Archiv für Sexualwissenschaft


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Erwin J. Haeberle

Glossar: Unsachgemäße "Fachausdrücke"
Aus: E.J. Haeberle, dtv-Atlas Sexualität, © 2005 Deutscher Taschenbuch Verlag

Die sexualwissenschaftliche Forschung und Ausbildung wird teilweise durch überkommene Fachausdrücke behindert, die versteckte moralische Wertungen enthalten oder sogar offen ideologisch sind. Sie waren ursprünglich Teil semantischer Strategien, mit denen verschiedene religiöse, juristische, medizinische und pädagogische "Experten" ihre Standesinteressen und Moralvorstellungen in der Öffentlichkeit durchzusetzen suchten. Hinzu kommen noch unscharfe und irreführende Begriffe, so daß es oft schwer ist, sexuelle Sachverhalte objektiv zu beschreiben. Auf jeden Fall sollte man heute die folgenden Ausdrücke vermeiden:


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z



A

abartig. Der Ausdruck bezeichnet Sexualverhalten, das vom Sprecher mißbilligt wird. Durch die Implikation, daß die getadelten Personen "aus der Art geschlagen", also biologisch minderwertig sind, soll die Mißbilligung als naturwissenschaftlich begründet erscheinen. Es handelt sich aber einfach um ein Schimpfwort ohne wissenschaftlichen Erkenntnisgehalt.

Aberration. (lat. Verirrung) Ursprünglich ein Ausdruck der mittelalterlichen Theologie zur Bezeichnung von Ketzerei, d.h. "falschen Glaubens". Später von Ärzten auf "falsches" Sexualverhalten angewandt. Da es aber bei diesem keine objektiven Kriterien für richtig und falsch gibt, ist der Ausdruck unwissenschaftlich. (S. auch "Deviation" und "Perversion").

Algolagnie. (gr. Lust am Schmerz) Irreführende Bezeichnung für Masochismus, dessen Wesen nicht die Lust am Schmerz, sondern an der Unterwerfung ist. Dafür werden dann u. U. auch Schmerzen lustvoll erduldet.

B

Beischlaf. Ein unglücklicher Euphemismus für Vaginalverkehr (Koitus). Solche absichtlich verschwommenen Begriffe können zu schweren Mißverständnissen führen. (S. "schlafen mit").

Beschneidung, weibliche. Gemeint ist das Ausschneiden der Klitoris (Klitoridektomie) und u.U. zusätzlich noch das teilweise oder vollständige Abschneiden der großen und kleinen Lippen der Vulva sowie das Zunähen des Scheideneingangs. Diese barbarische Verstümmelung ist aber nicht mit der männlichen Beschneidung zu vergleichen, bei der nur die Vorhaut des Penis entfernt wird.

C

coitus interruptus. (lat. unterbrochener Koitus) Gemeint ist das Zurückziehen des Penis aus der Scheide vor der Ejakulation zu Zwecken der Empfängnisverhütung. Sobald aber der Penis herausgezogen wird, ist der Koitus beendet, nicht nur unterbrochen, denn er geht ja nicht weiter. Besserer Ausdruck: coitus abruptus (lat. abgebrochener Koitus.) Selbstverständlich ist es auch möglich, einen Koitus wirklich zu unterbrechen, d.h. den Penis für eine Weile aus der Scheide herauszuziehen und danach mit dem angefangenen Koitus fortzufahren. Dafür ist der Ausdruck "coitus interruptus" aber nicht üblich.

D

Deviation. (lat. Abweichung vom rechten Wege) Ursprünglich ein Ausdruck der mittelalterlichen Theologie zur Bezeichnung von Ketzerei, d.h. "falschen Glaubens". Später von Ärzten auf "falsches" Sexualverhalten angewandt. Da es aber bei diesem keine objektiven Kriterien für den "rechten Weg" gibt, ist der Ausdruck unwissenschaftlich. (S. auch "Aberration" und "Perversion".)

Dyspareunie. (gr. Nichtzusammenpassen) Der Ausdruck wird von einigen Ärzten zur Diagnose von Schmerzen beim Vaginalverkehr (Koitus) benutzt. Da aber solche Schmerzen sehr verschiedene Ursachen haben können, ist der Ausdruck diagnostisch ebenso wertlos wie etwa die Ausdrücke "Hautrötung" oder "Husten". Es ist stattdessen nötig, die Schmerzursache direkt zu benennen.

