothek an und einen kompletten Studiengang "Sexuelle Gesundheit" von sechs Semestern – auf Englisch, Russisch, Chinesisch, Tschechisch und Ungarisch. Übersetzungen ins Spanische und Portugiesische werden noch in diesem Jahr fertig sein. Dann sind meine E-Learning-Kurse in allen führenden Weltsprachen verfügbar. Leider kann die HU damit aber nichts anfangen. Sie duldet mein Archiv zurzeit noch auf ihrem Server, hat es aber sonst nie in irgendeiner Weise unterstützt. Woran haben Sie festgestellt, dass die Universität das Internet nicht zu nutzen weiß? Die deutschen Universitäten insgesamt haben die elektronische Revolution bisher zum größten Teil verschlafen. Man kann sie heute alle im Internet aufrufen. Dort bieten sie dann aber nur Selbstbeschreibungen an und das zumeist auch nur in deutscher Sprache – eigene elektronische Visitenkarten, mehr nicht. Sie bieten keinerlei Inhalte, die irgend jemand in Portugal, Peru oder Pakistan für irgendetwas nutzen könnte. So werden bei uns globale Chancen vertan. Noch schlimmer ist aber etwas anderes: In Deutschland selbst haben wir immer noch das Riesenproblem überfüllter Hörsäle und nicht erreichbarer Literatur. Beides ist – dank Internet – längst überflüssig und überhaupt nicht mehr zeitgemäß. Warum die Studenten da nicht rebellieren, begreife ich nicht. Können die Universitäten nicht, oder wollen sie nicht? Ohne dass sie die elektronische Revolution wirklich verstehen, ahnen die Universitäten doch, dass sie am Ende Strukturveränderungen zur Folge hat. Was heißt "Strukturveränderungen" in der Praxis? Es heißt, dass die vorhandenen Gelder in Zukunft anders verteilt werden müssen. Innerhalb der traditionellen Strukturen ist die elektronische Revolution jedenfalls nicht zu bewältigen. Ganze Institute müssen umorganisiert werden, ja hie und da ganze Fakultäten. Es müssen neue Stellen geschaffen, alte gestrichen werden usw. Das erzeugt eine fast automatische Ablehnung. Sie unterstellen also den Universitäten, dass sie sich aus Verstocktheit und Unfähigkeit nicht globalisieren? Es spielt keine Rolle mehr, ob die Deutschen nun mithalten wollen oder nicht. Wenn nicht, dann tun es eben andere. Die Harvard Medical School bietet schon seit Jahren für die ganze Welt kostenlos umfassende Informationen zu jeder erdenklichen Krankheit an. Das holt keine deutsche medizinische Fakultät mehr auf. Das MIT (Massachusetts Institute of Technology) bietet, ebenfalls seit Jahren, kostenlos in sechs Sprachen Materialien für über 2000 Kurse an. Jetzt investieren Harvard und das MIT gemeinsam Millionen von Dollar, um nicht nur Kursmaterialien, sondern kostenlos regelrechte Online-Kurse, die sogenannten MOOCs (Massive Open Online Courses), anzubieten. Inzwischen springen auch immer mehr andere Universitäten auf diesen Zug auf, der nun immer schneller Fahrt aufnimmt. Hat die universitäre Zurückhaltung in Ihrem Fall nicht auch mit Ihrer Thematik zu tun? Vielleicht. Aber man hat auch den Modellcharakter meines Projektes nicht erkannt. Sicher, die Sexualwissenschaft ist an hiesigen Universitäten ein "Orchideenfach", ja, genaugenommen, überhaupt kein Fach mit eigenem Abschluss. Das ist in anderen Ländern aber anders. So bediene ich eben die dortigen Studenten, vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Unter den "Top Ten" meiner Nutzerländer sind etwa Mexiko, China, Indien und Brasilien. Offensichtlich gibt es dort eine enorme Nachfrage. Wie können Sie belegen, dass Sie ein wahrer Pionier sind? Ich war weltweit der Erste, der vor zehn Jahren angefangen hat, "Open access"-Online-Kurse anzubieten. Nur hat das damals niemanden interessiert. Und auch heute wird es kaum wahrgenommen. Da wurde etwa kürzlich in einer deutschen Zeitung ein Amerikaner genannt, der 2006 in Kalifornien den ersten dieser Kurse angeboten haben soll. Ich war ihm aber um drei Jahre voraus, und zwar in Berlin. So etwas nimmt man in Deutschland leider nicht zur Kenntnis. Wie kamen Sie auf die Idee eines