J. Edgar Bauer
Geschlechtliche Einzigkeit. Zum
geistesgeschichtlichen Konnex
Ursprünglich
veröffentlicht in:
Capri. Herausgegeben vom Schwulen Museum.
»Nirgends findet man soviel ›Angst vor der eigenen Courage‹ wie dort, wo sich Menschen zu der inneren Überzeugung durchgerungen haben, daß die herrschende Sexualeinstellung einer objektiven Nachprüfung bedarf.« Magnus Hirschfeld: Die Weltreise eines Sexualforschers,S. 311
1. In seinem Buch The Genealogy of Queer Theory vertritt William B. Turner die These, dass die eigentliche philosophische Relevanz von Queerness nicht so sehr in der Infragestellung bestimmter Sexualkategorien, sondern in der kritischen Frage nach ihrem epistemologischen Status überhaupt besteht. Davon ausgehend, dass »the characteristic intellectual and political impulse of the late twentieth century has been to complain – not to say whine – about the inadequacy of categories, especially identity categories«[1], versucht Turner, das Grundanliegen von Queer theory vor dem Hintergrund der vorherrschenden philosophischen Skepsis gegenüber der Subsumption von Individuen unter Kategorien zu deuten. Trotz der »genealogischen« Absichten seines Unterfangens übersieht Turner aber, dass Magnus Hirschfelds Zwischenstufenlehre schon ein Jahrhundert zuvor die kategorialen Dekonstruktionen der Queer-Theoretiker vorwegnahm und dass dieser Aspekt seiner wissenschaftlichen Bestrebungen nur im Zusammenhang mit den post-hegelianischen Identitätskritiken der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts adäquat verstanden werden können. Turners Versäumnisse sind zwar bedauerlich, aber durchaus verständlich, wenn man bedenkt, dass bisher keine nennenswerte Anstrengung unternommen wurde, um die philosophischen und systemtheoretischen Voraussetzungen der Hirschfeldschen Sexualwissenschaft zu eruieren und deren eigentliche Tragweite und Relevanz zu würdigen.
2. Auch wenn ausgewiesenen Hirschfeld-Kennern wie Charlotte Wolff[2] und Manfred Herzer[3] vage Vorstellungen über den Einfluss Friedrich Nietzsches auf Hirschfelds Werdegang nicht abgestritten werden können, ist angesichts ihrer Forschungsergebnisse zu vermuten, dass sie sich die Frage nie gestellt haben, ob Hirschfelds Dekonstruktion des Sexualbinomiums durch die Zwischenstufenlehre in sachlichem oder genealogischem Bezug zu Max Stirners philosophischer Radikalisierung der Individualitätsproblematik steht. Die Frage ist nicht zuletzt deswegen als berechtigt anzusehen, weil Max Stirner unter den Repräsentanten der aufkommenden sexualemanzipatorischen Bewegung und der damit eng verbundenen Sexualwissenschaft vielfach Anerkennung und Bewunderung fand.
3. Magnus Hirschfelds Zwischenstufenlehre stellt eine Meta-Theorie der Geschlechterdifferenz dar, deren Kernaussage darin besteht, dass es im strengen Sinne weder Männer noch Frauen gibt, sondern nur Menschen, die ausnahmslos »intersexuelle Varianten«[4] konstituieren. So präzisiert Hirschfeld in seinem Hauptwerk Geschlechtskunde auf Grund dreißigjähriger Forschung bearbeitet, dass das »absolute« Weib und der »absolute« Mann »nur Grenzwerte, theoretische Aufstellungen« sind, »denn in Wirklichkeit hat man bei jedem Mann wenn auch noch so geringfügige Anzeichen seiner Abstammung vom Weibe, bei jedem Weibe entsprechende Reste männlicher Herkunft nachweisen können.«[5] Die Grenzwerte »Mann« und »Weib« kommen bei jedem einzelnen Menschen nur in einem jeweils individuellen und somit unwiederholbaren Mischungsverhältnis auf den verschiedenen deskriptiven Ebenen des Sexuellen vor.[6] Da die Mischungsverhältnisse dieser Ebenen im selben Individuum stets voneinander divergieren, muss davon ausgegangen werden, dass die Zahl der Geschlechter mit der Zahl der sexuierten Individuen identisch ist.[7] Diese Einsicht impliziert freilich keine Aufhebung der mit nützlichen Fikta operierenden Sexualwissenschaft, sondern vielmehr eine erhebliche Erweiterung und Vertiefung ihrer Domäne, da die Grundfrage nach dem Geschlecht fortan nur mittels einer asymptotischen Annäherung an den unwiederholbaren Sexualtypus eines jeden Individuums zu beantworten ist. Die epochale Bedeutung der Zwischenstufenlehre besteht von daher in erster Linie in der Reinterpretation des Begriffs vom Sexualunterschied und in dessen Reinskription in der wissenschaftlich begründbaren Komplexität eines idealiter unabschließbaren Prozesses sexueller Differenzierung.
4. In auffallendem Kontrast zu diesem skizzierten Verständnis der Hirschfeldschen Zwischenstufenlehre[8] steht die Mehrzahl der Deutungen, die während der nun mehr als hundertjährigen Rezeptionsgeschichte Hirschfelds vorgelegt wurden. Da die dekonstruktiven Implikationen der Zwischenstufenlehre zumeist verkannt wurden, nimmt nicht wunder, dass Hirschfelds Grundgedanken in keine nachvollziehbare Verbindung zu philosophisch anspruchsvollen Ansätzen seiner Zeit gebracht wurden. In der langen Tradition der Missdeutung und Unterschätzung des Hirschfeldschen Werkes steht E.J. Haeberles kommentierende Einleitung zum Nachdruck von Hirschfelds Buch Die Homosexualität des Mannes und des Weibes. So meint Haeberle z.B., dass der »theoretisierende[] Erste[] Hauptteil des Buches [...] unvermeidlicherweise überholt«[9] sei, und dass Hirschfeld »als Theoretiker flach und unfertig blieb«[10]. Umso überraschender sind darum seine Bemühungen um den Nachweis, dass Hirschfeld – »bei näherem Hinsehen« – die »entscheidende Wahrheit« des Sexualkontinuums bzw. der Geschlechtsübergänge sowohl auf körperlichem wie auf seelischem Gebiet »durchaus richtig erfaßt«[11] hatte. Haeberle behauptet sogar, dass Hirschfeld »diese[] fundamentale[] Einsicht [...] zur Basis seines ganzen wissenschaftlichen und reformerischen Denkens«[12] machte. Dass Haeberles Missachtung der theoretischen Leistung Hirschfelds mit seiner Einschätzung der Tragweite der »Wahrheit« des Sexualkontinuums nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen ist, braucht nicht eigens betont zu werden. Erklärlich wird Haeberles widersprüchliche Sicht aber, wenn man seine unbegründete Annahme zur Kenntnis nimmt, dass das, was Hirschfeld zur Basis seiner theoretischen und emanzipatorischen Arbeit machte, nicht von ihm selbst stammte.
5. Haeberle zufolge übernahm Hirschfeld die Idee des Sexualkontinuums von Ludwig Frey, der in seiner Schrift Die Männer des Rätsels und der Paragraph 175 des deutschen Reichsstrafgesetzbuches vom Jahr 1898 die Thesen vertrat, dass aus sexueller Sicht alle Menschen nur »Übergangsmenschen« sind, und dass es folglich »so viele Geschlechtsanlagen wie Individuen«[13] gibt. Da Haeberle in seiner Argumentation davon ausgeht, dass Freys Buch vor der Veröffentlichung aller großen Werke Hirschfelds erschien, folgert er voreilig, dass Hirschfeld der von Frey formulierten »fundamentalen Einsicht [...] sich nicht verschließen [konnte].«[14] Haeberles Argumente wären zumindest im Ansatz stichhaltig, wenn man zur Annahme berechtigt wäre, dass Hirschfeld erst nach 1898 diese »Einsicht« zur Grundlage seines Œuvres machte. In Wahrheit lässt sich aber zeigen, dass Hirschfeld schon in der 1896 erschienenen Broschüre Sappho und Sokrates seine umfassende Lehre der Geschlechtsübergänge ankündigt, als deren logische Konsequenz die These anzusehen ist, dass jeglichem sexuierten Individuum eine unwiederholbare Geschlechtlichkeit zukommt. So hieß es in der vom Verfasser vorgelegten Studie Der Tod Adams bezüglich der programmatischen Erstlingsschrift Sappho und Sokrates: »Davon ausgehend, dass in der ›Uranlage [...] alle Menschen körperlich und seelisch Zwitter sind‹ [...], wird die unerschöpfliche Vielfalt der Geschlechter als Resultat von quantitativen, nicht qualitativen Unterschieden verstanden, die davon abhängig sind, wie die Entfaltungs- und Hemmungsprozesse der bisexuellen Uranlage sich zueinander verhalten.«[15] Auch wenn Hirschfelds erste sexualwissenschaftliche Publikation keine so prägnante Formulierung wie die von Frey über die individuellen Geschlechtsanlagen aufzuweisen hat, ist nicht zu leugnen, dass Hirschfelds Einsicht in die Naturgegebenheit des Sexualkontinuums und in die damit zusammenhängende Unwiederholbarkeit jeder Sexualkonstitution schon in seiner sexologischen Broschüre von 1896 belegbar ist und dass er darum nicht auf Freys Buch von 1898 warten musste, um diese Einsicht zur »Basis« seines Gesamtentwurfes zu machen.