E

Ejaculatio praecox. (lat. vorzeitiger Samenerguß) Der Ausdruck ist schon deshalb unsinnig, weil es objektiv keinen "rechtzeitigen" Samenerguß gibt. Außerdem hat dieser nichts mit dem Problem zu tun, das man bezeichnen will. Hier wird irrtümlich der Orgasmus mit der Ejakulation gleichgesetzt, die in Wahrheit aber nur dessen mögliche (nicht unabdingbare) Begleiterscheinung ist. Das Problem hat also gar nichts damit zu tun, ob ein Samenerguss (d.h. eine Ejakulation) erfolgt oder nicht, sondern nur damit, dass der Penis nach einem Orgasmus gewöhnlich sehr schnell seine Erektion verliert, und dass damit der Koitus dann beendet ist. Gemeint ist deshalb immer etwas Subjektives: Die unbefriedigende Kontrolle über den Zeitpunkt des Orgasmus, und man muss dann immer fragen: Unbefriedigend für wen? Für sie? Für ihn? Für beide?.

Ejakulationsstörungen. Gemeint sind fast immer männliche Orgasmusstörungen. Es gibt nur zwei echte Ejakulationsstörungen, die zudem noch sehr selten sind: Die fehlende und die retrograde (d.h. in die Harnblase erfolgende) Ejakulation.

Erotomanie. (gr. Liebeswahn) Gemeint ist häufiger Wunsch nach Geschlechtsverkehr oder nach Partnerwechsel. Ein gelehrtes Schimpfwort ohne wissenschaftlichen Aussagewert. (S. auch "Nymphomanie" und "Promiskuität")

F

Familienplanung. Dieser Ausdruck wird oft fälschlicherweise als Synonym für Empfängnisverhütung gebraucht. Viele Paare, die eine Empfängnis verhüten, planen aber damit keineswegs eine Familie, besonders, wenn sie unverheiratet sind und bleiben wollen. Der Ausdruck ist nur gerechtfertigt, wenn ein Paar bewusst die Zahl seiner Kinder und damit die Grösse seiner Familie plant.

Fortpflanzungsorgane. Ideologisch belasteter Begriff für Geschlechtsorgane. Diese dienen auch anderen Zwecken als der Fortpflanzung und sollten daher sprachlich nicht auf eine einzige Funktion reduziert werden. (S. auch "Zeugungsglieder")

Frigidität. (lat. Kälte) Dieser abwertende Ausdruck bezeichnete früher bei Frauen sowohl das Ausbleiben eines Orgasmus als auch das Fehlen sexueller Erregung oder überhaupt sexuellen Interesses. Über die Gründe wurde dabei nicht nachgedacht, sondern automatisch ein Makel der Frau angenommen (oft lag es aber allein am Partner). Da heute die Wissenschaft wertneutrale Präzision verlangt, ist der Ausdruck nicht mehr akzeptabel.

G

G-Punkt. (Falschübersetzung des engl. G-spot oder Gräfenberg spot) Das engl. spot heißt nicht "Punkt", sondern "Fleck", und tatsächlich handelt es sich um eine erogene Zone, die keineswegs punktförmig ist. Sie befindet sich hinter der Scheidenvorderwand bei manchen, nicht allen, Frauen. Diese Zone reagiert besonders auf sexuelle Stimulation, d.h. etwa durch Stimulation durch Finger (schwierig), Vibratoren oder auch durch den Penis beim Koitus (wenn die Körperstellung entsprechend gewählt wird). Benannt nach dem deutsch-amerikanischen Gynäkologen Ernst Gräfenberg (1881-1957), der die Zone 1950 als erster beschrieb. Richtig: G-Zone.

Geburtenkontrolle. Dieser Ausdruck sollte nur benutzt werden, wenn es um die Verhinderung von Geburten mit allen Mitteln geht. Er wird aber oft fälschlich als Synonym von "Empfängnisverhütung" gebraucht. Gemeint ist also zumeist nur eine Empfängiskontrolle ohne Einschluß des Schwangerschaftsabbruchs, der ja auch eine Geburt verhindert.

Genitalien. (lat. Zeugungsorgane) Der Ausdruck engt die Funktion der Geschlechtsorgane unnötig und sachlich falsch auf einen einzigen Zweck ein. (S. auch "Fortpflanzungsorgane.)