kostenlosen Angebots? Als Mitarbeiter des Robert-Koch-Instituts kannte ich es gar nicht anders. Es ist ja ein Institut des Bundes, und uns war immer bewusst, dass uns der deutsche Steuerzahler finanziert. Also hat er auch ein Recht darauf, all unser Wissen ohne weitere Kosten nutzen zu können. Im Grunde eine Selbstverständlichkeit. Die Universitäten, ebenfalls mit Steuergeldern finanziert, haben da aber eine ganz andere Auffassung. Sie haben gespürt, da ist ein Bedarf, auch gerade in geschlossenen Gesellschaften wie etwa der arabischen Welt? Derzeit kann ich leider nur einen einzigen, kurzen Text auf Arabisch anbieten – über das Jungfernhäutchen. Es ist die Übersetzung eines meiner englischen Videos. Ich hätte nie geahnt, wie populär es sein würde. Inzwischen sind es schon über 150.000 Zuschauer mit vielen begeisterten Kommentaren. Dann bot sich ein marokkanischer Psychologe an, es ins Arabische zu übersetzen. Also habe ich jetzt einen arabischen Text über das Jungfernhäutchen, der geht mit meinem Video zusammen. Ich habe experimentiert und mit drei bis fünf Minuten angefangen. Jetzt habe ich ein Video gemacht über die Verstümmelung der weiblichen Sexualorgane, englisch und deutsch, so jeweils 35 bis 40 Minuten. Das ist dann fast eine reguläre Vorlesung mit Grafiken, Tafeln und Texten usw. In diese Richtung müsste man weitergehen. Die registrierten Anhänger meiner Videos kommen aus aller Welt, etwa aus Nepal, Malaysia, Japan, Bangladesch, Thailand, Indien, Pakistan, Südkorea, Südafrika und Irak, aber auch aus Ägypten, Saudi-Arabien, den Vereinigten Emiraten, Qatar, Kuwait, Marokko, Tunesien, Algerien, Jordanien ... Wie erklärt man einem Muslim Homosexualität? Hauptsächlich mit meinen Kursen, aber auch mit einem kurzen Video von historischen Illustrationen. Ich fange damit an, dass im griechischen Altertum das schwule Paar Harmodios und Aristogeiton als Tyrannenmörder und Vorkämpfer der Demokratie ein Ehrendenkmal bekamen. 2000 Jahre später, im christlichen Mittelalter, wird ein schwules Paar als Sünder öffentlich verbrannt. Im 19. Jahrhundert wird Oscar Wilde als Verbrecher ins Zuchthaus geschickt. Im 20. dann wird das mathematische Genie Alan Turing als angeblich Kranker zwangsbehandelt und in den Selbstmord getrieben. Und als Letztes verweise ich dann auf das Männerpaar Benjamin Britten und Peter Pears, die als große Künstler, sozusagen als "ungewöhnliche" gewöhnliche Bürger, mit Ehren überhäuft werden. Summe: Homosexuelle wurden als Helden verehrt, als Sünder hingerichtet, als Verbrecher verurteilt, als Patienten behandelt und schließlich als vollwertige Bürger akzeptiert. Entscheide selbst, welche Einstellung die vernünftigste ist! Und dann sind wir bei der Homo-Ehe. Sie sagen, sexuelle Freiheit habe auch etwas mit Demokratie zu tun. Wann ist dieser Demokratisierungsprozess zu Ende? Wenn Bruder und Schwester oder Mensch und Tier heiraten können? Ich bitte Sie, das ist überhaupt nicht vergleichbar! Auch dazu habe ich ein Video gemacht: "A Comment on same-sex marriage". Mittlerweile gibt es die gleichgeschlechtliche Ehe in vielen Ländern, ohne dass deswegen dort etwas Dramatisches passiert wäre. Wenn aber gesagt wird, Wesen und Sinn einer Ehe sei die Aufzucht von Kindern, dann frage ich ganz einfach, ob das wirklich stimmt. Frauen über 50 haben immer heiraten dürfen, immer und überall. Manchmal wurden sie sogar dazu ermuntert. Seit Jahrtausenden wird also in allen Gesellschaften anerkannt, dass es andere Gründe als Kinder für eine Heirat gibt. Und so sage ich dann zum Schluss: Solange jede 60-jährige Frau einen 70-jährigen Mann heiraten kann und solange jeder 90-jährige Mann eine 80-jährige Frau heiraten kann, so lange demonstriert der Staat allen Bürgern, dass es andere gute Gründe für eine Ehe gibt. Und der Rest ist dann nur noch eine Frage der Gleichberechtigung. Ein cleverer Journalist sollte übrigens mal herausfinden, wie viele gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften jährlich in Deutschland geschlossen werden und wie viele Eheschließungen es im gleichen Zeitraum gibt, bei denen die Braut über 50 ist. Die digitale Welt verändert sich ständig. Was heißt das für die Unis? Neuerdings wandert das Internet in immer mehr Ländern vom altbekannten Bildschirm und Laptop hinüber auf leicht transportierbare Tablets (Pads) und Handys. Da hat sich schon vieles verlagert. Meine eigenen Kurse sind glücklicherweise schon von Anfang an so geschrieben, dass sie auf Handys und auf Tablets gut zu studieren sind. Also werden künftig auch in deutschen Hörsälen Studenten mit solchen Geräten sitzen und laufende Vorlesungen mit entsprechenden Angeboten von Harvard, Stanford usw. vergleichen. Das ist den meisten meiner Kollegen gar nicht klar. Es ist, kurz gesagt, deutscher Provinzialismus, ich sage auch gerne, dieses Land heißt "Banausistan". Es gibt aber doch inzwischen auch deutsche Universitäten, die sich an internationalen MOOCs beteiligen, etwa an der amerikanischen Gründung Coursera. Sicher, aber dabei ist auch einiges Zweifelhafte. Ich hab mir einmal einen deutschen Kurs in Coursera angeschaut. Das waren drei oder vier kurze Videos mit zwischengeschalteten Fragen. Das ist im Grunde Mickymaus-E-Learning, eigentlich unseriös und ganz und gar nicht das, was die Zukunft erfordert. Oder man zeigt abgefilmte Vorlesungen bestimmter Professoren. Das sind alles billige Scheinlösungen "auf die Schnelle". Es ist besser als nichts, aber nicht das, was wirklich gebraucht wird. Wie sähe denn richtiges E-Learning aus? Da gibt es viele mögliche Lösungen. Mein eigener Studiengang ist zum Beispiel so geschrieben, dass man damit sowohl auf einen Bachelor studieren kann wie auch auf den Master. So etwas ist nur im Internet möglich. Wenn Sie nur das studieren, was jeweils nach und nach auf dem Bildschirm erscheint, dann sind Sie auf dem Bachelor-Niveau. Wenn Sie aber noch alle internen und externen Links anklicken und auch noch die Zusatzliteratur in meiner Online-Bibliothek lesen, dann sind Sie auf einem Niveau des Masters. Klingt abenteuerlich, aber es funktioniert. Sie sollten sich das mal selber ansehen. Aber Sie müssen ja die Studenten prüfen. Wie läuft das denn? Ich als Privatperson kann weder Prüfungen abnehmen noch Zertifikate, Diplome oder akademische Grade verleihen, und die Humboldt-Universität will es nicht. Mein Studiengang ist bisher nur in China interaktiv. Die Universität Hongkong bildet damit jedes Jahr mehrere Tausend Sexualerzieher und Sexualerzieherinnen aus. Aber eben nur auf Chinesisch. In Deutschland gibt es seit Langem auch eine schulische Sexualerziehung, aber keine universitäre Ausbildung dafür. Ein weiteres Beispiel für deutsche Weltfremdheit. Gibt es denn schon die Welt-Universitäten, in die jeder gehen und lernen kann? Sebastian Thrun, ein ursprünglich deutscher Professor an der Stanford-Universität, hat es vorgemacht. Er hat zusammen mit einem Kollegen im vorigen Jahr weltweit einen kostenlosen Kurs angeboten, und fast 160.000 Studenten haben sich angemeldet. Er konnte mithilfe von Google alle Teilnehmer kontrollieren und feststellen, wer erfolgreich teilnahm und so eine entsprechende Bescheinigung verdiente. Inzwischen hat Thrun seine eigene Online-Universität gegründet: Udacity. Es entstehen also neue Zentren. Besteht nicht die Gefahr, dass sie von der Wirtschaft finanziert und vielleicht auch kontrolliert werden? Richtig ist dies: Kaum hatte Thrun gezeigt, wie es geht, so kamen auf einmal Harvard, das MIT und noch andere amerikanische "Eliteuniversitäten", um es ihm nachzutun. So haben wir jetzt Konkurrenzunternehmungen wie Coursera, edX, MITx usw. – alle als MOOCs kostenlos zugänglich. Die Schlusspointe ist diese: Sie können mit dem Internet in Zukunft nur noch Geld verdienen, indem Sie die Inhalte zunächst kostenlos weggeben. Nur wer sein Wissen verschenkt, wird am Ende bezahlt. Das ist eine Paradoxie des fortgeschrittenen Kapitalismus. Ich selbst als