6. Diese Überlegungen werden von Hirschfeld selbst bestätigt, wenn er in dem 1926 erschienenen ersten Band der Geschlechtskunde auf seine Forschungsergebnisse bezüglich der intersexuellen Varianten zu sprechen kommt und anmerkt: »Diese zunächst nur auf Beobachtung und unvoreingenommene Nachprüfung gestützten Erfahrungstatsachen führten mich im Jahre 1896 zur Aufstellung der Lehre von den sexuellen Zwischenstufen.«[16] Damit war die Broschüre Sappho und Sokrates gemeint. Denn abgesehen davon, dass sie die einzige 1896 zu einem sexologischen Thema veröffentlichte Schrift Hirschfelds ist, enthält sie die erste Umschreibung der Zwischenstufenlehre, auch wenn der explizite Terminus darin noch nicht vorkommt. Hirschfelds Anspruch auf die Urheberschaft der Zwischenstufenlehre wird keineswegs dadurch relativiert, dass er in der Broschüre von 1896 auf die Vorläufer[17] der von ihm vertretenen Auffassung gleichgeschlechtlicher Liebe verweist. Denn das, worauf es Hirschfeld ankam, war das »feste[] Schema«, in dem die biologische Auffassung der problematischen Liebe »[s]eines Wissens zum ersten Male [..] durchgeführt wurde«.[18] Erst unter der Voraussetzung der Präzedenz Hirschfelds bei der Aufstellung dieses »Schemas« wird verständlich, dass er in der Geschlechtskunde die geistige Genealogie der Zwischenstufenlehre präzise benennt: Zum einen Ernst Haeckels »biogenetisches Grundgesetz« (die Ontogenie als gedrängte Phylogenie) und zum anderen das von Comenius, Leibniz und Linné vertretene »Übergangsgesetz« (natura non facit saltum).[19] 7. Da Haeberle Freys Urheberschaft der These der sexuellen Übergänge annimmt, ohne ein close reading von Sappho und Sokrates und der Geschlechtskunde vorgenommen zu haben, fällt es ihm leicht, unter Umgehung Hirschfelds gegen Ende seiner Einleitung zu behaupten, dass »[Alfred C.] Kinsey 1948 das genau fünfzig Jahre früher schon durch Frey angerufene, oben erwähnte Prinzip des Übergangs«[20] hervorgehoben hatte, welches u.a. zur Auflösung der Dichotomie von Heterosexualität und Homosexualität führte. Da Haeberle übersieht, dass Hirschfeld schon 1896 in Sappho und Sokrates die Prinzipien einer solchen Auflösung im Rahmen der Ausdifferenzierung der bisexuellen Uranlage formuliert hatte, verkennt er, dass der junge Hirschfeld aus eigener Kraft auf den sexologischen Grundgedanken seines Werkes kam, und invalidiert somit seine Analyse und Würdigung der theoretischen Leistungen des Sexualwissenschaftlers. Wie die folgenden Ausführungen in der Konsequenz zeigen werden, positioniert sich Haeberle argumentativ noch ungünstiger, wenn er meint, auch »Ludwig E. West« zu den Autoren zählen zu können, die vor Hirschfeld die Auflösung der sexuellen Eindeutigkeit – speziell die in bezug auf die Homosexuellen – vollzogen.[21]
8. Bei der Veröffentlichung von Sappho und Sokrates verwendete Hirschfeld das Pseudonym »Dr. med. Th. Ramien«. Erst die 1902 erschienene zweite Auflage trug seinen eigenen Namen.[22] Da die schon in der ersten Auflage angestellten Überlegungen über das sexuelle Einordnungsschema als ein früher Entwurf der Zwischenstufenlehre anzusehen ist, stellt die Erörterung des Zwischenstufen-Themas in einem Buch von »Dr. Ludwig E. West«, das 1903 unter dem Titel Homosexuelle Probleme. Im Licht der neuesten Forschung allgemeinverständlich dargestellt[23] erschien, keine bedeutende Vorwegnahme von Hirschfelds Ideen dar, wie Haeberle meint. Wenn man die eindeutigen Anlehnungen des Verfassers an die sonst bekannten Positionen Hirschfelds in Betracht zieht, wird ersichtlich, dass es sich dabei vielmehr um einen der frühesten Belege für die Rezeptionsgeschichte von Hirschfelds Kerngedanken handelt. Da keine Angaben zur Biografie von »West« bekannt sind und überdies bisher nur zwei weitere Schriften des Verfassers zur Frage der Prostitution[24] ermittelt werden konnten, kommt der Vermutung von Ferdinand Karsch-Haack (1853-1936), dass hinter dem Pseudonym Ludwig West »der Verfasser des Gefesselten Faust, JOHANNES GAULKE, stecken [soll]«[25], eine besondere Relevanz zu.
9. Da Karsch-Haacks Mutmaßung anderweitig nicht bestätigt werden konnte, war es bislang nicht möglich, von einer verbürgten Grundlage bei der Identifizierung von »Dr. Ludwig E. West« als Johannes Gaulke auszugehen. Die Beweislage ändert sich jedoch schlagartig, wenn die von Karsch-Haack leider nicht erwähnte Tatsache berücksichtigt wird, dass Johannes Gaulke schon 1901 - zwei Jahre vor dem Erscheinen von »Wests« Buch Homosexuelle Probleme - einen Aufsatz unter dem bezeichnenden Titel Das homosexuelle Problem in der Monatsschrift Stimmen der Gegenwart veröffentlichte.[26] »Wests« und Gaulkes Schriften haben nicht nur ähnliche Titel und beschäftigen sich mit dem selben Thema, sondern weisen sogar stilistische Ähnlichkeiten auf, die bis in die Details von begrifflichen Eigentümlichkeiten reichen. Zudem rechtfertigt vor allem die zeitliche Nähe beider Werke die Annahme, dass der Aufsatz als Vorlage des erheblich umfangreicheren Buches diente. Die Tatsache, dass fortan das unter dem Namen »West« erschienene Buch dem Schriftsteller Johannes Gaulke zuzurechnen ist, hat im Zusammenhang dieser Ausführungen vor allem deswegen eine erhebliche Signifikanz, weil damit klar wird, dass ein entschiedener Stirnerianer, wie Gaulke es war, an der frühesten Rezeptions- und Wirkungsgeschichte von Hirschfelds sexologischen Grundgedanken wiederholt und unmittelbar beteiligt war.
10. Die Klärung der eigentlichen Identität von »Ludwig E. West« wurde nicht zuletzt dadurch erschwert, dass die verfügbaren Daten zu Johannes Gaulkes Vita und Werken sehr lückenhaft sind. Dies ist umso mehr zu bedauern, als die Auskünfte, die hier zusammengetragen werden konnten, eine Vorstellung davon vermitteln, wie ertragreich und bewegt Gaulkes Leben gewesen ist. Obwohl der 1869 in Kolberg (heute: Kolobrzeg, Polen) geborene Gaulke schon 1906 als »bekannter Essayist« in einem bio-bibliografischen Standardwerk[27] bezeichnet wurde, verlieren sich seine Spuren nach 1938.[28] In einer als Orientierungshilfe gedachten biografischen Notiz präzisiert Marita Keilson-Lauritz, dass das »Todesdatum unbekannt«[29] sei, und fährt fort: »Mitschüler von [Magnus] Hirschfeld. 1892 mit dem Bildhauer Louis Ring und Hirschfeld nach New York, wo er 1894 mit einem Partner die Innenarchitektur-Firma Jaeger & Gaulke beginnt. Nach geschäftlichem Mißerfolg Rückkehr nach Berlin. Schriftsteller, Übersetzer, 1900-1902 Redakteur des Magazins für Litteratur. Gab 1909 ff. eine Reihe ›Kultur- und Menschheitsdokumente‹ heraus.«[30] Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit als Essayist[31], Dramatiker[32] und Verfasser von Erinnerungen an seine Abenteuer in Amerika[33], ist vor allem zu verzeichnen, dass Gaulke der erste deutsche Übersetzer von Oscar Wildes Dorian Gray[34] wurde und das Drehbuch zu Die Löwenbraut, einem Spielfilm aus den Jahren 1913-1914 vom Regisseur Max Obal, schrieb.[35] Wie im folgenden gezeigt wird, sind Gaulkes weltanschauliche Nähe zu den Positionen Max Stirners und sein freundschaftliches Verhältnis zu Magnus Hirschfeld deswegen besonders zu beachten, weil beide Gegebenheiten auf die eigentümliche Rolle verweisen, die Gaulke in und zwischen den zwei Hauptgruppierungen der sexualemanzipatorischen Bewegung in Deutschland spielte.