Geschlechtsakt. Dieser Ausdruck wird oft als Synonym für Vaginalverkehr (Koitus) gebraucht, als ob dieser der "einzig wahre" Sexualkontakt wäre. Dieser moralisierende Sprachgebrauch ist aber irreführend, da es sehr viele andere sexuelle Akte gibt, die auf diese Weise als weniger wichtig abgewertet werden.

Geschlechtstrieb. S. "Sexualtrieb"

H

häufig wechselnder Geschlechtsverkehr. Gemeint ist häufiger Partnerwechsel.

Hermaphrodit. Intersex. Ein Mensch mit uneindeutigen primären Geschlechtsmerkmalen. Der alte poetische Ausdruck geht auf eine griechische Sage zurück: Der schöne Hermaphroditos (Sohn von Hermes und Aphrodite) wies die Liebe einer Nymphe zurück; diese aber umarmte ihn darauf so heftig, dass ihr Körper mit seinem verschmolz. Heute bevorzugt die Wissenschaft den nüchternen und präzisen Ausdruck Intersex. Auch die Betroffenen selbst ziehen den modernen Ausdruck vor.

Hermaphroditismus. Besser:Intersexualität.

Homosexualität. Gemeint ist entweder homosexuelles Verhalten oder ein vermeintlicher Dauerzustand, homosexuelle Wünsche zu haben. Da dies aber zwei sehr verschiedene Dinge sind, sollte man sie nicht mit demselben Wort bezeichnen. Stattdessen sollte man dieses Substantiv ganz vermeiden und jeweils genau sagen, ob man ein tatsächliches Verhalten oder einen (angeblichen) Zustand meint, solches Verhalten zu wünschen.

I

Impotenz. (lat. Machtlosigkeit) Gemeint ist fast immer das Fehlen einer Erektion des Penis in einer Situation, in der sie gewünscht wird. Dafür kann es viele verschiedene körperliche und seelische Gründe geben, die alle nichts mit Macht oder Ohnmacht zu tun haben. Der abwertende Pauschalausdruck ist zu unpräzise, um wissenschaftlich brauchbar zu sein.

Interruptio. (lat. Unterbrechung) Gemeint ist der Schwangerschaftsabbruch. (S."Schwangerschaftsunterbrechung")

J

Jungfräulichkeit. S. "Unschuld".

K

Kindesmissbrauch, sexueller. Ein unglücklicher Ausdruck für Sexualkontakte Erwachsener mit Kindern. Das Wort 'Missbrauch' bedeutet nicht mehr und nicht weniger als 'falscher Gebrauch'. So wird ungewollt unterstellt, dass es einen richtigen, legitimen sexuellen Gebrauch von Kindern gibt.Tatsächlich aber sollte niemand, auch kein Erwachsener,für sexuelle Zwecke gebraucht, d.h. zum Gebrauchsgegenstand gemacht werden.

Kohabitation. (lat. Zusammenwohnen) Ein irreführender Ausdruck, denn gemeint ist fast immer Geschlechtsverkehr, d.h. zumeist Vaginalverkehr (Koitus).

Kohabitarche. (lat. u. gr. erstes Zusammenwohnen) Gemeint ist der erste Vaginalverkehr (Koitus). Der pompöse, überflüssige und irreführende Ausdruck ist der "Menarche" und "Polluarche" nachgebildet (S. dort)