Ein-Mann-Betrieb hatte allein im März über zwölf Millionen Zugriffe, 900.000 Page views und 470.000 Visits. Die Kurse sind also ihre eigene Reklame. So viele Interessenten können Sie mit kostenpflichtigen Angeboten niemals erreichen. Was bei mir fehlt, ist nur ein Knopf, auf dem steht: "Wenn Sie für das Studium dieser Kurse einen akademischen Grad wollen oder ein Diplom, dann klicken Sie bitte hier." Klick. Und dann kommt das Geld hereingeflossen: Einschreibegebühren, Studiengebühren, Prüfungsgebühren usw. Und zwar aus der ganzen Welt! Im Grunde sind diese kostenlosen Angebote also Gelddruckmaschinen. Harvard und dem MIT geht es aber in erster Linie gar nicht ums Geld. Ihnen geht es darum, global eine führende Stellung aufzubauen und zu halten. Das sprechen sie auch ganz offen aus. Die Deutschen haben diesen Ehrgeiz nicht. An den Universitäten ist Präsenz etwas Zentrales. Der Hörsaal, der Campus gehören dazu wie zum Auto das Benzin. Wie kann man digital lebendige menschliche Verbindungen erreichen? Man bildet elektronische Studiengruppen. Die Studenten lernen sich untereinander persönlich kennen, obwohl sie gar nicht im gleichen Land wohnen müssen. Sie können über Skype kommunizieren. Da kann man feste Stunden festlegen, auch für regelmäßigen direkten Kontakt mit dem Professor. Global muss man allerdings geschickt vorgehen wegen der unterschiedlichen Zeitzonen. Und dann müssen die Studenten eben bestimmte Aufgaben erfüllen. Meinetwegen jede Woche ein bestimmtes Buch lesen und darüber berichten usw. Das kann man ja alles per Internet machen. Und auch Prüfungen, das ist technisch alles längst gelöst. Seit Jahren gibt es ja Internetuniversitäten, die gar keinen Campus haben. 1975 wurde schon von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gefordert, dass es ein eigenes Fach Sexologie, Human Sexuality, M.A. und Ph.D. in Human Sexuality geben sollte. Was macht man damit? Man kann damit in den Polizeidienst gehen, in den Strafvollzug, in die Staatsanwaltschaft, in die Sozialarbeit, sogar in den Journalismus. Eben überall hin, wo man auf sexuelle Probleme trifft. Man kann mit sexologischen Kenntnissen Therapeut werden, Rechtsanwalt, Lehrer oder Pfarrer. Ich habe ja auch Leser im Vatikan. Gerade für Priester und überhaupt für Geistliche aller Religionen ist das natürlich auch interessant. Sollte es wenigstens sein. Wieso interessieren sich besonders die Entwicklungsländer für Ihre Angebote? Dort bildet sich allmählich eine Mittelschicht heraus, und die nutzt ihre Computer. Dort gibt es Millionen von hochintelligenten, hoch motivierten potenziellen Studenten, die keine Universität besuchen und keine Bibliothek erreichen können. Diese Millionen sind unsere Verpflichtung. Die Weltklasse-Universitäten sind ja immer noch in Amerika. Werden die zukünftig zu rein elektronischen Universitäten? Wird es weltberühmte Star-Professoren geben, die Millionen unterrichten oder vor Millionen sprechen? Ich selbst lebe von meinem guten Ruf und von dem Vertrauen, das ich mir über viele Jahre als Einzelperson weltweit im Internet erworben habe. Gleichzeitig habe ich aber nicht das Gefühl, dass ich bei meinen deutschen Kollegen besonders beliebt bin. Im Grunde bin ich für sie ja ein lebender Vorwurf, denn ich habe bewiesen, dass man ganz allein und ohne jede finanzielle Förderung eine weltweit millionenfach genutzte wissenschaftliche Informationsquelle in 14 (bald 15) Sprachen aufbauen kann. Kein Mensch hat diese Kollegen jemals daran gehindert, das Gleiche zu tun – mit all ihren Instituten, wissenschaftlichen Assistenten, Sekretärinnen und studentischen Hilfskräften. Neulich habe ich aus einem Straßenbahnfenster einen fünfjährigen Jungen gesehen, der mit einem Smartphone hantierte. Wie kann ein deutscher Professor so etwas sehen und nicht ahnen, was auf seine Universität zukommt? Warum versteht er nicht, dass sich dort alles ändern muss, auch für ihn selber?
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