11. Gaulkes persönliches Verhältnis zu Hirschfeld bestand seit ihren Schuljahren in Pommern und wurde in der Zeit der gemeinsam unternommenen amerikanischen Reise gefestigt. Zeit seines Lebens war Gaulke an Initiativen und Projekten beteiligt, die mit dem Namen Hirschfelds eng verknüpft waren. So gehörte Gaulke zu den Erstunterzeichnern der im Dezember 1897 an den Bundestag und den Reichstag gerichteten Petition gegen § 175 RStGB.[36] Im selben Jahr, in dem Gaulke seine Übersetzung von Dorian Gray vorlegte, veröffentlichte er den Aufsatz Oscar Wilde´s ›Dorian Gray‹ in Hirschfelds Jahrbuch.[37] Seit 1907 zählte Gaulke zu den Mitgliedern des Obmännerkollegiums des Wissenschaftlich-humanitären Komitees.[38] Vor diesem Hintergrund ist nicht überraschend, dass Gaulke seine besondere Verbundenheit mit Hirschfeld in einem Beitrag zum Ausdruck brachte, der anlässlich des 50. Geburtstags von Magnus Hirschfeld im Jahre 1918 unter dem Titel Jugenderinnerungen erschien.[39] Darin schlägt Gaulke einen Bogen von den vielversprechenden Möglichkeiten des Gymnasialschülers, dem ein »starkes Gerechtigkeitsgefühl«[40] eigen war, zur Verwirklichung der anvisierten Ziele im Leben des Jubilars: »Was der nachdenkliche, immer tätige Knabe [...] versprochen hat, hat der Mann vollendet.«[41] In diesem Rahmen unterstreicht Gaulke zunächst Hirschfelds überlegte Auflehnung gegen den »dumpfen Zwang eines humanistischen Gymnasiums«[42] und beschreibt dann – in Anspielung auf Hirschfelds Lebensmotto: per scientiam ad justitiam – seine Entwicklung zu einem »Bahnbrecher der Wissenschaft«[43] und »Befreier von Aberglauben und Vorurteil.«[44]
12. Auffällig in Gaulkes Jugenderinnerungen ist die Betonung der persönlichen Individualität in ihrer Gegensätzlichkeit zum »Herden-Menschen«[45]. Auch wenn die Anspielungen auf Friedrich Nietzsche in Gaulkes Diktion offensichtlich sind, mahnt die starke Berücksichtigung der Bemühungen um Aufklärung und deren Folgen für das Individuum vor allem an Max Stirner. So verfremdet Gaulke in typischer Stirner-Manier einen neutestamentlichen Topos zugunsten einer radikalisierten Auffassung der individuellen Lebensaufgabe, wenn er schreibt: »Viele sind berufen, aber wenige auserwählt, heißt es ja wohl in der Schrift. Berufen sind sie schließlich alle, und wenn es sich auch nur um einen Ruf für ein Aemtchen handelt, der Auserwählte muß sich indessen selber berufen. Ein solcher ist Magnus Hirschfeld.«[46] Gaulke deutet die Auserwählung Magnus Hirschfelds als einen Akt der Selbstberufung hinsichtlich seines aufklärerisch-emanzipatorischen Zieles: »Er hat in mühseliger Kleinarbeit, allein von der ihm innewohnenden Wahrheitsliebe dazu getrieben, eine Schranke des menschlichen Geistes niedergerissen.«[47] Auch wenn Gaulke offensichtlich ein Porträt Hirschfelds als eines Freien, der zu einem Befreier wurde, zeichnen will, ist nicht zu übersehen, dass sowohl die Befreiten als auch das, wovon sie befreit wurden, unzureichend charakterisiert werden. Denn explizit ist die Rede nur von den »Tausende[n], denen blöde Verfolgungssucht und Unverstand das Leben verbittert haben [...]«[48] und von einer Befreiung von »Aberglauben und Vorurteil in jeglicher Form«[49]. Letztendlich führen derartige unscharfe Verallgemeinerungen dazu, dass die hauptsächliche Konsequenz von Hirschfelds sexualwissenschaftlichen Einsichten nicht thematisiert wird: Die allgemein-menschliche Befreiung von den Zwängen der binomen Geschlechtlichkeit und ihrer jeweils hetero- bzw. homosexuellen Kombinatorik.
13. Gaulkes Betonung der Individualität hängt aufs engste mit dem philosophischen Standpunkt zusammen, den er am prägnantesten in einem Aufsatz artikuliert, der 1925 unter dem Titel Das Hohelied des Egoismus veröffentlicht wurde. Mit Bezug auf diesen Aufsatz merkt Hans G. Helms an: »Ohne Stirner zu erwähnen, völlig stirnerianisch in Terminologie und Inhalt.«[50] Die Wichtigkeit von Helms Feststellung wird deutlich, wenn man bedenkt, dass die weltanschauliche Präferenz für die Philosophie Stirners im Kreis um Magnus Hirschfeld keine Selbstverständlichkeit war. Sie war vielmehr für die Gruppe der Eigenen charakteristisch, auf die der Anarchist und Dichter John Henry Mackay einen maßgeblichen Einfluss ausübte. Durch seine Biografie Max Stirners[51] und die Herausgabe seiner Schriften – insbesondere Der Einzige und sein Eigentum – [52] verhalf Mackay dem damals fast in Vergessenheit geratenen Philosophen zu einer folgenreichen Rezeption seiner Werke. Dabei ist aber zu beachten, dass die eher pädophile, das klassische Griechenland verherrlichende Grundausrichtung von Adolf Brand, Benedict Friedlaender und anderen Hauptrepräsentanten der Eigenen zu einer gewissen Gegensätzlichkeit – und zuweilen offener Feindschaft – zu Magnus Hirschfeld und seinen engsten Mitarbeitern führte, deren Emanzipationsbestrebungen mehr dem sogenannten dritten Geschlecht, als den sich »männlich« wähnenden Päderasten galten. In Anbetracht dessen ist signifikant, dass Gaulke seine Studien Die Homoerotik in der Weltliteratur (1903)[53] und Erotik und Patriotismus (1927)[54] nicht in Hirschfelds Jahrbuch, sondern in Der Eigene, der von Brand herausgegebenen Zeitschrift, veröffentlichte. Obwohl auch andere Autoren – wie Marita Keilson-Lauritz unterstreicht – Beiträge für die Publikationsorgane beider Gruppierungen schrieben,[55] erhält dies im Falle Gaulkes eine singuläre Bedeutung vor dem Hintergrund seiner persönlichen und vielfachen Beteiligung an Hirschfelds Unternehmungen.
14. Aus Gaulkes intellektuellem Werdegang lässt sich schließen, dass eine Rezeption Stirnerianischen Gedankenguts im engsten Kreis der Hirschfeld-Mitarbeiter stattfand, die der philosophisch informierte und interessierte Hirschfeld mit Sicherheit nicht hat übersehen können. Wie Das Hohelied des Egoismus zeigt, stand diese Rezeption im Zeichen einer vorurteilsfreien Neubewertung der »eigenen Natur und der ihr innewohnenden Triebkräfte«[56]. In Entsprechung zu den tieferen Dimensionen der Philosophie Stirners sieht Gaulke im Egoismus keine bloß moralisch-psychologische Angelegenheit, sondern den eigentlichen Schlüssel zur ontologischen Erschließung der Wirklichkeit: Denn »der Egoismus [ist] als das höchste und einzige Prinzip in ihm [=dem Menschen] wie in allen Lebewesen, im Mikrokosmos wie im Makrokosmos, wirksam [...].«[57] Gaulkes Plädoyer für den Egoismus gestaltet sich als eine Ermutigung zur luziden Selbsterkenntnis und Selbstbehauptung, die zur Entlarvung des Altruismus als eine Weltanschauung von »entartete[n] und verlogene[n] Egoisten«[58] führt. Im Hinblick darauf, dass Hirschfeld bei der Durchsetzung seiner sexualemanzipatorischen Ziele auf politische Wirksamkeit angewiesen war, ist aber kaum vorstellbar, dass er sich zu Gaulkes radikalen, konsensunfähigen Philosophemen öffentlich bekannt hätte, auch wenn er rein persönlich damit einverstanden gewesen wäre.
15. Neben zahlreichen terminologischen[59] und inhaltlichen Anleihen bei Stirner sind im Hohenlied Gaulkes auch Grundanschauungen und Leitmotive zu verzeichnen, die eher an bekannte Topoi von Goethe, Darwin, oder Nietzsche erinnern. Hinsichtlich ihrer rhetorischen Form wäre z.B. die markante Ankündigung: »Ich lehre euch den Egoismus, den herrlichen, abgeklärten Egoismus [...]«[60] eher im Mund von Nietzsche-Zarathustra, als in der Diskursivität des allem Predigtmäßigen abgeneigten Stirner vorstellbar.[61] In Gaulkes hauptsächlich stirnerianisch ausgerichtetem Text haben die Anklänge an Nietzsche eine symptomatische Bedeutung, denn sie indizieren seine Bemühung um eine (leider als eklektisch zu bezeichnende) Synthese beider Philosophen.[62] Dass Gaulke – anders als John Henry Mackay–[63] die wesentlichen Unterschiede zwischen den philosophischen Positionen von Stirner und Nietzsche nicht sonderlich ernst nahm, wird in seinem Versuch besonders deutlich, das Realisierungsfeld des »egoistischen« bzw. individualistischen Denkansatzes durch eine Art »artistisches« Weltgefühl einzuschränken, wenn es heißt: »[Das] Streben [des wirklichen Egoisten] wird darauf gerichtet sein, die Welt reicher und schöner zu gestalten, als er sie vorgefunden hat, um sie in vollen Zügen genießen zu können. Der Weg des Egoisten ist nicht durch Trümmer, sondern durch Schönheit gekennzeichnet. Ihm ist das Leben kein ethisches, sondern ein ästhetisches Problem.«[64] Darüber hinaus ist hier anzumerken, dass Gaulke –entsprechend seiner allgemeinen Tendenz, die Konsequenzen des philosophischen Egoismus zu entschärfen– die Dimension des Sozialen in seinem Entwurf hervorhebt, indem er für den »humanistischen« Standpunkt eintritt, dass »der abgeklärte Egoismus [...] die Solidarität aller postuliert«[65].