Konversionstherapie. (von lat. conversio: Bekehrung). Der Ausdruck bezeichnet die Missionsarbeit von Psychiatern, die Homosexuelle zum "wahren Glauben" der Heterosexuallität bekehren wollen. Hier maskiert sich Moralismus als Wissenschaft, denn die Unterstellung, dass jemand diese Bekehrung nötig hat, ist offensichtlich ein religiöses Werturteil oder, genauer gesagt, ein Vorurteil. Das Umgekehrte ist denn auch niemals versucht worden (d.h. die psychiatrische Bekehrung von Heterosexuellen zur Homosexualität). Die Geschichte hält lehrreiche Beispiele für Bekehrungen bereit, von der christlichen Zwangsbekehrung spanischer Juden im 16. Jhdt. bis zur freiwilligen Bekehrung Martin Luthers vom Katholizismus zum Protestantismus. Die ersteren (die sog. Conversos) wurden der Lüge und des weiterhin heimlich praktizierten Judentums verdächtigt; Luther und die anderen Protestanten wurden zuerst als Ketzer verfolgt, bis sie nach langen Glaubenskriegen ihr neues Christentum unter ebenfalls protestantischen Landesherren frei ausüben durften. (In diesem Fall mußten sich dann die Katholiken bekehren oder auswandern nach der Regel "cujus regio, ejus religio", d.h. der Landesherr bestimmte die Religion seiner Untertanen). Die Parallelen zu heute sind deutlich: Die durch Therapie neubekehrten Heterosexuellen werden der Lüge und der weiterhin heimlich praktizierten Homosexualität verdächtigt; die freiwilligen Konvertiten zur Homosexualität führen oft ein heimliches Doppelleben oder wandern in Bundesstaaten oder Länder ab, wo ihr Sexualverhalten nicht bestraft wird (etwa von Alabama nach Kalifornien oder von Malaysia nach Deutschland). Das ganze Thema religiöser und sexueller Bekehrung ist ein deprimierendes Beispiel für eine fortdauernde menschliche Narrheit, die sich immer wieder und immer unnötig ihr eigenes Unglück schafft. Die Wissenschaft sollte dazu keinen Beitrag leisten. Neuerdings ist der Ausdruck "Konversionstherapie" von einigen Psychiatern durch das ebenfalls unakzeptable "reparative Therapie" ersetzt worden (siehe dort).

L

Lebenszyklus, der menschliche. Das Leben des Menschen beginnt nach seinem Tod nicht aufs Neue, ist also nicht zyklisch. Die Anwendung zyklischer Vorstellungen ist vielleicht im Hinblick auf Gattungen vertretbar, aber auf die Entwicklung des Einzelnen angewandt, ist dies eine sprachliche Gedankenlosigkeit.

M

Missbrauch, sexueller. Ein unglücklicher Ausdruck für Sexualkontakte mit gesetzlich geschützten Personen, zumeist Kindern oder Jugendlichen unter dem 'Schutzalter'. Das Wort 'Missbrauch' bedeutet nicht mehr und nicht weniger als 'falscher Gebrauch'. So wird ungewollt unterstellt, dass es einen richtigen, legitimen sexuellen Gebrauch von Menschen gibt.Tatsächlich aber sollte niemand, auch kein Erwachsener,für sexuelle Zwecke gebraucht, d.h. zum Gebrauchsgegenstand gemacht werden.

N

nächtliche Pollution. (lat. Verschmutzung) Damit soll der Samenerguß im Schlaf gemeint sein. Männer können aber auch beim Mittagsschlaf einen Orgasmus mit einer Ejakulation haben, dann ist sie keineswegs nächtlich, und außerdem ist Samen kein Schmutz. (S. auch "Pollution" und "Polluarche")

normal. Wenn von sexuellen Dingen die Rede ist, wird dieses, eigentlich nur in der Statistik angebrachte Wort meist im Sinne von "gut" gebraucht; "nicht normal" oder "abnorm" heißt dann soviel wie "schlecht". Der genaue Inhalt dieser Werturteile wechselt aber von Sprecher zu Sprecher, so daß regelmäßig ein Streit darüber entbrennt, was überhaupt unter "Normalität" zu verstehen sei. In der Sexualwissenschaft sollte der Begriff ganz vermieden werden, da er immer nur Meinungen, niemals Tatsachen wiedergibt.

Nymphomanie. Dieser, auf die griechische Mythologie anspielende Ausdruck soll die "Promiskuität" von Frauen als seelisch krank erklären. Ein gelehrtes Schimpfwort ohne Erkenntniswert, denn ob und wie häufiger Partnerwechsel für wen problematisch wird, hängt von vielen Faktoren ab, die man jeweils genauer benennen sollte. (S. auch "Erotomanie", "Promiskuität")

O

Onanie, Onanieren. Wird fälschlich für "Selbstbefriedigung" gebraucht. Das Verhalten des biblische Onan (1. Mose, 38, 8-10) bestand aber in der Empfängnisverhütung durch "Rückzug" des Penis aus der Vagina vor der Ejakulation (coitus abruptus).