16. Da Gaulke wusste, dass seine ästhetischen und »humanistischen« Determinierungen des Egoismus in einem problematischen Bezug zu Stirners Philosophie des Einzigen standen[66], ist nicht überraschend, dass der Name Max Stirner nirgends im Hohenlied erwähnt wird. Offensichtlich interessiert sich Gaulke für Stirners Denken nur insofern, als es ihm eine individualistische und aufgeklärte Grundlage für seine libertären Bestrebungen bot. Bezeichnend dafür ist folgende Passage aus dem Hohenlied, in der Gaulke einen anti-metaphysischen, aufklärerischen Standpunkt in Verbindung mit seiner emanzipatorischen Grundeinstellung vertrat: »Eine endlose Reihe von Richtlinien im Fühlen, Wollen und Handeln kennzeichnet den Leidensweg der Menschheit. Sie charakterisieren sich als Religion, Moral, Gesetz, Recht [...] usf. Schlagworte, Unbegriffe, weil es daran nichts zu begreifen gibt – ein metaphysischer Spuk!«[67] Die kritische Haltung Stirnerischer Prägung, die die Auflösung solcher »fixen Ideen«[68] fordert, war bereits am Werk, als Gaulke ein Vierteljahrhundert zuvor sich eingehend mit der Frage der Homosexualität befasste. Schon in den ersten Sätzen vom Aufsatz Das homosexuelle Problem von 1901 ist der aufklärerische Optimismus nicht zu verkennen, der Gaulkes Schrift beherrscht: »Das Dunkel, das sich bis vor kurzem über das große Gebiet des Geschlechtslebens ausbreitete, beginnt sich immer mehr zu zerstreuen. Zugleich schwindet aber auch damit das Vorurteil und das Mißtrauen, mit dem man in weiten Kreisen die sexuelle Frage behandelt hat.«[69] 17. In Gaulkes Homosexualitäts-Aufsatz geht es vordergründig um die Besprechung einer Reihe von Beiträgen, die in den ersten drei Jahrgängen des von Magnus Hirschfeld herausgegebenen Jahrbuches für sexuelle Zwischenstufen erschienen waren. Eine nähere Analyse der Textstruktur macht aber deutlich, dass es sich dabei eigentlich um ein kleines Kompendium von argumentativen Entlastungsstrategien zugunsten des »Homosexualismus« handelt. So geht Gaulke nach einigen einleitenden Sätzen dazu über, drei Beiträge zur allgemeinen Homosexualitätsfrage zu rezensieren. Bei der Besprechung von Richard von Krafft-Ebings Aufsatz hebt Gaulke hervor, dass der Autor die konträre Sexualempfindung weder als Laster noch als Krankheit, sondern als eine »recht dunkle Störung im Entwicklungsprozeß des Foetus«[70] betrachtet, welche als eine »Mißbildung« deswegen zu gelten hat, weil sie mit den normalen geistigen Funktionen durchaus verträglich ist. In der Annahme, dass das konträre Sexualempfinden eine natürliche Erscheinung darstellt, setzt sich Gaulke mit Karl Heinrich Ulrichs' Forderung nach staatlicher und sozialer Anerkennung der urnischen Liebe sowie nach der urnischen »Ehe« auseinander, und verweist darauf, dass die Klärung der Frage nach dem Geschlechtsverkehr zwischen Homosexuellen die Voraussetzung für eine sachgemäße Gesetzgebung ist.[71] Die Fragen, ob homosexuell empfindende Menschen zur heterosexuellen Ehe geeignet sind und welche geschlechtliche Komplexitäten daraus resultieren würden, thematisiert Gaulke dann im Zusammenhang mit Magnus Hirschfelds Beitrag, auf den noch einzugehen sein wird.[72] Nach diesen vorwiegend theoretischen Ausführungen referiert bzw. erwähnt Gaulke biografisch angelegte Beiträge über künstlerische Persönlichkeiten[73] und weist zuletzt auf zwei Studien von Ferdinand Karsch-Haack hin, in denen der Nachweis erbracht wurde, dass »Päderastie und Tribadie« bei Menschen und bei Tieren vorkommen und dass der Uranismus deswegen keine Folge der Verfeinerung der Sitten bzw. der »Überkultur« darstellen kann, weil die »griechische Liebe« bei allen Naturvölkern der Erde »in allen erdenklichen Formen«[74] ausgeübt wird.
18. Entsprechend dem sexualemanzipatorischen Anliegen Magnus Hirschfelds steht Gaulkes Homosexualitäts-Aufsatz im Dienst einer konsequenten Infragestellung der herkömmlich normierten Geschlechtlichkeit. Nicht von ungefähr erwähnt Gaulke bei der Besprechung von Hirschfelds Beitrag die »sexuelle[n] Zwischenstufen«[75] als Synonym von Mittelstufen, die im sexuellen Naturkontinuum das Segment des sogenannten dritten Geschlechts einnehmen. Auch wenn der Begriff Zwischenstufenlehre im Aufsatz nicht ausdrücklich vorkommt, wird das Schema des sexuellen Naturkontinuums eindeutig vorausgesetzt, wenn Gaulke im Zusammenhang einer skizzierten Typologie heterosexueller Ehen zwischen zwei homosexuellen Partnern schreibt: »Am günstigsten gestellt ist die dritte Gruppe von Personen, bei denen die Liebe zu einem bestimmten Typus überwiegt. Es sind Frauen, die sich von feminin gearteten Individuen weiblichen wie auch männlichen Geschlechts angezogen fühlen, ebenso Männer, die den knabenhaften Typus, sei es im Mädchen oder im Knaben selbst, lieben. In diesem Fall – eine sexuelle Zwischenstufe, die wiederum vielfach differenziert – ist, so paradox es auch klingen mag, die Liebe zwischen zwei ausgesprochen homosexuell empfindenden Individuen mit verschiedenen Geschlechtscharakteren durchaus denkbar.«[76] Da Gaulke an dieser Stelle eine weitergehende Differenzierung innerhalb einer Mittelstufe vorsieht, wird deutlich, dass seinen Ausführungen letztendlich ein Kontinuum von Geschlechtern im Hirschfeldschen Sinne zugrunde liegt. Da unter dieser Voraussetzung die gleichgeschlechtliche Liebe als eine der Heterosexualität gleichgestellte Naturgegebenheit erscheint, muss ihre vorgebliche Rätselhaftigkeit neu definiert werden: »Mag die Urningsliebe auch nicht allgemein mehr als ein Laster hingestellt werden, sondern als ein Naturrätsel – und dies geschieht selbst von homosexuell Beanlagten –, so ist sie jedenfalls kein geringeres Naturrätsel als die geschlechtliche Liebe überhaupt.«[77] Gaulke war sich mit Hirschfeld darüber einig, dass es kein spezielles Naturrätsel des »Homosexualismus« gibt. Rätselhaft ist nur die Liebe, die sich in der kontinuierlichen Formenvielfalt des Geschlechtlichen manifestiert.
19. Gaulkes Aufsatz Das homosexuelle Problem von 1901 kann als ein Vorentwurf zu »Wests« Buch Homosexuelle Probleme von 1903 gelesen werden.[78] Entsprechend dem popularisierenden Charakter des Aufsatzes lautet der Untertitel des Buches: Im Lichte der neuesten Forschung allgemeinverständlich dargestellt, da der Verfasser sich auf die Wiedergabe dessen beschränkt, »was bisher von der Wissenschaft als richtig festgestellt und erkannt wurde [...].«[79] Außerdem korrespondieren Gaulkes aufklärerische Intentionen mit »Wests« Versuch, »die Kenntnis über gewisse Tatsachen, die Eingeweihten schon lange bekannt waren, in die breite Masse des Volkes zu tragen.«[80] Das Buch variiert sogar Gaulkes erste Sätze über »[d]as Dunkel«, das dank der »Männer der Wissenschaft« sich immer mehr zu zerstreuen beginnt,[81] wenn es gleich in der Einleitung heißt: »[...] das Licht der Aufklärung hat den Nebel mittelalterlichen Aberglaubens verscheucht. Nun ist wieder ein Stück geistiger Dunkelheit von der Wissenschaft hell durchleuchtet worden, ihre Sonne wirft ihre Strahlen auf ein bisher unbekanntes Gebiet.«[82] Über die ähnliche Zielsetzung beider Schriften hinaus lassen sich Entsprechungen in ihrem Aufbau feststellen,[83] so dass die anfangs auf textexterne Feststellungen gestützte Annahme eines einzigen Verfassers durch den näheren Textvergleich sich ohne weiteres bestätigen lässt.
20. Dass »West«, als Verfasser des Buches, »[e]igene Gedanken [...] nicht [bringt]«[84], ist nicht daraufhin auszulegen, dass der Text keine eigene Sicht bei der Auswahl von Autoren und Texten erkennen ließe. Wie eine aufmerksame Lektüre von Homosexuelle Probleme zeigt, ist diese Sicht allerdings von den wissenschaftlichen und emanzipatorischen Positionen Magnus Hirschfelds maßgeblich geprägt. Abgesehen von dem zu erwartenden umfangreichen Belegmaterial, das »West« von Hirschfeld übernimmt,[85] ist es bezeichnend, dass schon das erste Kapitel des Buches vorwiegend der »Theorie des homosexuellen Problems von Dr. Magnus Hirschfeld«[86] gewidmet ist. Beendet wird das Buch dann mit einer ausführlichen Darlegung der bis dahin herausragendsten Unternehmungen Hirschfelds: die Gründung des Wissenschaftlich-humanitären Komitees, die Herausgabe des Jahrbuches für sexuelle Zwischenstufen, die Petition an den Deutschen Reichstag und die Ausarbeitung des sexualwissenschaftlichen Fragebogens.[87] Während Karl Heinrich Ulrichs als »gewissermassen der Vater der Emancipationsbewegung der Homosexuellen«[88] gewürdigt wird, scheint es in der Jetztzeit des Verfassers keine bedeutsamere Gestalt zu geben als »Dr. Magnus Hirschfeld in Charlottenburg, dessen grosser Energie und ausserordentlicher persönlicher Liebenswürdigkeit ebenso sehr, wie seinem umfassenden Wissen die heutige Bewegung fast alles verdankt.«[89] Außerdem wird die eminente Bedeutung Hirschfelds dadurch unterstrichen, dass unter den sieben »großen Autoritäten«[90], auf die »West« in der Einleitung verweist, nur Hirschfeld mit Vor- und Nachnamen genannt wird und dass die letzten Zeilen derselben Einleitung wie eine Paraphrase von Hirschfelds Lebensmotto per scientiam ad justitiam klingen: »Mögen recht viele diesen hellen Schein [der Wissenschaft] sehen, damit auf rechtlichem wie auf sozialem Gebiete recht bald die Konsequenzen der neuen Erkenntnis gezogen werden können!«[91] »West« hätte kaum deutlicher zum Ausdruck bringen können, dass er sich voll und ganz mit den wissenschaftlichen und emanzipatorischen Idealen identifizierte, die Hirschfeld vertrat.