P

Paraphilie. (gr. "Nebenliebe") So bezeichnen Mediziner oder Juristen von ihnen mißbilligtes oder bedauertes Sexualverhalten. Der Ausdruck suggeriert, daß es eine "richtige", "natürliche", "wahre" oder hauptsächliche Philie (Liebe) gibt, deren minderrangige Schwestern neben oder hinter ihr stehen wie das paramedizinische Personal neben oder hinter dem "richtigen Doktor". Eine wissenschaftlich unzulässige Unterstellung. Stattdessen sollten die Gründe für medizinische oder juristische Bedenken in jedem Einzelfall präzise angegeben werden. Sie werden sich dann manchmal als überzeugend und ein andermal als bloße Vorurteile erweisen. (S. auch "Aberration", "Deviation", "Perversion".)

Perversion. (lat. Verdrehung) Ursprünglich ein Ausdruck der mittelalterlichen Theologie zur Bezeichnung der Ketzerei, d.h. "falschen" Glaubens. Später von Ärzten auf "falsches" Sexualverhalten angewandt. Da es aber kein "natürlich" vorkommendes korrektes Sexualverhalten gibt, das "pervertiert" werden könnte, ist der Ausdruck unwissenschaftlich. (S. auch "Aberration" und "Perversion")

Pollution. (lat. Verschmutzung) Hiermit soll der Samenerguß im Schlaf gemeint sein. Solche Schimpfwörter gehören nicht in die Wissenschaft. (S. auch "nächtliche Pollution".)

Polluarche. (lat. u. gr. erste Verchmutzung) Gemeint ist bei männlichen Jugendlichen der erste Orgasmus mit Samenerguß im Schlaf, gewöhnlich in der Pubertät. Der Ausdruck ist der "Menarche" (i.e. erste Menstruation) nachgebildet, stellt aber eine falsche Analogie her, denn Menstruation und Ejakulation sind physiologisch nicht vergleichbar und werden auch sehr verschieden erlebt. Sie sind allerdings beide Zeichen der beginnenden Fortpflanzungsfähigkeit. (Wirklich vergleichbar wären die ersten Orgasmen von Jungen und Mädchen.) Der Begriff Polluarche ist jedenfalls als prüde und albern abzulehnen. (S. auch "Pollution".)

präorgasmische Frau. (lat. vororgasmische F.) Dieser Ausdruck unterstellt, daß alle Frauen, die keinen Orgasmus haben, früher oder später orgasmisch werden. Leider ist dies aber nicht der Fall. So erzeugt der Ausdruck eine zusätzliche seelische Last, ganz so wie wenn man den armen Milchmann Tevye "prä-reich" nennen würde. Manche Arme werden reich, aber nicht alle.

Promiskuität. (lat. Vermischung) Dieser Ausdruck soll das Verhalten von Menschen bezeichnen, die Sexualkontakt mit vielen oder "zuvielen" Partnern haben. Da aber keine Einigkeit darüber besteht oder erreichbar ist, was in diesem Zusammenhang innerhalb welches Zeitraums viel ist, hat der Begriff keinen klaren Inhalt und dient eigentlich nur als Tadel. (S. auch "Erotomanie" und "Nymphomanie")

R

reparative Therapie. Der Ausdruck bezeichnet psychiatrische Reparaturversuche an den angeblich beschädigten Seelen von Homosexuellen, die man damit zu "gut funktionierenden" Hetersosexuellen machen will. Der Ausdruck und die Praxis unterstellen, dass die Homosexualität eine Fehlfunktion ist, die korrigiert werden muss. Dies ist aber ein moralistisches Werturteil, keine objektive wissenschaftliche Feststellung. In der Tat, die Zielpersonen solcher Korrekturversuche halten sich selbst gewöhnlich für voll funktionsfähig und können mit Recht die Volksweisheit zitieren: "Was nicht kaputt ist, soll man auch nicht reparieren." Jeder Versuch, es trotzdem zu tun, ist nichts als der missionarische Eifer von Kreuzzüglern, die unter dem Mantel der Wissenschaft sexuelle Gleichmacherei betreiben wollen (s. auch "Konversionstherapie").

S

Scham, weibliche. Gemeint sind die äußeren weiblichen Geschlechtsorgane (Vulva). Es gibt aber keinen Grund, sich dieser Organe zu schämen, ebensowenig wie der männlichen Geschlechtsorgane, die man interessanterweise noch nie als "Scham" bezeichnet hat.

Schamhaare. Gemeint ist die Behaarung im Bereich der Geschlechtsorgane.

Schamlippen. Gemeint sind die großen und kleinen Lippen der Vulva.

Schlafen mit... Ein irreführender Euphemismus für "Geschlechtsverkehr haben". Meistens ist damit Vaginalverkehr (Koitus) gemeint. Die Beteiligten sind dabei jedoch in der Regel hellwach. Der Ausdruck kann besonders in der Sexualerziehung und Sexualtherapie zu folgenschweren Mißverständnissen führen. (Beispiel: Ein Mann schläft mit seiner Frau 7 mal pro Woche, hat aber nur 2 mal pro Woche Geschlechtsverkehr mit ihr.)

Schwangerschaftsunterbrechung. Gemeint ist keine Unterbrechung, sondern ein Abbruch, denn die Schwangerschaft geht danach nicht weiter. (S. auch Interruptio)

Sexualtrieb. Der Vorstellung eines "Triebes" liegt die Annahme zugrunde, daß Lebewesen prinzipiell träge sind und zur Aktivität mithilfe einer besonderen hypothetischen Kraft "angetrieben" werden müssen. Die moderne Wissenschaft hat diese Vorstellung aufgegeben. Sie stellt fest, daß Lebewesen lebendig sind und daher neben allen anderen Lebensäußerungen auch ein Sexualverhalten zeigen. (Sie sprechen, singen, lachen, tanzen und schreiben und lesen ja auch ohne entsprechende Triebe).

sexuelle Sucht. Dieser Begriff wurde analog dem der "Drogensucht" gebildet und soll Sexualverhalten bezeichnen, das "übertrieben" intensiv oder extensiv, weil angeblich "süchtig" ist. Dieser allzu bequeme Vergleich schert aber zu vieles über einen Kamm und verstellt so die Einsicht in die sehr vielfältigen wirklichen Gründe für zwanghaftes, impulsives, unbefriedigendes, hemmungsloses, selbstzerstörerisches, rücksichtsloses oder destruktives Sexualverhalten. Hinzu kommt noch, daß einiges besonders vitales Verhalten von mehr gemäßigten Menschen leicht aus reinem Neid als "süchtig" verteufelt wird.

Sodomie. Irreführender Ausdruck für Sexualkontakt mit Tieren. Bei den Bewohnern der von Gott zerstörten biblischen Stadt Sodom war dies Verhalten jedenfalls nicht üblich. Stattdessen wurde ihnen später nachgesagt, sie hätten homosexuelle Kontakte gehabt. Nachdem dann solche Kontakte als Sodomie verurteilt wurden, dehnte sich der Begriff auf alle "widernatürlichen" Sexualkontakte aus, d.h. vor allem Oral- und Analverkehr, aber auch Kontakt mit Tieren. Im Deutschen ist nur diese letztere Bedeutung übriggeblieben, im Englischen sind sie alle noch lebendig. Der Ausdruck ist als unwissenschaftlich aber in keiner Sprache mehr akzeptabel. (S. auch "widernatürlich")

T

Triebtäter. Der Ausdruck wird oft zur Bezeichnung von Sexualstraftätern gebraucht, ist aber abzulehnen, da er unterstellt, der Täter habe wegen eines besonders starken "Sexualtriebes" gehandelt. Wenn aber der Täter zwanghaft gehandelt hat, so geschah dies aus anderen Gründen, denn einen "Sexualtrieb" gibt es nicht.(S. "Sexualtrieb")

U

Unschuld, sexuelle. Ein moralisierender und irreführender Ausdruck. Gemeint ist fast immer die sog. Unberührtheit d.h. eigentlich die Unversehrtheit des Hymen ("Jungfernhäutchens") bei Mädchen oder Frauen, als ob dessen Zerreißen sie irgendwie schuldig mache, oder als ob ohne dies kein Sexualkontakt möglich sei. Interessanterweise wird der Begriff nie auf Jungen und Männer angewandt, bei denen es ja auch keine Entsprechung zur Jungfräulichkeit gibt. (S. "Jungfräulichkeit")

V

vorehelicher Geschlechtsverkehr. Dieser Ausdruck ist nur sinnvoll, wenn von Leuten die Rede ist, die verheiratet sind oder waren. Bei Jugendlichen ist er immer unangebracht. Man kann nämlich nie vorher wissen, wer heiratet und wer nicht. Ein achtzigjähiger Junggeselle etwa hat vielleicht in seinem Leben viel Geschlechtsverkehr gehabt, aber da er nie geheiratet hat, war nichts davon vorehelich.