21. Obwohl Gaulke im Aufsatz Das homosexuelle Problem von 1901 den Terminus Zwischenstufe im Zusammenhang mit Hirschfeld verwendet, tut er dies im Buch nicht, wenn er die Homosexualitätstheorie Hirschfelds behandelt.[92] Trotzdem kann als sicher gelten, dass Gaulke das Buch in völliger Klarheit darüber schrieb, dass Hirschfelds theoretische Überlegungen die These der Zwischenstufigkeit eines jeden Menschen implizieren.[93] Nicht von ungefähr beginnt das erste Kapitel des Buches mit einer zehnseitigen Darlegung von Hirschfelds »Theorie des homosexuellen Problems«, welche – nach zwei einführenden Absätzen – aus einem einzigen Zitat aus dem ersten Teil der Broschüre Sappho und Sokrates besteht,[94] in denen die Kerngedanken vorkommen, die Hirschfeld später mit dem Begriff Zwischenstufenlehre zusammenfasste. Dessen ungeachtet, dass Gaulke in dem Zusammenhang –Hirschfelds Broschüre folgend – die Termini Zwischenstufe bzw. Zwischenstufenlehre nicht verwendet, ist festzuhalten, dass die kurze Einführung und das lange Zitat im ersten Kapitel von Homosexuelle Probleme mit zur frühesten Rezeptionsgeschichte von Hirschfelds Kerngedanken zur Zwischenstufenlehre gehören.
22. Dass Gaulke, der als Stirnerianer die kritische Tragweite des Einzigkeits-Gedankens genauestens einschätzen konnte, der Zwischenstufenlehre Hirschfelds ein besonderes Interesse entgegenbrachte, ist offensichtlich, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass für Hirschfeld »hinsichtlich der Sexualkonstitution [...] jeder Mensch seine Natur und sein Gesetz hat.«[95] Hirschfeld war jedoch nicht auf seinen Freund Johannes Gaulke angewiesen, um die mögliche Relevanz von Max Stirner für die Sexualitätsfrage zu erkennen. Es ist davon auszugehen, dass ein so belesener Forscher wie Hirschfeld, der mit den einschlägigen sexualwissenschaftlichen Publikationen bestens vertraut war, Bescheid wusste, dass Károly Mária Kertbeny (1824-1882), der den Terminus Homosexualität und andere sexualwissenschaftliche Begriffe prägte,[96] zumindest zeitweise in engem Kontakt zu Stirner stand. Denn darauf verwies nicht nur der ungarische Schriftsteller selbst in seinen 1861-1863 erschienenen Erinnerungen[97] sondern auch der von Hirschfeld sehr geschätzte Sexualforscher Iwan Bloch (1972-1922).[98] Darüber hinaus war es vor allem dem unermüdlichen Einsatz des Anarchisten und Dichters John Henry Mackay für das Werk Stirners zu verdanken, dass der Philosoph zu einer unübersehbaren Größe innerhalb der sexualemanzipatorischen Bewegung wurde. Der Umstand aber, dass hauptsächlich die Eigenen Stirner zu ihrer eigentlichen Galionsfigur machten, begünstigte eine vorbehaltlose Rezeption Stirners sicherlich nicht. Da sie für eine päderastische Ausrichtung der sexualemanzipatorischen Bewegung plädierten, die sich immer deutlicher von den Positionen unterschied, für die Magnus Hirschfeld und das Wisenschaftlich-humanitäre Komitee sich einsetzten, fiel es Hirschfeld offensichtlich nicht schwer, auf eine Bezugnahme auf Stirner zu verzichten. Auch wenn Stirners Denken der radikalen Individualität durchaus einen philosophischen Rahmen für Hirschfelds neue Sicht des Geschlechtlichen hätte bieten können, zog Hirschfeld zeit seines Lebens vor, sich auf Friedrich Nietzsche zu berufen. Die programmatischen Implikationen einer solchen Vorliebe sind schon darin zu erkennen, dass Hirschfeld beiden Auflagen seiner sexualwissenschaftlichen Erstlingsschrift Sappho und Sokrates ein Nietzsche-Motto voranstellte[99] und dass er in Phantom Rasse, dem letzten zu seinen Lebzeiten erschienenen Text,[100] in Fragen der Völkerpsychologie sich auf Nietzsche stützte, um gegen die aufkommende Nazi-Ideologie vorzugehen.[101] Hirschfeld, der den »Humanitätswert« – unabhängig vom Sexualtypus und rassischer Zugehörigkeit – im Einzelmenschen verankert sehen wollte, fand in Nietzsche – dem Gegner des Herden-Menschen – eine ständige Inspirationsquelle seiner emanzipatorischen Bestrebungen.
23. Dass Hirschfeld auf Stirner, den schärfsten Denker der Individualität im neunzehnten Jahrhundert nicht zurückgriff, hing vermutlich nicht nur damit zusammen, dass Hirschfelds ideologische Gegner Stirner sehr früh für sich reklamiert hatten, sondern auch damit, dass Nietzsche einen direkteren Zugang zu den Fragen bot, die um die Jahrhundertwende sich aus Biologie und Psychologie ergaben und für die Hirschfeld sich brennend interessierte. Dessen ungeachtet, wie Hirschfelds philosophische Präferenzen sich konstellierten, muss aber festgehalten werden, dass seine Auflösung des offenbarungsmäßig sanktionierten Sexualdimorphismus und seiner jeweilig hetero- bzw. homosexuellen Kombinatorik zugunsten der potentiell unendlichen Geschlechter eher der radikalen Dekonstruktionsprogrammatik Max Stirners als den verkappt retheologisierenden Übermensch-Visionen von Nietzsche-Zarathustra entsprechen. Nach Stirner haben Aufklärung und Liberalismus am Ende der mit dem Christentum ansetzenden »neuen Zeit« nur den Tod Gottes am gekreuzigten Gottmenschen nachvollzogen.[102] Der Tod des menschlichen Momentes an ihm steht jedoch noch aus, solange die Folgen der verinnerlichten Transzendenz fortwirken. Dazu gehören die Distributionen und Hierarchisierungen des Geschlechtlichen, die mit der »Schöpfung« des biblischen Menschen einsetzten und bis zum heutigen Tag das Selbstverständnis des okzidentalen Menschen beherrschen. Vor diesem Hintergrund konstituiert Hirschfelds Dekonstruktion der paradigmatischen Disjunktion zwischen »Adam« und »Eva« durch die Zwischenstufenlehre eine Radikalisierung und Vervollständigung von Max Stirners Kritik der anthropo-theologischen Grundvoraussetzungen des Abendlandes.
24. Obwohl Nietzsche feststellt, dass »Grad und Art der Geschlechtlichkeit eines Menschen [...] bis in den letzten Gipfel seines Geistes auf[reicht]«[103], lässt er das seit den offenbarten Anfangs-Berichten geltende Schema des Sexualdimorphismus philosophisch unangetastet. Im Gegensatz dazu entspricht Hirschfelds wissenschaftlich fundierte Dekonstruktion des durch das Sexualbinomium geprägten Menschenbildes prinzipiell dem Desiderat Max Stirners, das »Jenseits in Uns«[104] zu beenden. Hirschfelds Eröffnung des Horizontes, in dem die Geschlechtlichkeit des Menschen jenseits der Wirkungsgeschichte des Sexualdimorphismus verstanden wird, ist ein epochaler Bruch, dessen Tragweite bislang kaum gewürdigt wurde. Dennoch scheint die von Hirschfeld anvisierte Zukunft angebrochen zu sein, wenn mutige Fragen wie folgende gestellt werden: »Why does our society allow only two genders and keep them polarized? Why don't we have a social role for hermaphrodites? Berdaches? Why do transsexuals have to become ›real women‹ or ›real men‹ instead of just being transsexuals? After all, aren't there some advantages to being a man with a vagina or a woman with a penis, if only because of the unique perspective it would give? And why can't people go back and forth if they want to?«[105]
[1] Turner, William B.: A Genealogy of Queer Theory. Philadelphia 2000, S. 8. [2] Cf. Wolff, Charlotte: Magnus Hirschfeld. A Portrait of a Pioneer in Sexology. London 1986, S. 252. [3] Cf. Herzer, Manfred: Magnus Hirschfeld. Leben und Werk eines jüdischen, schwulen und sozialistischen Sexologen. 2., überarbeitete Auflage. Hamburg 2001, S. 44 und 97. [4] Hirschfeld, Magnus: Von einst bis jetzt. Geschichte einer homosexuellen Bewegung. 1897 - 1922. Hrsg. u. mit einem Nachwort versehen von M. Herzer u. J. Steakley. Berlin 1986, S. 49 [5] Hirschfeld, Magnus: Geschlechtskunde auf Grund dreißigjähriger Forschung bearbeitet. Band I: Die körperseelischen Grundlagen. Stuttgart 1926, S. 546. [6] Nach Hirschfeld sind vier Ebenen des Sexuellen zu unterscheiden: (1) die Geschlechtsteile, (2) die übrigen körperlichen Eigenschaften, (3) der Geschlechtstrieb und (4) die sonstigen seelischen Eigenschaften. (Cf. Hirschfeld: Geschlechtskunde, op. cit., S. 594) [7] Cf. dazu Bauer, J. Edgar: »43 046 721 Sexualtypen.« Anmerkungen zu Magnus Hirschfelds Zwischenstufenlehre und der Unendlichkeit der Geschlechter. In: Capri No. 33, S. 23-30. [8] Für eine ausführliche Darlegung der hier skizzierten Deutung von Hirschfelds Zwischenstufenlehre cf: Bauer, J. Edgar: Der Tod Adams. Geschichtsphilosophische Thesen zur Sexualemanzipation im Werk Magnus Hirschfelds. In: 100 Jahre Schwulenbewegung. Dokumentation einer Vortragsreihe in der Akademie der Künste. Ausgewählt und hrsg. von M. Herzer. Berlin 1998, S. 15-45; ders.: Über Hirschfelds Anspruch. Eine Klarstellung. In: Mitteilungen der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft. Nr. 29/30, Juli 1999, S. 66-80; ders.: Magnus Hirschfeld: per scientiam ad justitiam. Eine zweite Klarstellung, In: Mitteilungen der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft Nr. 33/34, Dezember 2002, S. 68-90. [9] Haeberle, E.J.: Einleitung. In: Hirschfeld, Magnus: Die Homosexualität des Mannes und des Weibes. Nachdruck der Erstauflage von 1914 mit einer kommentierenden Einleitung von E.J. Haeberle. Berlin / New York 1984, S. XVII. [10] Haeberle, E.J.: Einleitung, op. cit., S. XX. [11] Haeberle, E.J.: Einleitung, op. cit., S. XVII. [12] Haeberle, E.J.: Einleitung, op. cit., S. XVI [13] Frey, Ludwig: Die Männer des Rätsels und der Paragraph 175 des deutschen Reichsstrafgesetzbuches. Beitrag zur Lösung einer brennenden Frage. Leipzig 1898, S. 65. Die Passage wird auch zitiert in: Haeberle: Einleitung, op. cit., S. XVI. Da die Datierungsfrage in dem Zusammenhang von Relevanz ist, sei hier darauf hingewiesen, dass Haeberle in Fußnote 21 seiner Einleitung irrtümlicherweise 1889 als Erscheinungsjahr von Freys Buch angibt, obwohl er das richtige Datum im Haupttext (S. XVI) erwähnt. [14] Haeberle: Einleitung, op. cit., S. XVI [15] Bauer: Der Tod Adams, op. cit., S. 35 [16] Hirschfeld: Geschlechtskunde, op. cit., S. 547 [17] Cf. Ramien, Th. (d.i. Hirschfeld): Sappho und Sokrates oder Wie erklärt sich die Liebe der Männer und Frauen zu Personen des eigenen Geschlechts. Leipzig 1896, S. 27. [18] Ramien, Th. (d.i. Hirschfeld): Sappho und Sokrates, op. cit., S. 27. [19] Cf. Hirschfeld: Geschlechtskunde, op. cit., S. 545 f. [20] Haeberle: Einleitung, op. cit., S. XXI. [21] Cf. Haeberle: Einleitung, op. cit., S. XVI. [22] Im Zeitraum zwischen beiden Auflagen initiierte Hirschfeld zwei der wichtigsten Projekte seines Lebens: Die Gründung – zusammen mit Eduard Oberg, Max Spohr und Franz Josef von Bülow – des Wissenschaftlich-humanitären Komitees im Jahre 1897 und die Herausgabe des Jahrbuchs für sexuelle Zwischenstufen unter besonderer Berücksichtigung der Homosexualität ab 1899. [23] West, Dr. Ludwig E.: Homosexuelle Probleme. Im Lichte der neuesten Forschung allgemeinverständlich dargestellt. Berlin [1903]. Das Buch ist ohne Jahresangabe erschienen. Die »Einleitung« ist »Dezember 1902« datiert. Haeberle geht davon aus, dass das Buch 1902 veröffentlicht wurde (Cf. Haeberle: Einleitung, op. cit., S. XXIX). Hier wurde die Datierung übernommen, die der Verfasser der Besprechung des Buches anführt, welche in Hirschfelds Jahrbuch erschien. (Numa Praetorius [d.i. Eugen Wilhelm]: Buchbesprechung: West, Dr. Ludwig E.: Homosexuelle Probleme. Im Lichte der neuesten Forschung allgemeinverständlich dargestellt. Berlin 1903, Carl Messer & Co. In: Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen, Jg. 6 (1904), S. 528) [24] Es handelt sich um: West, Dr. Ludwig E.: Der moderne Mädchenhandel. Berlin: Carl Messer & Cie. G.m.b.H., Verlag, 1903; und West, Dr. Ludwig E.: Die Prostitution bei allen Völkern vom Altertum bis zur Neuzeit. Berlin: Messer [1903]. [25] Karsch-Haack, F.: Das gleichgeschlechtliche Leben der Naturvölker. München 1911, S. 54. [26] Cf. Gaulke, Johannes: Das homosexuelle Problem. In: Stimmen der Gegenwart. Nr. 12. 1901, S. 344-349. [27] Führer durch die moderne Literatur. 300 Würdigungen der hervorragendsten Schriftsteller unserer Zeit. Herausgegeben von Dr. H.H. Ewers unter Mitwirkung der Schriftsteller: Victor Hadwiger, Erich Mühsam, René Schickele und Dr. Walter Bläsing. Berlin 1906, S. 64. [28] In einer persönlichen Mitteilung an den Verfasser schreibt Manfred Herzer: »In Kürschners Literaturkalender gibt es ihn [d.i. Johannes Gaulke] noch 1938, dann nicht mehr. Im Berliner Adressbuch gibt es ihn ebenfalls noch bis 1938, dann nicht mehr.« (E-mail vom 17.9.2002). Zudem blieb Herzers Anfrage beim Landeseinwohneramt ergebnislos: »Wegen Kriegsverlust gibt es nur wenige Vorkriegsmeldeunterlagen und von Gaulke ist in diesen Resten nicht die Rede.« (E-mail vom 7.12.2002). [29] Keilson-Lauritz, Marita: Die Geschichte der eigenen Geschichte. Literatur und Literaturkritik in den Anfängen der Schwulenbewegung am Beispiel des Jahrbuchs für sexuelle Zwischenstufen und der Zeitschrift Der Eigene. Berlin 1997, S. 406. [30] Keilson-Lauritz: Die Geschichte der eigenen Geschichte, op. cit., S. 406. [31] Als Essayist schrieb Gaulke: Grundriß der Kunstgeschichte (1898), Über die Grenzen des Nationalismus und Internationalismus (1898), Kunst und Kapital (1904), Religion und Kunst (1907), Der gefesselte Faust (1910), Die ästhetische Kultur des Kapitalismus (1909), Die entfesselte Bestie (1924) und Amerika, du hast es besser...? (1928). [32] Zu seinen dramatischen Werken zählen: Hagenow und Sohn (1901), Bild der Unschuld (1903) sowie Madame Passepartout <Freie Liebe>. Eine Übermenschen-Komödie (1909). [33]Gaulke: Erinnerungen eines Auswanderers. Großlichterfelde-Berlin 1904; eine erweiterte Fassung erschien 1909 u.d.T.: Im Zwischendeck. Ein Kulturbild aus dem Auswandererleben. Cf. dazu: Führer durch die moderne Literatur. Würdigungen der hervorragendsten Schriftsteller unserer Zeit. Begründet von Hanns Heinz Ewers. Neue, von Hans Krüger-Welf vollständig durchgearbeitete Ausgabe. Berlin 1923, S. 57. [34] Cf. Wilde, Oscar: Dorian Gray. Aus dem Englischen übersetzt und mit einem Vorwort versehen von Johannes Gaulke. Leipzig 1901. Neuausgabe unter dem Titel: Das Bildnis des Dorian Gray. Frankfurt am Main / Berlin 1966. [36] Cf. Keilson-Lauritz: Die Geschichte der eigenen Geschichte, op. cit., S. 31-33. [37] Cf. Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen 3 (1901), S. 275-291. [38] Cf. Keilson-Lauritz: Die Geschichte der eigenen Geschichte, op. cit., S. 35-36. [39] Gaulke Johannes: Jugenderinnerungen. In: Festschrift zu Dr. Magnus Hirschfelds 50. Geburtstag. 14. Mai 1918. Vierteljahresberichte des Wissenschaftlich-humanitären Komitees, Jg. 18, Heft 2/3, April-Juli 1918, S. 13-16. [40] Gaulke: Jugenderinnerungen, op. cit., S. 14. [41] Gaulke: Jugenderinnerungen, op. cit., S. 16. [42] Gaulke: Jugenderinnerungen, op. cit., S. 13. [43] Gaulke: Jugenderinnerungen, op. cit., S. 15. [44] Gaulke: Jugenderinnerungen, op. cit., S. 16. [45] Gaulke: Jugenderinnerungen, op. cit., S. 13. [46] Gaulke: Jugenderinnerungen, op. cit., S. 15. [47] Gaulke: Jugenderinnerungen, op. cit., S. 16. [48] Gaulke: Jugenderinnerungen, op. cit., S. 16. [49] Gaulke: Jugenderinnerungen, op. cit., S. 16. [50] Helms, Hans G.: Die Ideologie der anonymen Gesellschaft. Max Stirners ›Einziger‹ und der Fortschritt des demokratischen Selbstbewußtseins vom Vormärz bis zur Bundesrepublik. Köln 1966, S. 575. [51] Cf. Mackay, John Henry: Max Stirner. Sein Leben und sein Werk. Berlin 1898. [52] Cf. Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigentum. Privatausgabe, veranstaltet von John Henry Mackay. Charlottenburg bei Berlin 1911; Stirner, Max: Das unwahre Prinzip unserer Erziehung oder der Humanismus und Realismus. Privatausgabe, veranstaltet von John Henry Mackay. Charlottenburg bei Berlin, 1911; und Stirner, Max: Kleinere Schriften und seine Entgegnungen auf die Kritik seines Werkes: ›Der Einzige und sein Eigentum‹ aus den Jahren 1842-1848. Hrsg. von John Henry Mackay. 