Vorspiel. Gemeint sind Zärtlichkeiten, die nach Meinung einiger "Experten" der Einführung des Penis in die Scheide vorausgehen sollen. Ein unglücklicher, moralisierender Ausdruck, da er den Vaginalverkehr (Koitus) implizit zur Hauptsache erklärt, also überbewertet, und die anderen Formen der sexuellen Stimulierung nur als Vorbereitung dafür gelten läßt, also ab-wertet. Diese können aber ihren Eigenwert haben und selber "Hauptsache" sein ohne daß sie noch weiterführen.

vorzeitiger Samenerguß. (lat. ejaculatio praecox). Der Ausdruck ist schon deshalb unsinnig, weil es objektiv keinen "rechtzeitigen" Samenerguß gibt. Außerdem hat dieser nichts mit dem Problem zu tun, das man bezeichnen will. Hier wird irrtümlich der Orgasmus mit der Ejakulation gleichgesetzt, die in Wahrheit aber nur dessen mögliche (nicht unabdingbare) Begleiterscheinung ist. Das Problem hat also gar nichts damit zu tun, ob ein Samenerguss (d.h. eine Ejakulation) erfolgt oder nicht, sondern nur damit, dass der Penis nach einem Orgasmus gewöhnlich sehr schnell seine Erektion verliert, und dass damit der Koitus dann beendet ist. Außerdem folgt beim Mann nach dem Orgasmus die sog. Refraktärperiode, d.h. ein Zeitraum, in dem der Körper nicht auf erneute sexuelle Stimulierung reagieren kann. Gemeint ist deshalb bei dem Problem immer etwas Subjektives: Die unbefriedigende Kontrolle über den Zeitpunkt des Orgasmus. Man muss dann auch immer fragen: Unbefriedigend für wen? Für sie? Für ihn? Für beide?

W

Webseite, die. Falsche und halbherzige Eindeutschung des engl. web site (web: Netz und site: Ort, Stelle) = Netzort. Der Ausdruck ist aus mehreren Gründen abzulehnen: 1. Das Wort ist halb englisch und halb deutsch, also ein sprachliches Monstrum. 2. Die deutsche Hälfte ist zudem noch eine Falschübersetzung von site (lat. situs, frz. le site, span. el sitio = Ort, Stelle. "Seite" heißt auf englisch "page"). 3. "Netzort" ist eine praktische, korrekte Übersetzung, die auch den Sinn genau wiedergibt: Ort, der mit jedem anderen Knotenpunkt im weltweiten Netz verbunden ist. Als Vergleich dient hier das Spinnennetz (spider's web), das es der Spinne erlaubt, an ihren eigenen Fäden entlang zu laufen und jeden Punkt ihres Netzes zu erreichen. Ganz anders verhält es sich mit einem Fischernetz (fishing net), das anders geknüpft und nur zum unterschiedslosen Einfangen geeignet ist. Der korrekte Ausdruck heißt also auf Deutsch "Netzort" oder, wenn es nicht anders geht, unübersetzt "der Website".

widernatürlich. Ein Ausdruck der mittelalterlichen Theologie zur Bezeichnung von Handlungen die "contra naturam", also gegen den Willen Gottes sind, wie er nach Ansicht der Kirche in der Natur erkennbar ist. Es handelt sich also um einen moraltheologischen Begriff, der keine objektive Aussage enthält und für die Zwecke der modernen Naturwissenschaft unbrauchbar ist. In der heutigen Alltagssprache ist er ohnehin nur noch ein Schimpfwort. Wissenschaftlich gesehen, wäre die einzige widernatürliche Handlung eine, die in der Natur nicht vorkommen, also nicht ausgeführt werden kann.

Z

Zeugungsglieder. (S. "Fortpflanzungsorgane" und "Genitalien")

Zeugungstrieb. Gemeint ist der Wunsch nach Sexualkontakt, der, wie hier unterschoben wird, angeblich nur der Fortpflanzung dient. Es gibt aber einen solchen Trieb ebenso wenig wie einen "Sexualtrieb" (S. dort).

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