2., durchgesehene und sehr vermehrte Auflage. Treptow bei Berlin 1914 [Erste Auflage: Berlin 1898]. [53] Cf. Gaulke: Die Homoerotik in der Weltliteratur. In: Der Eigene 4/2 (1903), S. 120-133. [54] Cf. Gaulke: Erotik und Patriotismus. Ein Beitrag zur Psychologie der Besessenheit. In: Der Eigene 11/7 (1927), S. 210-212. [55] Cf. Keilson-Lauritz: Die Geschichte der eigenen Geschichte, op. cit., S. 89-90 und 145-146. [56] Gaulke: Das Hohelied des Egoismus. In: Die Freiwirtschaft, 7/18 (September 1925), S. 365. [57] Gaulke: Das Hohelied des Egoismus, op. cit., S. 365. [58] Gaulke: Das Hohelied des Egoismus, op. cit., S. 367. [59] Begriffe wie »Eigenheit«, »Spuk«, »Besessene«, »fixe Ideen« oder »Genießen«, die zum spezifischen Vokabular Stirners gehören, kommen im »Hohenlied« Gaulkes häufig vor. [60] Gaulke: Das Hohelied des Egoismus, op. cit., S. 366. [61] Cf. in diesem Zusammenhang auch Gaulkes Verwendung der nietzscheanischen Begriffsopposition Führer/Volk sowie des Topos der »Herrennaturen« (Gaulke: Das Hohelied des Egoismus, op. cit., S. 365-366 und 367). [62] Eine ähnliche Synthese von beiden Philosophen wurde auch von den Eigenen angestrebt. Cf. dazu: Bauer, J. Edgar: Der »Einzige« als »Eigener«. Gelegentliche Thesen zu einer ideologischen Mißdeutung Max Stirners. In: Emanzipation hinter der Weltstadt. Adolf Brand und die Gemeinschaft der Eigenen. Katalog zur Ausstellung vom 7. Oktober bis 17. November 2000. Hrsg. von Marita Keilson-Lauritz und Rolf F. Lang im Auftrag des Kulturhistorischen Vereins Friedrichshagen e.V. Berlin-Friedrichshagen 2000, S. 22-39, insbesondere S. 29-30 (= § 7); und ders.: John Henry Mackay: Der Liebesdichter als anarchistischer Empörer. Kritische Notate zum Verständnis seines sexualemanzipatorischen Ansatzes. In: Capri. No. 31, Dezember 2001, S. 34-47, insbesondere S. 36-37 (= § 4). [63] Cf. dazu Mackay. John Henry: Max Stirner. Sein Leben und sein Werk. Reprint der dritten voellig durchgearbeitete[n] und vermehrte[n] [...] Auflage. Freiburg i. Br. 1977, S. 19, wo es u.a. heißt: »Das Fieber der Nietzsche-Krankheit ist bereits im Fallen. Eines Tages wird sich auch der ›Uebermensch‹ an der Einzigkeit des Ich zerschmettert haben.« [64] Gaulke: Das Hohelied des Egoismus, op. cit., S. 367. [65] Gaulke: Das Hohelied des Egoismus, op. cit., S. 367. Zudem widerspricht Gaulke Stirners luzider Sicht der Einbettung des Menschen im ontologischen Machtkonnex, wenn er die These vertritt: »Wie ich nicht gehorchen kann, so kann ich auch nicht befehlen, wie ich keine Vorgesetzten kenne, so kenne ich auch keine Untergebenen.« (Gaulke: Das Hohelied des Egoismus, op. cit., S. 366). [66] Für eine Darlegung der von Stirner gezogenen Konsequenzen des radikal aufgefassten »Einzigen« cf.: Bauer, J. Edgar: Max Stirner: Das Ende des Heiligen. In: Max Stirner e l´individualismo moderno. A cura di Enrico Ferri, introduzione di Francesco de Sanctis. Napoli 1996, S. 357-391. [67] Gaulke: Das Hohelied des Egoismus, op. cit., S. 368. [68] Cf. Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigentum. Mit einem Nachwort hrsg. von A. Meyer. Stuttgart 1985, S. 46-47. [69] Gaulke: Das homosexuelle Problem, op. cit., S. 344. [70] Gaulke: Das homosexuelle Problem, op. cit., S. 344. [71] Cf. Gaulke: Das homosexuelle Problem, op. cit., S. 345. [72] Cf. Gaulke: Das homosexuelle Problem, op. cit., S. 345-346. [73] Cf. Gaulke: Das homosexuelle Problem, op. cit., S. 346-348. Es handelt sich um August von Platen (1. Jahrgang), Michelangelo (2. Jahrgang) und schließlich den Dichter Hans Christian Andersen, den römischen Kaiser Elagabal und den Dichter und Ästhetiker Oscar Wilde (3. Jahrgang). [74] Gaulke: Das homosexuelle Problem, op. cit., S. 348. [75] Gaulke: Das homosexuelle Problem, op. cit., S. 345. [76] Gaulke: Das homosexuelle Problem, op. cit., S. 346. Herv. d. Verf. [77] Gaulke: Das homosexuelle Problem, op. cit., S. 349. [78] Bezeichnenderweise übernimmt »West« wortwörtlich – bis auf eine kleine stilistische Korrektur – Gaulkes achtzeilige Zusammenfassung der Ansichten Krafft-Ebings (Cf. Gaulke: Das homosexuelle Problem, op. cit., S. 345 und West, Dr. Ludwig E. [d.i. Johannes Gaulke]: Homosexuelle Probleme, op. cit., S. 12). Zum besseren Verständnis der nachstehenden argumentativen Zusammenhänge sei hier die Kapiteleinteilung von »Wests« Buch angeführt: Einleitung; Kapitel I: Was ist Homosexualität? Geschlechtlicher Trieb. – Gleichgeschlechtlicher Trieb. – Hypothesen: Hirschfeld, Moll, v. Krafft-Ebing, v. Schrenck-Notzing, Symonds, Ulrichs, Virchow etc; Kapitel II: Homosexualität bei den Tieren. Säugetiere, Vögel, Amphibien, Insekten; Kapitel III: Sprachgebrauch; Kapitel IV: Erscheinungsformen der Homosexualität. Bei Männern. Bei Frauen; Kapitel V: Erläuternde Fälle zu Kapitel IV; Kapitel VI: Geschichtliches. Naturvölker. – Juden. – Perser. – Griechen. – Römer. – Germanen. – Japaner. – Mittelalter. – Gegenwart; Kapitel VII: Charakteristische Homosexuelle in der Geschichte. David. – Sokrates. – Heliogabal. – Rudolf II. – Heinrich III. – Jacob I. – Karl XII. – Prinz Eugen. – Friedrich I. – Ludwig II. u.s.w.; Kapitel VIII: Homosexualität in der Kunst. Anakreon. – Phidias. – Pindar. – Sophokles. – Michel-Angelo. – Shakespeare. – Molière. – Byron. – Winckelmann. – Andersen u.s.w.; Kapitel IX: Der Homosexuelle vor dem Strafrichter. Gesetze bei den Juden. – Griechen. – Römern. – Byzanz. – Mittelalter. – Neuzeit. – Straffreie Länder. – Scheingründe für Aufrechterhaltung des Strafparagraphen; Kapitel X: Erpressertum. Charakteristik. – Fälle. – Abhilfe; Kapitel XI: Soll der Homosexuelle heiraten? Gründe der gewöhnlichen Heiraten. – Eheliches Leben. – Fälle unglücklicher Ehen. – Folgen: Unglück, Degeneration der Nachkommen; Kapitel XII: Bewegung und Sonstiges. K.H. Ulrichs. – v. Krafft-Ebings Psychopathia sexualis. – Moll. – Dr. Magnus Hirschfeld und das wissenschaftlich-humanitäre Komitee. – Forderungen. – Tätigkeit; Literaturverzeichnis. [79] West, Dr. Ludwig E. [d.i. Gaulke]: Homosexuelle Probleme. Im Lichte der neuesten Forschung allgemeinverständlich dargestellt. Berlin 1903, S. III-IV. [80] West, Dr. Ludwig E. [d.i. Gaulke]: Homosexuelle Probleme, op. cit., S. III. [81] Gaulke: Das homosexuelle Problem, op. cit., S. 344. [82] West, Dr. Ludwig E. [d.i. Gaulke]: Homosexuelle Probleme, op. cit., S. 12 [83] Gaulkes Zusammenfassung der Beiträge von Krafft-Ebing und Hirschfeld korrespondieren mit dem, was vor allem im Kapitel I, III, IV und V des Buches erörtert wird. Die Passage über Karl Heinrich Ulrichs tangiert Themen, die auch »West« in den Kapiteln »Der Homosexuelle vor dem Strafrichter« (IX) und »Soll der Homosexuelle heiraten?« (XI) bespricht. Die Absätze in Gaulkes Aufsatz, die sich mit den homosexuellen Persönlichkeiten der Kulturgeschichte befassen, werden in den Kapiteln über »Geschichtliches« (VI), »Charakteristische Homosexuelle in der Geschichte« (VII) und »Homosexualität in der Kunst« (VIII) ergänzt und erweitert. Schließlich führt der Verweis auf Ferdinand Karsch-Haacks Beitrag über zoologische Fälle von »Uranismus« zum Kapitel »Homosexualität bei den Tieren« (III) und die Ausführungen zu Karsch-Haacks Studie über Gleichgeschlechtlichkeit bei den Naturvölkern finden ihre Entsprechung im ersten Absatz des Kapitels »Geschichtliches« (VI.). Nur die Kapitel »Erpressertum« (X) und »Bewegung und Sonstiges« (XI) haben keine strukturelle Korrespondenz im Aufsatz. [84] So der Rezensent des Buches in Hirschfelds Jahrbuch: Numa Praetorius [d.i. Eugen Wilhelm]: Buchbesprechung: West, Dr. Ludwig E.: Homosexuelle Probleme. Im Lichte der neuesten Forschung allgemeinverständlich dargestellt. Berlin 1903, Carl Messer & Co. In: Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen, Jg. 6 (1904), S. 528. [85] Cf. West, Dr. Ludwig E. [d.i. Gaulke]: Homosexuelle Probleme, op. cit., S. 74, 88, 154, 207, 210, 212, 219. [86] West, Dr. Ludwig E. [d.i. Gaulke]: Homosexuelle Probleme, op. cit., S. 10. [87] Cf. West, Dr. Ludwig E. [d.i. Gaulke]: Homosexuelle Probleme, op. cit., S. 234-255. [88] West, Dr. Ludwig E. [d.i. Gaulke]: Homosexuelle Probleme, op. cit., S. 221. [89] West, Dr. Ludwig E. [d.i. Gaulke]: Homosexuelle Probleme, op. cit., S. 233. [90] West, Dr. Ludwig E. [d.i. Gaulke]: Homosexuelle Probleme, op. cit., S. IV. [91] West, Dr. Ludwig E. [d.i. Gaulke]: Homosexuelle Probleme, op. cit., S. IV. [92] An einer Stelle von Homosexuelle Probleme werden die Bisexuellen als Zwischenstufe zwischen dem reinen Homosexuellen und dem Normalsexuellen bezeichnet. (Cf. West, Dr. Ludwig E. [d.i. Gaulke]: Homosexuelle Probleme, op. cit., S. 205) Sonst erscheint der Begriff mehrfach nur noch in einem zitierten Brief von Karl Heinrich Ulrichs an seine Schwester vom 22. September 1862. Dort erwähnt Ulrichs mehrere an ihn von seiner Schwester gerichtete Fragen, darunter die, »[o]b es Zwischenstufen gibt zwischen Uraniern und Dionäern?« (West, Dr. Ludwig E. [d.i. Gaulke]: Homosexuelle Probleme, op. cit., S. 229) Auf diese Fragen antwortet Ulrichs folgendermaßen: »Dies alles sind völlig müssige Fragen, wenn es überhaupt reine, unvermischte Uranier gibt. Dass es aber solche gibt, wirst du nicht bezweifeln können, sowie, dass ich einer davon bin. Uns gehen die etwaigen Zwischenstufen nichts an. Übrigens selbst wenn es Zwischenstufen gäbe, so würden die ›prostituierten Männer in Berlin‹ nicht dazu gehören, diese sind gewöhnliche Dionäer. Sie empfinden weder Abneigung vor Weibern noch Liebe zu Männern.« (West, Dr. Ludwig E. [d.i. Gaulke]: Homosexuelle Probleme, op. cit., S. 230). Kurz darauf verwendet Ulrichs den Begriff »viertes Geschlecht« anstelle von etwaigen »Zwischenstufen«: »Wir bilden ein drittes Geschlecht. Der Massstab des einen Geschlechts hat dem anderen überall nichts vorzuschreiben. Ob es noch ein viertes Geschlecht gebe? wie Gr. fragt, geht mich überall nichts an.« (West, Dr. Ludwig E. [d.i. Gaulke]: Homosexuelle Probleme, op. cit., S. 231) [»West« zitiert den Ulrichs-Brief nach: Vier Briefe von Karl Heinrich Ulrichs (Numa Numantius) an seine Verwandten. In: Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen, I (1899) S. 36-70]. Im Unterschied zu Ulrichs Ausblendung der Sexualformen, die ihn nicht unmittelbar angingen, bewegten sich Hirschfelds wissenschaftliche und emanzipatorische Bemühungen vom Anfang an im Horizont allgemein menschlicher Geschlechtlichkeit. Von daher konnte er die These aufstellen, dass streng genommen »[a]lle Menschen [...] intersexuelle Varianten« (Hirschfeld: Von einst bis jetzt. op.cit., S. 49), m.a.W.: »sexuelle Zwischenstufen« sind. [93] Bekanntlich verweist der Begriff »sexuelle Zwischenstufen« im Titel vom Hirschfelds Jahrbuch auf ein bestimmtes Segment innerhalb des Naturkontinuums zwischen den Polen der vorgeblich männlichen und weiblichen Normalsexuellen. So entspricht Hirschfelds frühe terminologische Verwendung des Begriffes weitgehend dem, was Ulrichs »Zwischenstufe« bzw. »drittes Geschlecht« nannte (Cf. die vorangehende Fußnote). Der theoretische Ansatz zur Universalisierung des Begriffes steht aber schon in Hirschfelds sexualwissenschaftlicher Erstlingsschrift Sappho und Sokrates fest, denn dort wird das, was zunächst als Qualitätsunterschiede zwischen den Geschlechtern angesehen wird, als im Grunde nur Quantitätsunterschiede aufgedeckt. In der Konsequenz bedeutet dies, dass auch die Normalsexuellen dem sexualwissenschaftlichen Gesetz unterliegen, nach dem die Geschlechtlichkeit eines jeden Individuums aus dem Mischungsverhältnis von männlichen und weiblichen Sexualkomponenten resultiert. Darum ist es so bedeutsam, wenn Hirschfeld in diesem Zusammenhang schreibt: »Doch ist es der Lupe des Forschers sehr wohl möglich, die Reste der ursprünglichen Zwitteranlage bis in das späteste Alter nachzuweisen. Jeder Mann behält seine verkümmerte Gebärmutter, den Uterus masculinus, die überflüssigen Brustwarzen, jede Frau ihre zwecklosen Nebenhoden und Samenstränge bis zum Tode.« (Ramien, Th. (d.i. Hirschfeld): Sappho und Sokrates oder Wie erklärt sich die Liebe der Männer und Frauen zu Personen des eigenen Geschlechts. Leipzig 1896, S. 10). Da jeder Mensch das Resultat einer mehr oder weniger gelungenen Rückbildung eines der beiden Pole der ursprünglichen Zwitteranlage ist, deren anatomische und psychologische »Reste« vielfach zu beobachten sind, gibt es keinen Wesensunterschied zwischen Hetero- und Homosexuellen, sondern nur einen Gradunterschied in der jeweiligen Ausprägung männlicher und weiblicher Komponente. [94] Das Zitat beginnt bei »West« auf S. 2 [»Die menschliche Frucht im Mutterleibe...«] und endet auf S. 10 [»... völlig gesunden Familien hervorgegangen sind. «]. Der übernommene Text steht bei Hirschfeld in: Hirschfeld, Magnus: Sappho und Sokrates. Wie erklärt sich die Liebe der Männer und Frauen zu Personen des eigenen Geschlechts. Zweite Auflage. Leipzig 1902, S. 11-18. Aufgrund sachlich unerheblicher, textlicher Unterschiede zwischen der ersten und zweiten Auflage von Sappho und Sokrates lässt sich feststellen, dass »West« nach der zweiten, nicht mehr pseudonym erschienenen Auflage zitiert. [95] Hirschfeld, Magnus: Die intersexuelle Konstitution. In: Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen, 23 (1923), S. 10. [96] Cf. dazu: Herzer, Manfred: Kertbenys Leben und Sexualitätsstudien. In: Kertbeny, Karl Maria: Schriften zur Homosexualitätsforschung. Hrsg. von M. Herzer. Berlin 2000, S. 7-61. [97] Cf. Kertbeny, Karl Maria: Silhouetten und Reliquien. Erinnerungen. 2 Bde. Prag 1861-1863, Bd. II: S. 79, 202-203. [98] Cf. Bloch, Iwan: Eine bisher unbekannte Erwähnung Stirners. Gefunden und hier zum 1. Mal veröffentlicht. In: Der Einzige, Nr. 23/24 (1919), S. 273. [99] Das Motto lautet: »Was natürlich ist, kann nicht unmoralische sein.« Der Satz wurde dann im letzten Absatz der Broschüre wiederholt. (Cf. Ramien, Th. (d.i. Hirschfeld): Sappho und Sokrates, op. cit., S. 34-35; und Hirschfeld, Magnus: Sappho und Sokrates. Wie erklärt sich die Liebe der Männer und Frauen zu Personen des eigenen Geschlechts. Zweite Auflage. Leipzig 1902, S. 36). [100] Hirschfeld, Magnus: Phantom Rasse. Ein Hirngespinst als Weltgefahr. In: Die Wahrheit. Prag, Jg. 13 (1934), Nr. 44 – 50/52 und Jg. 14 (1935) Nr. 1 – 15. Auf der letzten Seite der letzten Fortsetzung ist folgende editorische Notiz zu lesen: »Wie wir nach Blattschluß erfahren, ist Dr. Magnus Hirschfeld, der bahnbrechende Wissenschaftler und Menschenfreund, Autor dieser heute zum Abschluß gelangenden Veröffentlichung gestorben.« [101] Cf. z.B.: Hirschfeld: Phantom Rasse. Ein Hirngespinst als Weltgefahr. In: Die Wahrheit. Prag, Jg. 14 (1935) Nr. 4 (10. Fortsetzung); und ders.: Phantom Rasse, op. cit., Jg. 14 (1935) Nr. 6 (12. Fortsetzung). Bezeichnenderweise schreibt Hirschfeld auf der letzten Seite der letzten Fortsetzung von Phantom Rasse: »Die Vertreter dieser [national-sozialistischen] Anschauung, denen der Begriff ›Rasse‹ im Mittelpunkt allen Denkens und Handelns steht, werden eine Wortbildung freilich nicht gern hören, die von keinem geringeren herrührt als von Friedrich Nietzsche: ›Wo Rassen gemischt sind, der Quell großer Kulturen-Maxime: Mit keinem Menschen umgehen, der an dem verlogenen Rassen-Schwindel Anteil hat.‹ Es ist nicht ganz leicht zu verstehen, daß Nietzsche trotz dieses Ausspruches und anderer, die sich gegen die ›Rassenbegriffe‹ wenden, als Philosoph des Rassenstaates vom Dritten Reich in Anspruch genommen wird. Wir bezweifeln sehr, ob Nietzsche damit einverstanden gewesen wäre, daß sein Spazierstock von seiner Schwester Elisabeth ›ausgerechnet‹ Hitler zum Geschenk gemacht wurde.« (Hirschfeld: Phantom Rasse, op. cit., Jg. 14 (1935) Nr. 15 (19. Fortsetzung)) [102] Eine diesbezüglich wichtige Stelle bei Max Stirner lautet: »An dem Eingange der neuen Zeit steht der ›Gottmensch‹. Wird sich an ihrem Ausgange nur der Gott am Gottmenschen verflüchtigen, und kann der Gottmensch wirklich sterben, wenn nur der Gott an ihm stirbt? [...] Wie mögt Ihr glauben, daß der Gottmensch gestorben sei, ehe an ihm außer dem Gott auch der Mensch gestorben ist?!« (Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigentum, op. cit., S. 170) [103] Nietzsche, Friedrich: Jenseits von Gut und Böse. Vorspiel einer Philosophie der Zukunft, in: Nietzsche: Sämtliche Werke. Hrsg. von Giogio Colli und Mazzino Montinari. Band 5. München und Berlin 1980, S. 87. [104] Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigentum, op. cit., S. 170. [105] Califia, Pat: Public Sex. The Culture of Radical Sex. Pittsburgh, Pennsylvania 1994, S. 178 |